4630 Börsenblatt f d. Dftchn. Buchhandel. Uerlhe Vücher. 64, 17. März 1S2S. Schöner alter Hausrat Von Börrtes, Freiherr v. Münchhausen drei stattlichen Bänden') liegt hier alles e^)das beschlossen, was deutsche Kunst im Haus rat schuf: die wilde nordische Kunst des romanischen Stiles, die kirchlich-ritterliche Gotik, die bürgerlich- prunkvolle Renaissance, der übccschäumende Jubel des Barock, die Spitzengrazie des Rokoko, das schlichte Empire, die lavendeldustige Behaglichkeit des Biedermeier. Alles das ist in ganz unvergleich lich köstlichen Pho»ographienwiedergegeben,welchc das Holz, die Herstellungsart, ja, die Nägclköpfe, die Politur, die Wurmlöcher und die Spiegelungen erkennen lassen. Ich glaube, nur wer selber eine alte Burg besitzt, voll von Hausrat aus Vorväter tagen, kann dieses Werk wahrhaftig genießen! Ich ging wie im Traum durch seine Seiten und ent deckte in tiefer Bewegung immer aufs neue das, was ich selber besaß. Nein, wer sich ein Haus bauen will, genießt noch besser die drei Bände! Hier findet er auf einmal den Sessel, den er in seinen Träumen suchte, da steht ja die Bank, nach der seine Halle ruft, dort ist ja die einzig mögliche Lösung für seinen ersehnten Eckschrank. Den Architekten, den Raumkünstler, den Handwerker entzückt das Buch vielleicht am allermeisten. Nie ist ein Vorlagenbuch reich haltiger und köstlicher geschaffen als dieses. Jeder geschickte Tischler kann danach arbeiten. Aber der Künstler,— nun,das ist sicher, daß der die meiste Freude an dem Buche hat. Denn diese Stücke sind ja allesamt aus Tausenden auS- gewählt und also nicht nur — sagen wir einmal: Stühle, nein,eS ist die Idee des SitzenS, im Wandel von fast tausend Jahren, Holz geworden unter den feinen Händen von hundert schaffenden Geistern. Für den Gelehrten vollends ist dieses Werk recht eigentlich geschaffen, denn cS ist ja ge radezu ein Bilderbuch zu jeder Kulturgeschichte. Da, sieh, den Sessel Karls des Großen, dort das Bett des Sonnenkönigs Ludwig, so wohnte Luther mit seiner Käthe, dies war die Umwelt des großen Kant, hier Beethovens Spinctt, da Goethes Tisch! Ach, cS ist noch ein wirkliches Leben in den Sachen, das weit lebendiger blieb, als so viele verschollene Geistigkeit! Ein taufe ndsieben hundert Abbildungen, — daneben tritt der Text natürlich stark zurück. Aber die knappen Aussätze der bekannten Gelehrten geben alles, was nötig ist, um die Bilder zu ver- , stehen, — und mehr ist ja tatsächlich nicht nötig in diesem Buche. Und die Bildunterschriften geben dazu durchaus alles Wichtige. Ja, ein Museum ist dieses Werk, und wer es im Schranke hat, der kann sich eigentlich von dem Tage ab die kostspieligen Reisen und die ermüdenden Besuche aller kunstgeschichtlichen Sammlungen sparen. Das schönste Museum hat er jetzt daheim und kann es, wie und wann er will, schlcmmerhaft genießen, behaglich im Sessel lehnend, die Zigarre in der Hand, den Hausschuh über der Fußspitze schaukelnd und ab und zu einen Blick in Steinhaufens Kulturgeschichte oder ein Nachschlagewerk werfend. Ich habe einen ganzen Nachmittag und einen langen Abend in diesem Buche geschwelgt, und ich kann versichern, daß dies der Vater einer langen Reihe von Nachmittagen und der Vorfahr einer ganzen Ahncngalerie von köstlichen Abenden werden wird, an denen ich allein oder mit Frau und Kindern und lieben Freunden in diesen Bänden spazieren gehen werde! ') za», und Schmitz, Deutsche Möbel vom MiU-laU-e bii >um Anfang d-i I». Jahrhundert«. Stuttgart bei Jullu« Heftmann. S. Verlangjettel.