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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.03.1925
- Strukturtyp
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- 1925-03-17
- Erscheinungsdatum
- 17.03.1925
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. X- 64, 17. März 1925. 2. Haben Sie die Entwicklung der öfter reichischen wirtschaftlichen Verhältnisse im vergangenen Jahre beobachtet, über Haupt sind Sie über sie orientiert? Trotz nahezu unverändertem Kurs der Krone ist die Scheinblüte der Kaufkraft dort zusammengcbrochen. Folgen wir viel leicht dieser Entwicklung? 6- Ist Ihnen bewußt, daß wir zurzeit in einer Weltinflation leben, die etwa seit einem halben Jahr in Nordamerika an gewissen Erscheinungen deutlicher wurde? Ich gebrauche ungern den Ausdruck Inflation, denn in diesem Falle ist sie etwas Grundverschiedenes von unserer Papiermarlinflation, sie hat von vornherein eine gewisse Begrenzung und gilt für alle Völker. Die Probe. Ich behaupte schon seit langem, der deutsche Verleger ist in keiner Mentalität wirtschaftlich der unorientierteste und daher rückständigste Mensch des Typus »deutscher Michel«. Ich selbst schließe mich davon nicht aus. Als mir vor einiger Zeit ein Kollege aus Niedersachsen schrieb, der infolge seiner Verlagstätig keit nahe Beziehung zu industriellen Kreisen hatte: »Die schon von uns im Jahre 1923 seinerzeit vorausgesehene Senkung des Goldwertes wird in diesem Sommer unmöglich zum Stillstand gebracht werden. Daß der Golddollar nur 42—45?? seiner ein stigen Kaufkraft hat, wird auf Umwegen allmählich auch dem guchhandel bewußter werden als heute. Damit ergibt sich dann für uns wieder eine hübsche Erörterung über Papier-, Druckhcr- Itellung und Kalkulation«, konnte ich mir damals keinen rechten Vers darauf machen. Ich gestehe aber, heute bin ich weiter, denn Ich habe dazugelcrnt. Vor wenigen Tagen schrieb ich einen Brief an 29 Kollegen sie waren eine geschlossene Verlegergruppe, nicht etwa Lauen- Iteiner Revolutionäre — folgenden Inhalts: »Kommen Sie auf sthrem Wege zur Leipziger Frühjahrsmesse zu einer Aussprache ober unsere wirtschaftliche Lage und zu einer Beratung über eine gemeinsame Preispolitik zu mir nach Jena. Ich werde zugleich ür ein Referat über die wirtschaftliche Weltlage durch einen Wirtschaftsfachmann sorgen.« Das Resultat war: vier Siebentel selegraphiertcn kurzerhand wegen Zeitmangels ab oder antworteten lar nicht, zwei Siebentel schrieben Briese etwa des Inhalts: sie rihen nicht im geringsten ein, warum man Zusammenkommen solle. Oie Markwährung sei ja in Ordnung. Der eine meinte, er hätte Beziehungen zur Börse und sei daher genügend orientiert, wenn brenzlig würde. In München gibt es aber einen verdienst- lollen Prosessor im Buchhandel — er ist mit Recht dort trotz eines zermorschten Wesens und seiner Zuneigung zum Bolsche wismus sehr beliebt —, der berief sich auf seinen »gesunden Men- henverstand«, der ihn zum Zweifel veranlasse, ob überhaupt hmand etwas Gewisses über unsere wirtschaftliche Zukunft im oraus sagen könne. Ich konnte ihm nur antworten: Ich werde ir in Moskau den »Geheimratstitel« verschaffen, wenn dein ge linder Menschenverstand dir ohne Kenntnis weltwirtschaftlicher Zustande verrät, warum wir heute in einer Scheinblüte sind, einer, natürlich war er ein Leipziger, machte mir sogar Vor- oürse, ich wollte wohl Unruhe im Buchhandel stiften. E i n -iebentel kam, und auch ohne Sachverständigen >urdc den Kollegen in einer mehrstündigen lussprache klar, daß sie gar manches noch nicht in den icitungen gelesen hatten, und daß der gesunde Menschenverstand sich allein noch nicht ausreiche, um unsere Wirtschaftsentwick- Iing zu übersehen. Die Selbsthilfe! Der deutsche Verleger lebt nicht nur in jenem absolutistischen leitalter des Bureaukratismus, wo jeder sich daraus verläßt, seine bin von Gott zugeordnete höhere Instanz, genannt Behörde oder rereinsvorstand, werde schon von allein und vor allen Dingen lir rechten Zeit das Richtige finden (siehe die vergangene Jn- lationszeit). Nein, er lebt noch vor der Biedermeierzeit und ior Erfindung der Eisenbahnen in vornapoleonischer Zeit. Da- >it man mich nicht der Unwissenschaftlichkcit beschuldigt, will ich dgar die Jahreszahl angeben, nämlich hinter 1803, dem Jahre des Reichsdeputationsbeschlusses, der den allzu vielen Kleinstaaten des heiligen deutschen Reiches ein Ende machte. Der deutsche Verlegerstand lebt noch in absoluter Kleinstaaterei, kaum läßt sich notdürftig die Mainlinie zwischen wissenschaftlichem Verlag und dem anderen Allerlei erkennen. Jeder Verleger fühlt sich auto nom und ist darum reichlich mit Mißtrauen gegenüber allge meinem Zusammenhalten belastet. Mindestens setzt er sein Ich und seine persönlichen Interessen gleich allen Beschlüssen der jährlichen Reichsversammlung in Leipzig samt ihren Seestreit kräften. Er will durchaus ein Staat für sich sein und denkt: »Ich werde schon für mich durchkommen, ereigne sich was wolle. Ich lebe zuerst und ausschließlich für den Ausbau meines Verlages.» So produziert er im Tempo haste was kannste und veredelt mit Fleiß das gute, blütenweiße Papier, unbekümmert, ob die Steuer dadurch keine Werte mehr in seinem Lager konstatieren kann. Täglich blühen Zeitschriften auf, Verlagsalmanache wachsen wie Pilze, und die Buchkritik lobt über den Span die Rührigkeit und Findigkeit des Berlages, über dessen leitende Persönlichkeit man in der Regel nicht orientiert ist, da sie sich schamhaft hinter einer schön klingenden Allgemeinbezeichnung versteckt. Hat man aber drei Bücher verlegt, stellt man sofort einen Reisenden an, da ja der Sortimenter an Langeweile leiden könnte. Denn seit das Börsenblatt so katastrophal angeschwollen ist, liest er es nicht mehr und hat darum viel freie Zeit. So war es ein Akt der Selbsthilfe, daß vor etwa zwei Wochen ein Dutzend nachdenklicher Verleger (wie schnell gehört man heute schon zur älteren Generation) im Hause eines Wirtschaftspolitikers zusammenkam und sich von ihm erst mal belehren ließ, wie es in der Weltwirtschaft zurzeit aussieht. Ein solches Vorgehen ist nichts Neues, so manche große Wirtschaftsverbände lassen sich Vorträge von eigens dazu angestellten Wirtschaftsfachleuten halten. Denn bekanntlich wird man in unseren Tageszeitungen über alles informiert, aber nur nicht über das, was zu wissen lebensnotwendig ist. Hat schon einmal in den Tageszeitungen ein orientierender Aufsatz über Grundlagen und Auswirkungen der Weltinflation gestanden? Ist sich ferner schon jemand aus den Zeitungen klar geworden, warum wir trotz Verarmung und um die Hälfte verringertem Export noch soviel verhältnismäßig hohe Kaufkraft besitzen? Hält diese dauernd an? Ist es möglich, daß Morgan den französischen Franken halten kann? Was ge schieht jetzt in Deutschland durch die Gewerkschaftspolitik? — Haben ferner schon Buchhändler darüber disputiert, daß unsere Lieferanten im Buchhandel wieder, wenigstens eine Zeitlang, einen Risikoausschlag einsühren könnten? Wie wehrt sich aber der Verlag einheitlich dagegen? Ist dem Verlag bewußt geworden, wie billig die deutsche Papierindustrie ins Ausland im Gegensatz zum Inland liefert? Wie sehen die augenblicklichen Verhältnisse auf dem Holzmarkt aus? überhaupt, was für wirt schaftliche Krisen sind im Buchhandel zu erwarten und zu welchem Zeitpunkte? Kann überhaupt die Verlagsproduktion in diesem Maße weitergehen? Wie kommt es, daß Buchbinder, wenn sie ihren eigenen Verlag binden, so billige Preise kalkulieren, daß man baß erstaunt? Überhaupt hat der Verlag das alte Sprich wort vergessen: Uudeut sua kuta libslki? Heute gibt es bereits Verleger, die mit einem Autor eines Romans einen Vertrag aus 50 000 Auflage llbschlietzen, ohne überhaupt den Roman zu kennen. Man kalkuliert einfach: bei 10?? Reklameaufwand setze ich 10 000 Stück innerhalb eines Jahres ab, bei 20?? Reklameaufwand 20000 und bei entsprechender Mehranlage endlich 50 000, folglich bleibt eine bestimmte Summe nach dem Verkauf übrig. Seit wann spielt die Qualität eines Buches keine Rolle mehr, sondern nur der große Schnabel (ohne etwa auf den Kollegen in Prien an- spielen zu wollen)? Wir hatten anderthalb Tage reichlich zu tun, um alle diese Fragen zu erörtern, wohlgemcrkt nicht zu lösen. Aber das ganze Dutzend kam zu einer überraschend einheitlichen Auffassung der Verhältnisse, doch nicht zu einem Rezept, sie zu meistern. Unsere Auffassung! Ich spreche in diesem Abschnitt nicht für mich, sondern sür uns zwölf. Grund zu einer Panik liegt nicht im geringsten vor, man kann ruhig die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhält-
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