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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.10.1924
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- 1924-10-01
- Erscheinungsdatum
- 01.10.1924
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- Deutsch
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An die Eröffnung der Messe schloß sich ein von der Stutt garter Verleger-Bereinigung gegebenes Frühstück in den Räumen des Handelshofes an. Von hier aus gingen manche Teilnehmer zu Besichtigungen einiger Stuttgarter Betriebe, darunter vor allem der Deutschen Verlags-Anstalt und der Union, die cs sich denn auch nicht nehmen ließen, ihre Besucher gaslfrcundlichst zu bewirten. Die für den Nachmittag geplante Autofahrt nach der Solitude mußte des ungünstigen Wetters wegen leider aussal- len. Statt dessen tras man sich im Kunsthause zu einem Tee. Der Dienstag vereinigte noch eine große Zahl zu dem Ausflug nach Liebenzell im Schwarzwald. Die Wanderung durch die Wolfsschlucht und das liebliche Monbachtal konnte noch pro grammäßig absolviert werden. Tann setzte leider Regen ein. Die Stimmung blieb aber auf der Höhe, wie nicht zuletzt die be geisterte Aufnahme der patriotischen Schlußansprache Paul Ritschmanns beim Abendessen in Calw bewies, und auch diese letzten Stunden werden wie die ganze Tagung allen Teilneh mern in angenehmster Erinnerung bleiben. Von manchen ist nun die Frage aufgeworfen worden, worin denn eigentlich der Ertrag der ganzen Tagung zu suchen gewesen sei. Es muß zugegeben werden, große Beschlüsse sind nicht ge faßt, umwälzende Entscheidungen nicht getroffen worden. Ist denn aber immer nur das »Ertrag-, was man schwarz auf weiß nach Hause tragen und im Hauptbuch irgendwie verbuchen kann? Es gibt auch einen Ertrag, der langsam, ungesehen und unbe wußt reift. Es gibt Werte, die sich nicht in Mark und Pfennig ausrechnen lassen. Von einer Zusammenkunft und freimütigen Aussprache können Wirkungen sehr tiefer und sehr wertvoller Natur ausgehen, auch ohne daß Beschlüsse gefaßt oder Ent schließungen angenommen werden, die ja ohnehin leider oft genug Papier bleiben. Der Buchhandel fühlte sich von je als eine große Familie und war gerade in seinen besten Jahren stets getragen von einem starken Bewußtsein der engen Zusammen gehörigkeit und Verbundenheit aller seiner Angehörigen. Wie soll aber ein solches Familien- und Vcrwandtschaftsgefühl lebendig bleiben, wenn man sich persönlich nicht mehr kennt und nicht mehr Persönlich nahe kommt? Hier haben gerade die mit formalen Arbeiten weniger belasteten Herbstversammlungen vielleicht ihre schönste und lohnendste Aufgabe. Die Stuttgarter Tagung hat in dieser Hinsicht jedensalls ihren Zweck Wohl vollauf erfüllt und reichen Ertrag gebracht. Es war immer wieder Zeit und Gelegenheit zu gemütlichem Zusammensein auch in kleinerem Kreis. Dabei hat auch der alte Buchhändlerhumor oft herrliche Blüten getrieben, was immer das beste Zeichen da für ist, ob sich die Menschen näher kommen. Diejenigen, die da bei waren, seien zum Beispiel nur an die Stunde erinnert, wo der biedere Westfale ohne viel Reden die Frage, ob die Polizei stunde erreicht sei, einfach dadurch entschied, daß er, mit seinem Regenschirm über den Tisch langend, die Uhr an der Wand anhiclt. Ein harmloser, nichtiger Scherz, aber der bleibt in der Erinnerung und bindet so noch die Menschen, auch wenn manche schöne Rede längst schon vergessen ist, und von diesem nicht in Paragraphen und Formeln, sondern in lebendigen Menschen verankerten Zusammengehörigkeitsgefühl lebt der Buchhandel mindestens ebensosehr wie von Satzungen und Gesetzen, die ja doch erst durch die Menschen Macht und Kraft erlangen. Alle, die in Stuttgart waren, werden deshalb ihren Gastgebern dort doch Tank wissen gerade auch für das, was sie an unsichtbarem Ertrag aus dem schönen, lebensfrohen Schwabenland mit nach Hause nehmen konnten. vr. M. Henry Ford und die deutschen Buchdrucker. Von Otto Säuberlich i. Fa. Oscar Brandstetter, Leipzig. In Nr. 51 des Buchdruckcrgehilfenorgans »Korrespondent« vom 14. Juni 1024 wird in einem Artikel mit der Überschrift »Vorrciten von alten Prinzipalsgäiilcn« behauptet: »Was der amerikanische Groß industrielle Henry Ford iiber die Vorteile achtstündiger Arbeitszeit, hoher Löhne »nd niedriger Preise in seinem bekannten Buche schreibt, ist den deutschen Unternehmern völlig Hekuba«. Dieses etwas verrenkte Hamletzitat dient hier lediglich polemischen Zwecken. Was Ford über die angeführten drei Punkte sagt, trifft nur für seinen Betrieb zu und kommt für deutsche Verhältnisse nicht in Betracht, hauptsächlich mit infolge der Einstellung der Gewerkschaften zu der Behandlung der Arbeits- und Entlvhnungsfragen. Ford zahlt trotz nur achtstündiger Arbeitszeit zwar die höchsten, aber keineswegs hohe, sondern nur der Leistung angemessene Löhe, denn das offene Geheimnis seiner Erfolge liegt im He raus ho len der höchsten Arbeitsleistungen. Hierbei sind ihm, er betont das demonstrativ, entgcgenstehende Meinun gen, unter anderen auch solche, wie die Gewerkschaften sic propagieren, stets »völlig Hekuba« gewesen. Henry Ford, der »erfolgreichste Unter nehmer«, der »reichste Mann der Welt«, hat sich immer recht genau überlegt, was er wollte, und hat das durchgesetzt, ohne sich in seine Maßnahmen Hineinreden zu lassen. Von Organisationen nicht und von seinen Arbeitern gleich gar nicht, denn es haben bei ihm im Jahre 1914 bei einer Belegschaft von 140 000 Mann 53 000 Stellenwechsel stattge funden. Jeder Arbeiter, der nicht ständig die dem Lohne entsprechen den, durch raffinierte, auf Sekunden ausgehende Zeitmessungen festg»° stellten Mindestleistungen tätigt, muß ohne weiteres seinen Arbeitsplatz einem Tüchtigeren einräumen. Uber das Fordsche Buch ist schon reichlich viel geschrieben worden. Je nach seinem Standpunkte vermag ein jeder etwas ihm Passendes aus dieser Veröffentlichung herauszulesen. In Wirklichkeit sagt Ford kaum viel Neues, zumal da er überhaupt nur sagt, was er angesichts seiner geschäftlichen Zwecke zu sagen für gut befindet. Wird sein Buch doch von vielen überhaupt nur als eine großartige Geschäftsreklame hingestellt. Diese Meinung ist vielleicht das größte Kompliment, das Henry Ford gemacht werden kann, wenn man sie dahin auslegt, daß eine überragende Persönlichkeit ihr Gesamtwtrken in jeder Erschei nungsform als Mittel zum Zweck zu gestalten vermag. Natürlich finden sich auch andere Ansichten. Uber Ford, den Philosophen, Unternehmer giganten und Arbeiterbeglllcker äußert ein Kritiker seines Buches (P. Mennicken): »Was Ford unter Sozialismus versteht, betrifft nur die Oberfläche des Lebens. Es ist Menschenschutz und Lebensversiche rung und steht nicht viel höher als Tierschutz. Ford ist nicht aus dem Geschlechte des Prometheus, der den Menschen das Götterlicht bringt«. Wenn gesagt wird, daß Ford in Wirklichkeit nicht viel Neues in seinem Buche böte, so muß andererseits auch festgestellt werden, daß fast jede Seite eine höchst interessante, dem denkenden Leser entspre chende Nutzanwendungen förmlich aufdrängende Lektüre bildet. Nur wer etwa erwartet, in Fords Schilderungen seiner Betriebseinrich- tungen und seiner Produkttonsmethoden eine Universalgebrauchs- anwetsung zu finden, wie man Großunternehmer und ein reicher Mann werden kann, wird enttäuscht werden. Es wird hier nicht beabsichtigt, Henry Ford und sein Buch ins gesamt zu würdigen, sondern es soll nur dem eingangs erwähnten ein seitigen, polemischen Herausgreifen einzelner Stellen durch entspre chende Ergänzungen entgegengetreten werden. In der Ein leitung legt Ford seinen »Leitgedanken« dar und sagt: »Ich habe nichts zu bieten, was über die rückhaltlose Anerkennung des Naturprinzips hinausgeht, daß Glück und Wohlstand sich nur durch ehrliche Arbeit gewinnen lassen, daß, da wir nun doch einmal arbeiten müssen, es besser ist, intelligent und vorausschauend zu arbeiten: daß es uns um so besser geht, je besser wir arbeiten«. Ford stellt den Satz auf, daß durchgängig die D i e n ft l e i st u n g die Vorbedingung jedes Erfolges sei. Er sagt wörtlich: »Ohne Ge winn, kein ausbaufähiges Geschäft. Dem Gewinn haftet von Natur nichts Böses an. Ein gut geleitetes Unternehmen muß und wird sogar für gute Dienste einen guten Gewinn abwerfen. Der Gewinn muß jedoch nicht die Basis, sondern das Resultat der Dienstleistung sein. Du sollst die Dienstleistung über den Gewinn stellen«. Unter Dienst leistung versteht Ford nicht nur Dienst am Arbeiter durch Zahlung angemessener Löhne, sondern auch am Konsumenten durch Einräumung niedriger Preise. Das sind die beiden Pole seines Geschäftssystems. Diese Dienstleistung hebt er immer wieder als das Wesentlichste hervor, mit dem Effekt, daß sic schließlich nur allein gesehen und daß infolgedessen kaum noch bemerkt wird, wieviel Fords rasfiniertgeniales Betriebssystem, trotz »höchster« Löhne, achtstündiger Arbeitszeit und billigster Preise, außerdem noch abwirft. Denn eine Ursache muß es doch schließlich haben, wenn jemand, zumal in verhältnismäßig so kurzer Zeit wie Ford, zum reichsten Manne der Welt geworden ist, was er gern betont sieht. Auch in der Fordschen Küche wird, wie über all, nur mit Wasser gekocht, aber es ist dafür gesorgt, daß nicht viele Köche den Brei verderben. Ford lüftet die Deckel seiner Töpfe genü gend, um erkennen zu lassen, wie er kocht, nur muß der Topfgucker intelligent und ehrlich genug sein, alles richtig im Zusammenhänge zu sehen.
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