Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1876
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- 1876-05-03
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- 03.05.1876
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bis endlich Pius IX. seinen ohnmächtigen Bannstrahl gegen sie schleuderte. Ist cs da nicht eine wunderbare Fügung der Dinge, daß Diejenigen, welche die Preßfreiheit am meisten verurtheilen, heutzutage den ausgiebigsten Gebrauch davon machen? Die Beschränkung der Presse ist so alt wie die Buchdrucker- kunst. Sie ist gewissermaßen der Gegendruck, den der Druck erzeugte. Zwar war das freie Wort in Rede und Schrift von jeher ein Dorn im Auge der Mächtigen: Cicero mußte die Kühnheit seiner Reden gegen Amonius mit dem Tode büßen; Ovid mußte im Exil über seine Gedichte, die des Cäsar Augustus Mißfallen erregt hatten, Nachdenken; Constantin ließ die aus dem Nicäischen Concil ver dammten Bücher des Arius verbrennen; und Justinian verbot, die alten Rechtsbücher mit seinen Pandekten zu vergleichen und neue darüber zu schreiben. Aber was ist Rede und Schrift gegen den Druck, der dem Worte Flügel verleiht? Es ist die Macht des Schwertes gegenüber der Wirkung einer Batterie. Jene tragen den Gedanken auf Baches Welle durch kleine Länderstrecken, der Druck führt ihn über die ganze Erde fort mit Stromesgewalt. Kein Wunder, daß Diejenigen, die den freien Gedanken am meisten zu fürchten hatten, mit Entsetzen auf die Wirkungen der höl lischen Kunst blickten. Sie erkannten sofort, daß sie gegen das Boll werk ihrer Macht anstürmen mußte: „Wir verbieten," heißt cs in der Bulle Alexander's VI. (1501), „allen Buchdruckern ... bei Strafe der Excommunication und bei einer Geldstrafe ernstlich, daß sie in Zukunft Bücher, Abhandlungen oder irgend welche Schriften drucken oder drucken zu lassen irgendwie sich unterstehen, ohnezuvor die Erz bischöfe oder Stellvertreter undOfficiale um Rath zu fragen; ... daß nichts gedruckt werde, was dem strengen Glauben zuwider, gottlos oder Aergerniß erregend ist." Das war der Ansang der Preßhetze, die Jahrhunderte lang ein Sport der Regierungen war. Die Presse wurde für alles §rb- gestrast, was der menschliche Geist Gutes und Großes ersann; sie bekam dieSchläge, diediesem zugedacht waren. Denn in ihr fand er seinen Verkünder, seinen Vormund; sie führte immer das große Wort, das muß man sagen, sie verschwieg nichts, sie verzeichnete gewissenhaft alles, was er hervorbrachte, sie machte sich zur Mit wisserin seiner Handlungen und zur Mitthäterin. Insofern also in ihr das geistige Leben sich abspiegelte, kann man, ein bekanntes Wort Macaulay's variirend, sagen: daß die einzig wahre Geschichte eines Landes in seiner Presse zu finden sei. Damit ist der Rahmen für eine Geschichte der deutschen Preß freiheit freilich sehr weit gespannt. Wer cs unternähme, siezuschrci- ben, müßte ein wenig mehr als ein Rechtsgelehrter, er müßte vor allem Geschichtsforscher und Politiker sein. Es ist gewiß keine kleine Mühe, das vorhandene gesetzliche Material zusammenzusuchen, aber es ist bei diesem Werke das Geringste. Diese Gesetze müssen in Zu sammenhang gebracht werden mit den Erzeugnissen der Presse, in Rücksicht ans die sie gegeben waren, und diese wiederum müssen aus dem Charakter der Zeit, aus der sie hervorgingen, erklärt und beur- theilt werden. Die Methode der gelehrten Forschung muß sich paaren mit dem großen Blick für das Leben der Völker. Diese Bedingung glauben wir erfüllt zu sehen in einem Werke, das von dem berühmten Verfasser des „Deutschen Strafrechts" vor kurzer Zeit erschienen ist. Albert Friedrich Berner hat ein „Lehrbuch des Deutschen Pr eßrechts" (Verlag von Bernhard Tauchnitz, Leipzig 1876) geschrieben, in welchem er mit einer Dar stellung der Rechtsverhältnisse der deutschen Presse nach dem Reichs gesetze vom 7. Mai 1874 eine Geschichte des deutschen Preßrechts verbindet. Berner unterscheidet sich von vielen Gelehrten nicht durch seine Gründlichkeit, wohl aber durch eine edle Plastik des Styls und eine philosophische Freiheit des Gedankens. Bei ihm begegnet man nicht der einseitigen Gelehrtheit, die an den Grenzen des Faches zu Ende ist, sondern überall dem offenen Verständniß für das Ganze, für den Zusammenhang der speciellen Wissenschaft mit dem allge meinen Wissen, mit dem geistigen Leben überhaupt. Diese Vor züge finden sich auch in dem letzten Werke wieder, aber noch erhöht durch den Freimuth und die Unerschrockenheit, mit der der Ver fasser die modernen Ideen verficht; nicht vom Standpunkt irgend einer Partei, sondern nach allen Seiten hin prüfend und mit kriti scher Wage wägend, strenge trennend die Herrschaftsinteressen einer Partei von dem wahren Wohle des Staates, der für ihn der Rechts staat im vollen Sinne des Wortes ist. Von diesem Gesichtspunkt des wahren Liberalismus aus sind darin die geltenden Rechts grundsätze, die Bedenken, die gegen einzelne erhoben, und die Re formen, die von der Presse gefordert werden, erörtert: die Frage der Zeugnißpflicht, die Stellung des verantwortlichen Redacteurs, die Anonymität, der Berichtigungszwang, die Behandlung wort getreuer Berichte, die Beschlagnahme, die Pflichtexemplare und die vielen anderen Dinge, die im Leben der Presse eine entscheidende Rolle spielen. Aber da ist keines, was nicht in seiner geschichtlichen Bedeutung und in seinem Zusammenhänge mit den Interessen und Bedürfnissen des öffentlichen Wesens in reizvollster Darstellung beleuchtet wäre. Als Beispiel seien die Sätze aufgeführt, mit denen die rechtliche Stellung der „fliegenden Buchhändler" eingeleitet wird (S. 175): „....Anders der fliegende Buchhändler. Der ward alsbald eine fast autochthone Institution. 1848 galt der fliegende Buchhändler für eine straßengefährliche und demokratische Person. Ein Abgeordneter bezeichnete ihn als den geborenen Demokraten. Die fliegenden Scharen hemmten denVerkehr, wim melten auf den Bahnhöfen und erfüllten die Luft wie die Sperlinge mit ihren Rufen. 1870 erhob sich aber der fliegende Buchhändler zu eine <7 national-liberalen Erscheinung. Die Fenster der Patrioten g^eteu sich, sobald der Fliegende vorüberzog mit seinen Ausrufen E Neueste Nachricht vom Kriegsschauplatz: Sieg bei Weißenburg, bei Wörth, — der Kaiser Napoleon mit seinem ganzen Heere bei Sedan gefangen! Der Fliegende wurde ein patriotisches Ferment, begleitete das Vaterland von Sieg zu Sieg, schürte die Begeisterung für die Landesvertheidigung und für das kommende Reich, und die kurzen Beine der Berliner Buben erwiesen sich als eine vortreffliche Schnellpost, welche die überall stürmisch begehrten Nachrichten überallhin mit jugendlicher Siegesfreude und Hoffnung auf ungewöhnlichen Gewinn schleunigst ausstreute. Aber der Fliegende hatte keinen Rechtsboden unter den Füßen, sondern dieses emphemcre jugendliche Phänomen wurde von den Behörden nur einstweilen zugelassen. Sollte das neue Reich ihm seine Fort existenz nicht gesetzlich sichern?" Das ist freilich eine Behandlung, die in den Augen der noten seligen Gelehrsamkeit ein Gräuel, ein Verrath au der Wissenschaft ist, die den Namen „Lehrbuch" schändet, das an der Stirn des Werkes steht. Aber es will und kann auch seinem Gegenstände nach kein Lehrbuch im gewöhnlichen Sinne, ein Compendium für juri stische Lehrlinge sein; denn die Presse ist so tief verwurzelt mit unserem politischen Leben, mit unserer ganzen bürgerlichen und rechtlichen Existenz, daß ihreAngelegenheiten allgemeine Angelegen heiten und daher auch von allgemeinem Interesse sind. Das Ber- ncr'sche Werk ist ein Lehrbuch in viel weiterem und höherem Sinne, ein Lehrbuch für alle gebildeten Leute, ein Lehrbuch auch für die Regierungen; denn sie können daraus lernen, daß die Wohlfahrt der Völker nur erblüht unter der Sonne der Freiheit, daß das freie Wort die erste Bedingung ist für die Entwicklung der geistigen und materiellen Kräfte einer Nation. Die Geschichte des deutschen Preßrechts, welche dem dogma tischen Theile des Buches vorausgeht, ist hiernach in der That ein Gewinn für unsere Literatur; nicht bloß weil sie eine vorhandene
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