Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1876
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- 1876-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1876
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- Deutsch
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man gewöhnlich an, daß sie eine Folge des verderblichen deutschen Alphabets ist. Es ist natürlich möglich, daß die Dentschcn in Wirk- lichkeit nicht kurzsichtiger sind als die Franzosen oder Engländer, und daß sie mit männlicher Verleugnung persönlicher Eitelkeit die Brillen tragen, um viel weiter zu sehen als ihre Nachbarn, und nicht, um nur die gewöhnliche Sehweite zu erlangen; indessen ist im Ganzen anzunehmen, daß der Deutsche ein schwaches Gesicht hat und daß die augenscheinlichste Schuld dieses Mangels in dem schwierigen spitzigen Alphabet liegt." „Daily News" geht alsdann zu den Ein würfen über, die gegen den Reformvvrschlag ins Feld geführt wer den, und widerlegt den „patriotisch-teutonischen" Einwand mit sach lichen Gründen, jedoch auch mit einigem wohlverdienten Spotte. „Die Schreiber des 13. und 14. Jahrhunderts waren bewunde rungswürdige Künstler; sie sparten weder Zeit noch Arbeit, noch Ultramarin, noch Goldblatt. Die Handschriften, die sie hinterlassen haben, sind Kunstwerke in ihrer Art; doch waren sie nicht darauf berechnet, daß der gemeine Mann sie ohne Beschwerde lesen könnte. Um herauszufinden, was ihre Initialen bedeuten, muß man auf hören, die Vögel, Engel, Teufel und Ungeheuerchen zu bewundern, die in ihren Ranken und Gittern wohnen, und den Context des Wortes zu entziffern suchen. Ein Alphabet, welches so mit phan tastischen Spitzfindigkeiten überladen worden ist, verliert alle seine Schönheit und gewinnt geringe Klarheit, wenn es in bleierne Typen umgesetzt wird. Die meisten übrigen Völker des Nordens machten diese Wahrnehmung und kehrten sehr bald von den spitzigen gothi- schen Buchstaben, die man noch in den frühesten englischen Drucken findet, zu der lateinischen Schrift zurück. Das civilisirte Europa, Rußland seinem Bastardgriechisch überlassend, verharrte von nun an zufrieden bei seinem lateinischen Alphabet. War Deutschland wirklich so uncivilisirt, war das Land jenseit der Alpen wirklich so barbarisch, wie die Schule Poliziano's behauptete? Was auch die Ursache gewesen sein mag, der Deutsche blieb hängen an den phan tastischen mittelalterlichen Schriftzügen, die jetzt noch fortbestehen als ein merkwürdiges und unangenehmes Beispiel gehemmter Ent wicklung. Zugegeben, daß die deutschen Buchstaben schwer zu lesen sind und daß sie nicht so deutliches Zeugniß ablegen von der intellec- tuellen Geschichte des Volkes, wie das russische Alphabet, so würde es doch schon etwas sein, wenn sie schön in gutem Drucke aussähen. Diese Enschuldigung der Schönheit für mangelhafte Brauchbar keit kann bei manchen orientalischen Alphabeten geltend gemacht werden. Das arabische Alphabet z. B. macht einen reizenden Effect, es sieht aus, als wäre es bestimmt, mit Gold eingelegt oder auf den Säbelscheiden von Damaskus emaillirt zu werden. Das persische hat denselben Charakter, während das Sans krit selbst noch mehr Festigkeit wie eine Lapidarschrift in den bewundernswürdig einfachen Buchstaben der Römer hat. An dere Alphabete und Aufzeichnungsmethoden, ursprüngliche oder verwilderte, wie Bilderschrift, wie die geknoteten Bindfäden der Peruaner u. dgl. m., können als Zeugniß dienen bei der schwierigen Untersuchung über den Ursprung und die Entwicklung der Schrift. Sind die Buchstaben, wie wir sie haben, die elementaren Formen, zurückbehaltene Züge aus mehr ausgeführten Bilderschriften, und wenn dies der Fall wäre, wie sind die Alphabete der Welt so merk würdig verschieden geworden? Wo sind die Schriftlichen herge kommen, die man in den Grotten von Syracus findet, die noch vor aller karthagischen oder griechischen Cultur datiren? Besteht irgend eine Beziehung zwischen den halb hieroglyphischen Sculpturen von Ducatan und denen der indischen Tempel? Dieses sind einige der vielen Fragen, die dem Forscher begegnen, wenn er die Geschichte der Menschen in den Spuren ihres Ganges durch die Zeiten ver folgt, wie der Pfadsucher im Walde sich nach den Merkzeichen der Bäume richtet. Bei solchen Untersuchungen ist jedes Alphabet! brauchbar, außer dem deutschen, welches seine Eigenthümlichkeiten dem Umstande verdankt, daß Deutschland in den schönen Wissen schaften etwas zurückgeblieben war, da es in dem Jahrhundert, wel ches ans die Erfindung der Buchdruckerkunst folgte, andere Arbeit zu thun hatte. Jetzt hat cs Muße genug, um zu überlegen, ob es nicht besser wäre, die Augen der studircnden Menschheit zu schonen und lieber alte Herkommen auszugeben. Die deutsche Sprache ist sicherlich national genug, und auch schwer genug, ohne daß sie noch durch veraltete Schriftzeichen verdunkelt zu werden brauchte. Schon wird die Mehrzahl der in deutscher Sprache geschriebenen gelehrten Werke mit lateinischen Lettern gedruckt. Die Anwendung lateini schen Alphabets für den täglichen Gebrauch wäre ein weiser Schritt, für welchen Europa dankbar sein würde. Dabei stände es den Deutschen ja frei, gleich den Holländern die Schnörkelschrift für ihre Gebetbücher zu behalten, nach demselben Grundsätze, den dieAssini- boine-Indianer befolgen, wenn sie an heiligen Tagen das Wasser durch Hineiulegen heißer Steine zum Sieden bringen, während sie bei gewöhnlichen Gelegenheiten ganz wie die übrige Welt den Kessel ans Feuer setzen. Wenn die Deutschen so weit gekommen sind, daß sie so drucken wie andere Völker, so wird es ihnen auch weuiger schwer fallen, wie andere Völker zu schreiben, und vielleicht ist es der Nachwelt sogar vergönnt, deutsche Bücher anständig ge bunden statt mit schlechtem Zwirne lose zusammengeheftct zu sehen. Dann wird jenes Zeitalter der Aufklärung erschienen sein, welches Goethe in weiter Ferne sah." Miseellen. Aus Berlin. Der Director der Staatsarchive, Geheimrath vr. v. Sybel, hat, wie die Kölnische Zeitung erfährt, in der Akademie der Wissenschaften den Antrag gestellt, diepolitischeCorrespondenz Friedrich's des Großen, die bisher größtentheils noch un bekannt ist, demnächst zur vollständigen Veröffentlichung zu bringen. Der König soll mit diesem Plane durchaus einverstanden sein. Das bedeutsame Werk wird nach ungefähren Schätzungen 30 Bände umfassen. Aus dem deutschen Reichs-Post- und Telegraphen wesen. — Nachdem es bekanntlich vor einigen Monaten gestattet worden ist, daß wissenschaftlichen oder technischen Zeit schriften bei deren Versendung unter Band gegen die ermäßigte Taxe kleine Stoff- rc. Muster beigesügt werden, sofern dieselben lediglich als unentbehrliche Beigaben zur Erläuterung des Textes dienen, sollen nach einer Verfügung des kaiserl. General-Postamts vom 4. ds. derartige Zeitschriften mit beigefügten Stoff-rc. Mustern gleicher Art von jetzt ab versuchsweise auch zum Vertrieb durch die Postanstalten zugelassen werden. Bedingung ist, daß die Muster den Anforderungen der fraglichen früher» Verfügung entsprechen, und daß die Zeitungsverleger die für die einzelnen Bezugs-Postanstalten bestimmten Exemplare der betreffenden Schriften bei der Verlags-Postanstalt vorschriftsmäßig verpackt einliefern, so daß letztere mit der Verpackung bez. Adressirung keine weitere Befassung hat. In dem heutigen Blatte findet sich unter den „Vermischten Anzeigen" ein Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für den all geschätzten Jugendschriftsteller Gustav Nieritz, worauf wir uns gestatten unsere geehrten Leser hiermit besonders aufmerksam zu machen. Personalnachrichten. Herrn Victor Bück in Luxemburg ist von dem König der Niederlande das Ritterkreuz vom Orden der Eichenkrone verliehen worden.
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