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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.09.1924
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1924-09-19
- Erscheinungsdatum
- 19.09.1924
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- Deutsch
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12236 dörienblLtt f. h. Dtschu. Buchhandel. Sprechfaul. X° 221, 19. September 1924. lehnung stoßen muß? Gewiß wollen wir wicht im Börsenlbl'att Inse rate wie -Die Erlebnisse eines möblierten Herrn« oder illustrierte obszöne Darstellungen, aber das Verbot, das Sie befürworten, schießt so weit über das Ziel hinaus, daß es einer Zensur gleichkommt. Wir sind, was so oft übersehen wird, weder ein Kriegerverein, noch eine Vereinigung von Mitgliedern des Sittlichkeitsverbandes vom Weißen Kreuz. Ter Börsenverein der Deutschen Buchhändler ist eine Standcs- vertretung, und wenn Verleger es sich zur Aufgabe machen, künst lerische Darbietungen zu reproduzieren, dann muß ihnen auch erlaubt sein, Bildproben zu veröffentlichen ohne Rücksicht darauf, daß der eine oder andere darüber den Kopf schüttelt. Auch finde ich z. B. gewisse Abbildungen eines Verlegers, der für Körper-Knltnr eintritt, weit weniger obszön, als die Abbildung dreiviertel bekleideter Dämchen, die, weil sie mehr wie halbbekleidet sind, auch durch ein Verbot, das Sie befürworten, nicht ausgeschlossen werden können. Sie wollen ferner ein Verzeichnis der Ausdrücke aufstellen, die »vermieden werden müssen«. Leider unterfassen Sie es, den Anfang dieses Verzeichnisses zu skizzieren. Meinen Sie damit gewisse hohl tönende Superlative oder Anzeigentexte, die irgendwie auf das erotische Moment in Buch und Bild Hinweisen? Meiner Ansicht nach kann der Ausschuß für das Börsenblatt nichts anderes als eine Zensur in der Richtung des »guten Geschmacks« sein. Es sei nochmals betont, wir wollen keine Obszönitäten, wir wollen keine frivolen Romane, aber Kunst und Literatur müssen unbehindert durch irgendwelche parteilich eingestellten Zensoren an gekündigt werden kön nen. Meiner Ansicht nach ist das Pferd an einem ganz anderen Ende aufzuzäumen: Begraben wir doch endlich die Ansicht, daß Nacktheit Sünde ist. Gewiß ist das Denken eines Teiles unserer heutigen Ju gend noch abwegig und allem naturhaftcn Sein entfremdet, unaufhalt sam aber setzt mit der sportlichen Entwicklung der deutschen Jugend einö natürlichere Auffassung aller Lebensbedingungen ein, und zum Beweise darf ich Sie bitten, sich einmal im Stadion an fast unbeklei deten männlichen und weiblichen Gestalten zu erfreuen. Unsere falsch gerichtete Erziehung, die den Klappcrstorch zum Symbol erhoben hat. ist schuld daran, daß wir den Begriff Nacktheit dem Begriff Sünde gleich setzen. Die heutige Erziehung schlägt andere Wege ein und macht die Bahn frei für eine Entwicklung, die, von welcher Seite man sic auch ansieht, als gesund bezeichnet werden muß. Was Sie über den Jungbuchhandel schreiben, konnten Sie nur deshalb schreiben, weil Ihnen noch niemals einer der wirklichen »Zopf- abschneidcr« Rede und Antwort gestanden hat. Verständigen wir uns zunächst einmal über die Terminologie. Alt ist im Sinne der Zopsab schneider — die übrigens fälschlich immer als »Jungbuchhändler« be zeichnet werden — nicht der Ausdruck für ein körperliches Alter. Alt bedeutet in der Ansdrncksweise dieser Genossen stets nur das Müde- g e w o r d e n s e i n. Ich persönlich würde mich z. B. schwer hüten, den bekannten Heidelberger Kollegen mit dem Lassalle-Kopf als alt zu bezeichnen. Daß jüngere Sortimentskollegen sich den anspruchs vollen Titel »Kulturbuchhändler« zugelegt haben, ist eine Gcschmacks- frage, über die sich streiten läßt; unstrittig ist aber, daß man in den Läden dieser Sortimenter Schund vergeblich sucht, und es sind nicht nur, wie Sic meinen, wenige Ausnahme-Naturen, die auch dann noch Idealisten sind, wenn sie entbehren müssen. Sie schreiben: »Wie klein ist der Bruchteil derjenigen Verleger unter uns, die solchen Idealismus haben, daß sie Buchhändler geworden wären, oder sind, weil sie nichts als Buchhändler werden wollten . — Ich habe in den letzten Jahren fast alle deutschen Buchhändler, soweit sie nicht in Kleinstädten wohnen, persönlich kennen gelernt und ich habe das Recht, Ihnen auf das energischste zu widersprechen. Buch händler sein bedeutet für sehr viele unter uns: einen Beruf erwählen, den man liebt. Zum Delikatesscnhändler oder Bankbeamten gehört Pflichtgefühl, zum Buchhändler gehört »Begeisterung«, einerlei ob An gestellter oder Unternehmer. Mit dem Eintritt in den deutschen Buch handel verzichten wir auf eine gewisse großzügige materielle Entwick lung, denn wo sitzt der Sortimenter oder Verleger, der aus den Er trägnissen seines Berufes zum Millionär geworden wäre? Sicher ist der Buchhandel ein auf Gewerbe gerichtetes Geschäft, und schäumende Begeisterung gehört unter Geschästsanfsicht, aber die Begeisterung, die zu unserem Berufe gehört, die sich täglich aufs neue entzündet, aus der heraus wir leben und arbeiten, die, Herr Kollege, können Sie nicht leugnen, auch wenn sie Ihren Blicken, als Sie den Artikel schrieben, durch eine Wolke verhüllt war. In meiner Garderobe sind keine Schil lerkragen, und ich m-ißtraue ebenso wie Sie allen Idealisten mit schlech ter Buchführung, aber unter den jüngeren Vertretern des deutschen Buchhandels ist die überwiegende Mehrzahl nicht materiell einge stellt. Ein Besuch der deutschen Verlags- und Svrtimentsbuchhandlun- gen würde Ihnen den Beweis dafür liefern. Ich übersehe keinesfalls, daß alle sogenannten Bewegungen irgend wo in der Zielsetzung über das »heute« hinausgehen, und das erscheint mir wichtig, denn schließlich ist der Börsenverein kein Erbbegräbnis. Aus organischem Wachstum heraus muß immer wieder neues Leben geboren werden, und das Kriterium für die Bemühungen der jüngeren Kräfte ist nur, ob ihre Pläne und Wünsche »organisch« gewach sen sind. Die »alten Herren« im deutschen Buchhandel (ich meine die innerlich Alten) haben sich angewöhnt zu fragen: welchen Vorteil hat diese oder jene Zielsetzung? Was nicht sofort errechenbar ist, mutz falsch sein. Das ist der Punkt, an dem unsere Wege sich trennen. Ein großer Teil unserer Berufsangehörigen ist davon überzeugt, daß wir am Anfang einer Geistesentwicklung stehen, die, auch wenn sie sich überschäumend national oder radikal gebärdet, zu einer deutschen Re naissance führen muß. Das bedeutet aber, daß eine Sache nicht um ihres Gewinnes willen getan wird, es bedeutet, daß sie getan werden m u ß, weil die Tat Ausdruck einer seelischen Grundhaltung ist, und wenn Sic die jüngeren Kräfte im Buchhandel ans ihren Wert hin prüfen wollen, dann nehmen Sie das Wort nicht allzu ernst, sondern betrachten Sie die Tat, die, so will ich hoffen, sich auch vor Ihren gestrengen Augen einmal sehen lassen kann. Ich schließe diesen Brief mit der Bitte, sich auch einmal von Ange sicht zu Angesicht diese jungen Leute anzusehen, und verbleibe als Ihr sehr ergebener Prien a. Chiemsee, 1. 9. 24. Fritz Schnabel. „Man kann wieder Bücher kaufen!" Im Bbl. Nr. 201 wird von der Werbestelle allen Ernstes der Ab- druck des Eulenberg-Artikels empfohlen, in dem besonders für den Ramsch Propaganda gemacht wird. Gerade dieser Ramsch ist es, der heute den Buchhandel dahin gebracht hat, daß die Ladenpreise so gut wie aufgehoben find. Bei jedem zweiten Buche merkt man, daß der Kollege gegenüber dasselbe Buch, das wir eben vom Verlag regulär be zogen haben, von irgendeinem Großantiquar als Antiquariat bezog. Jene Sortimenter, für die noch Ladenpreise gelten, werden diese Empfehlung der Werbestelle mit sehr gemischten Gefühlen gelesen haben. Ich bin auch gar nicht verwundert über jenen Verein, der seinen Mitgliedern empfahl (s. Bbl. Nr. 169, S. 9740: Angst vor der Propa ganda), die Bücher ohne Preis ins Fenster zu stellen, weil eben heute der Ladenpreis für viele Buchhändler deswegen so angenehm ist, w'.il man ihn mit der berühmten Phrase »statt - nur« unterbieten kann. Betonen muß ich dabei, daß es bei mir Prinzip war, daß überhaupt kein Buch ohne Preis ins Fenster kam. Daß solche Zustände nicht notwendig und daß auch der Verleger auf korrekte Vertriebsart seine in Kriegsmaterial hergestellten Bücher los werden kann, zeigt das Beispiel Piper, der für seine Doftojewski- Pappbände die Ladenpreise tief herabfetzte und so allen Sorti mentern ein gutes Geschäft zukommen ließ. Tie Bände gingen glänzend, und man brauchte nicht zu befürchten, daß einem von den Kunden Wu cher vorgeworfen wurde, weil der Kollege U zufällig vom Großantiquar bezog. N. S. Nachwort der W e r b e st e l l e. Da der Herr Einsender der Werbestelle den Vorwurf macht, den Abdruck des Eulenberg-Artikels empfohlen zu haben, obwohl der Ver fasser angeblich für den Ramsch Propaganda gemacht haben soll, muß daran erinnert werden, daß Eulenberg in erster Linie seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß die B ü ch c r k a u f l u st beider Menge wieder aufgelebt ist. Auf den Tenor »Man kann wieder Bücher kaufen« war sein ganzer kleiner Essay gestellt. Den Bücher ramsch jedoch schilderte er nur als das Mittel, um zaghafte, unstete, verarmte Käufer wieder an den regulären Büchermarkt hcranzuführen. Eulenberg gewinnt den fliegenden Ständen mit den Augen des Viel gereiften, der sich an die Pariser Bouquinisten erinnert fühlt, Geschmack ab, gewiß. Doch wäre es kleinlich, ihm diese, doch wesentlich auf der Möglichkeit von Entdeckerfreuden beruhende ästhetische Lust zu ver übeln. Den Ramsch an sich jedoch hat Eulenberg gewiß nicht propa giert, denn er weiß offenbar so gut wie jeder im Buchhandel Stehende, daß die heutige Überflutung mit billigsten, auf Unterbietung beruhen den Angeboten nur eine vorübergehende Erscheinung darstellt, da sie die unvermeidliche Folge übermäßiger Produktion entbehrlicher Werke und hemmungslosen Wettbewerbs auf ein und demselben Gebiet (Klassiker, Gesamtausgaben) ist, aber auch vor allem die minderwertig
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