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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.05.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-05-21
- Erscheinungsdatum
- 21.05.1912
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- Deutsch
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- Saxonica
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itenfrage wieder aufgerolll, und es dürste vielleicht interessieren, wie die Frankfurter Zeitung in ihrer Denkschrift darüber urteilt: »In konfessionellen Fragen war die Zeitung für volle Glaubensfreiheit und daher Feind aller Intoleranz und Eng herzigkeit, sic trat für die Freiheit der Kirche ein und stimmte demgemäß auch für die Aufhebung des Jesuitengesetzes als einer ungerechten Ausnahmebestimmung«. Ganz gleich gültig kann es uns ja schließlich nicht sein, wie die Entschei dung ausfallen wird. Es hat der Buchhandel vielmehr ein ganz besonderes Interesse an dieser Frage der Zulassung dieser Ordensbrüder. Denn ob nicht ihr Einfluß auf die literarische Produktion Bayerns sich bemerkbar machen wird, ist eine offene Frage. Steht doch jeder einzelne von ihnen im eisernen Zwang der sie beherrschenden Idee; jeder hat eine strenge Schule konsequentester Logik durchgemacht und durch sie hart erfahren, welch eine geschmeidige Waffe das ins Volk immer und immer wieder suggestiv hineingetragene Wort ist: jeder Einzelne ist daher ein Napoleon der Idee. Bonapartes erste Tat aber auf seinem Eroberungszug war die Überwachung der literarischen Erzeugnisse. Nun hat ja die katholische Kirche an und für sich eine außerordentliche Anpassungsfähigkeit. Wir wissen, daß sie, als vor etwa 8 Jahren durch eine besondere Neigung für natur wissenschaftliche Literatur de» Schriften Bölschcs, Haeckels, Francss u.a. ein grotzer Lcserstand entstand, ihr sofort durch Her- ausgabc gleich zweier großen populärwissenschaftlichen Samm lungen durch spezifisch katholische Verlage Rechnung getragen hat. Seitdem hat sich diese Literaturgattung, die Wissenschaft und katholische Religion miteinander in Einklang bringt, ganz wesentlich vermehrt, während die protestantische Kirche, ge treu ihrem stets beobachteten starren Beharrungsvermögen, nur eine dem Kosmos ähnliche Sammlung unternahm. Es fehlt ihr eben der praktische, alle stets wechselnden Lebens- Verhältnisse beobachtende Sinn, der die katholische Kirche durch alle Fährnisse der Jahrhunderte trug. Sie führt daher den Kampf gegen die Ausklärungsdicnste der Wissenschaft hier auch nur in engerem Kreise, während die Ultcamontanen, immer auf der Wacht, stets neue Vorträge halten und gegenwärtig, durch einen, allerdings nicht berufenen Gegner Horneffer, den bekannten Nietzsche-Interpreten und eifrigen Förderer der monistischen Religion, als »einen falschen Propheten« an greifen. Der Deutsche Monistcnbund, der ja auch in München seinen Sitz hat, und die Jesuiten München als Arena, das dürfte ein kulturhistorisch interessantes Ringen werden, in dem die Münchener Zeitschriften »Jugend« und »Simpli- zissimus« Wohl nicht nur sekundieren., Ganz so schlimm, wie es allerorten dargeslellt wird, kann es übrigens in einem Staate nicht sein, in dem zwei solche Blätter bestehen können, die mit allen Waffen des seinen Spottes und der ätzenden Satire kämpfen. Und wenn hier und da ein Mißgriff der Behörden vorkommt, so ist nicht immer das System der Knebelung anzunehmen. Was für eine Stadt mit 60V VOV Einwohnern gut, was böse ist, das läßt sich nicht immer, auch nicht mit den vorurteilslosesten Zensurbeiräten, richtig bestimmen. Und ein Unrecht mit Widerhaken wird hier so wie so nicht verschluckt. Tenn fast jedes Verbot wird als »Zensurstückchen« beurteilt, und die meisten gebären Pro teste. Der letzte Protest gegen das Verbot der öffentlichen Vorlesung der Tragödie Leonor Goldschmieds »Die Ent weihung der Erde« erhebt mit grollendem Pathos und wuch tiger, zermalmen sollender Titanenhaftigkeit Einspruch da gegen, »daß die Polizei aus diese Weise den Ruf Münchens als Kunststadt untergräbt«. Gewiß ist es schlechterdings nicht einzusehen, warum das, was jeder als Buch kaufen, was also jeder lesen kann, nicht auch vorgelesen werden darf. Aber warum denn die Zensur gleich so kräftig überzeugen wollen? Auch dieser Mephistopheles hat schon gar oft das Wort ge sprochen: Wozu der Lärm? Was steht dem Herrn zu Diensten? Und hat jetzt Bamberg trotz des Widerspruchs klerikaler Kreise die Ausführung von Schönherrs »Glaube und Heimat« erlebt, so werden wir Wohl vielleicht auch eines Tages »Die Entweihung der Erde« zu hören bekommen, und zwar daun mit großem Erfolg — — dank der gütigen Mitwirkung der Zensur. Ein anderer Protest löst andere Empfindungen in uns aus: der Protest gegen den zunehmenden Luxus. Er zitiert den bereits seit 20 Jahren geweissagten Niedergang der deutschen Nation und konstatiert wieder einmal den Verfall aller Kultur völker aus den gesteigerten Ansprüchen an das Leben. Dabei mißachtet er nur, daß immer mit dem zunehmenden Reich tum einer Nation ganz natürlicherweise eine Verfeinerung der Lebensführung verbunden ist. Wenn wir heute mit einer stillen Bewnnderung vor den einfachen Möbeln Goethes stehen, wenn wir lesen, wie der doch reiche Mann gelebt hat, so kom- me» wir allerdings zu dem Schluß, daß wir an einer übcr- seincrung der Kultur leiden, daß zuviel auf Äußerlichkeiten gegeben wird, worunter wieder die innere Ausbildung leiden muß. Würde nun aber dasselbe Tempo in der geistigen Entwickelung zu verzeichnen sein, dann wäre für den Buch handel das goldene Zeitalter da. Denn je mehr auf Putz und Tand verwendet wird, um so weniger bleibt für die geistige Ausbildung übrig. Der Kommerzienrat, den Otto Leixner in seiner prächtigen Skizze »^k 3.50« schildert, hat leider recht viele Geistesverwandte. Sonst wäre es nicht möglich, daß in jeder Stadt auf einen Buchhändler sicher drei bis fünf Gold- Waren- oder Bijoutcriewarenhändler kommen. Sollte das Komitee nun seinen Plan zur Ausführung bringen und der Anti-Luxus-Bcwegung tatsächlich eine Bedeutung, wie sie die Anti-Alkohol-Bewegung besitzt, verschaffen und dadurch also eine bessere Durchgeistigung unserer Lebensführung bewirken, so iväre dies sicher zugleich die beste Erziehung zum Buch. Doch ich fürchte, daß es dazu noch weite Wege hat. Man müßte denn dieser national-gesellschaftlichen Tat ein konven tionell-gesellschaftliches Mäntelchen umhängen. Was man damit erreichen kann, das zeigen die verschiede nen Blumentage, die überall, wo diese Konbentional-Steuer, beinahe hätte ich Konventional-Strafe geschrieben, erhoben wurde, recht günstige Ergebnisse auswiesen. Im vergangenen Jahr halten wir einen Margareten-Tag, Heuer wird uns ein Heckenröschen-Tag fach wie nett!) beschert. Gewiß wird niemand die charitativenVorzüge dieserUnternehmen verkennen. Wenn er aber mit solch offensichtlichem Zwang zur Mildtätig keit verführt werden soll, dann sträubt sich doch so mancher dagegen. Auch der Geschäftsmann, der sowieso schon manche Steuern und Lasten auf sich hat, wird dadurch veranlaßt, weit über seinen Willen hinauszugehen, denn sein Konkurrent hat so und so seinen WohltStigkeitsfmn bezeugt, also mutz er doch mindestens dies und das tun. So schraubt sich dann jeder schließlich selbst in die Höhe nur in Hinsicht auf die andern. Das Erbärmlichste dieser Tage aber ist, daß sie die Person wie das Geschäft von vornherein schon so eingeschätzt haben, daß keiner hinter den andern zurückstehen will. Damit ist aber jeder gezwungen, dort mildtätig zu sein, wo die Allgemein heit es ist, trotzdem so manche andere Wohlfahrtseinrichtung ihm näher steht. Wenn wir Buchhändler beispielsweise diesen Zwang, der sich mit den jeweils bessern Ergebnissen ja natürlich steigern wird, ablehnen und alle Beträge, die wir dem Hecken röschentag, Kornblumentag, oder welchen Namens er noch sei, opfern wollten, dem Unterstützungsverein für Buchhändler zu wenden, so haben wir derselben Sache gedient, nur vernünfti ger nach dem englischenSprichwort: Obaritx bsgins at bomo, zu gut deutsch: Das Hemd sitzt uns näher als der Rock. Viel leicht ist es auch noch besser, das Geld statt für Heckenröschcn in Werbemarkcn des Erholungsheims anzulegen.
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