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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.07.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-07-26
- Erscheinungsdatum
- 26.07.1905
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- Deutsch
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^ 171, 26. Juli 1905. Nichtamtlicher Teil. 6665 und Wolken), dürfte ich nichts andres tun, als mit Großem, Reinem, Schönem mich beschäftigen, Vormittags schreiben, Nach mittags zeichnen, lesen, Wissenschaften nachgehen, und Abends mit manchem edlen Freunde oder in der Natur oder in meinem Garten sein — — aber ich darf nicht daran denken, sonst ergrimmt der Gott im Menschen, wie Jean Paul sagt.« Dem am Wiener Hof sehr beliebten Dichter, dem Kaiser Franz Josef I. in Anerkennung seiner schrift stellerischen Tätigkeit schon im Jahre 1854 den Franz Josef-Orden verliehen hatte, wurde im selben Jahre die Freude zuteil, von der Kaiserin Elisabeth empfangen zu werden. Dieses Intermezzo in seinem Leben beschreibt der Poet in einem Brief vom 29. September 1854 an den Freund mit den Worten: »Von der Kaiserin, von ihrer Mutter, von Erzherzog Franz Karl wurde ich auf das Freundlichste ausgenommen und am 1. September zur kaiserlichen Tafel geladen. Die Oberhof meisterin Ihrer Majestät, Gräfin Eßterhä,zy, machte mir einen unvergeßlichen Eindruck. Seit dem Tode der Fürstin Anna Schwarzenberg, der Witwe des Feldmarschalls, hat keine Frau selber wohnt, sah ich hier ausgedrückl in der Gestalt einfacher, weiblicher Würde und vollendeter, beruhigter, geistiger Gestalt. Ich glaube, daß die junge Kaiserin, deren zu innigster Ver ehrung hinziehende Gestalt der Ausdruck höchster Reinheit ist, bei dieser Frau sich in den besten Händen befindet, und ich be wundere unfern Kaiser, denn man sagt mir, daß er es war, der diese Wahl getroffen, und die Dame, welche lieber zurück gezogen gelebt hätte, zur Annahme dieser Würde beredet habe. Sie hat mich so lieb und gütig und weit über das kleine Verdienst meiner Schriften behandelt, daß ich in Verlegenheit kam, daß ich aber auch eine Art Befriedigung empfand; wenn meine Bücher mit ihren Mängeln, die ich nur zu tief fühle, doch so reine, hohe und begabte Menschen zu rühren vermögen, so muß etwas Edleres und Höheres in ihnen sein, das mensch lich und erhebend fortwirkt, und das ist der einzige und höchste Lohn, den ich anspreche; denn Ruhm ist so tief unter diesem Lohne, und so zweifelhaft, daß ich nach ihm nicht ginge, ja ihn, je nachdem er von einer Seite kommt, verachte. Die Mutter der Kaiserin sprach an beiden Tagen länger und sehr freundlich mit mir über meine Schriften. Sonderbar ist es, daß ich gegen die Kaiserin, die doch so gut und lieblich und einfach ist, am schüchternsten war, ich glaube, die vollendetste Jungfräulichkeit, die sich in ihrem Wesen ausspricht, ist es, was so auf mich wirkt. Daß sie alle Herzen ihrer Umgebung gewinnt, werden Sie wohl wissen. Die ganze Art, wie man sich in diesem Kreise benimmt, hat etwas sehr Einfaches, Reines, Edles, was mir außerordentlich gefällt, und was mit Ehrfurcht gegen die Mitglieder erfüllt, denn nicht von einem, sondern von mehreren muß das ausgehen, sonst wäre es nicht da.« Bei aller Bescheidenheit, ja Demut, die Adalbert Stifter eigen war, war er sich doch seines Wertes als Poet wohl bewußt. Er hat sich hierüber in Briefen an Heckenast wiederholt mit ziemlicher Deutlichkeit ausgesprochen. Hier mögen nur die nachstehenden Bemerkungen von ihm in den Briefen aus der Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wiedergegeben sein: -Ich glaube nicht unbescheiden zu sein, wenn ich sage, daß meine Bücher keinen Zeitwert haben und der Mode unter liegen, sondern daß sie dauern werden, weil sie nicht auf Be friedigung flüchtiger Begierde, oder der bloßen Neugierde aus gehen, sondern auf Erfüllung eines schönen Gemütes. Jetzt haben sie das Publikum, welches ein einfaches, reines Gemüts fernere Schriften in demselben Sinne wirkten und mit größeren Kräften als ich, so würde dieses Publikum sehr schnell wachsen. Auf dem Gebiete aller Künste ist jetzt ein Umschwung zu ersehen, Reinigung von den Schlacken jüngster Zeiten, und in der Dicht kunst zeigt sich wieder die Sitte; einzelne fast krampfhafte Ver suche, das Häßliche und Verworfene als Reiz wieder aufzutauchen, sind eher Bundesgenossen des Guten als Feinde. Der Fechter Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 72. Jahrgang. von Ravenna*) trotz seiner Fehler ist in dieser Beziehung eine gewonnene Teutoburger Schlacht, und mein Glück wäre es, wenn ich in greisen Tagen noch erlebte, daß ein deutscher Dichter ent stünde, der Goethes und Schillers Geist vereinte, es wäre dann der größte aller bisherigen Zeiten, und da beide der genannten Dichter so erschöpfend die zwei Pole des deutschen Volkes dar stellen: Objektivität, die sich in allen unseren, oft kindisch gründ lichen, wissenschaftlichen Arbeiten zeigt, und Jdealflug, der in unseren oft edlen, oft phantastischen Bestrebungen sich kund tut, so ist fast mit Notwendigkeit zu vermuten, ein Dichter werde einmal beides, also ganz recht urdeutsch sein. Wenn ich dann im hohen Alter ein Werk von diesem Manne lesen könnte, würde ich gern sterbend sagen: Bin ich auch tief unter diesem Manne, ein Vorläufer war ich doch .... Größte Freude macht es mir, natürliche und edle Menschen zu befriedigen, denn nur das Rechte und Hohe und Wahre zu verbreiten ist mein Streben, und zu wissen, daß noch einiger Nachhalt in meinen Schriften ent halten ist, der solche Menschen in dieses Reich zieht oder darin befestigt, ist mir wohltuend, sowie auch die Kritiken, die gerade den edlen Teil meiner Schriften angreifen, nur darum mich schmerzen, weil in ihnen das Unsittliche zu Tage tritt und es mir widrig ist, nicht daß ein Unsittliches in der Welt ist — das wird immer irdische Mensch hat, in der Kunst, beanspruchen will. Wären noch mehrere Menschen wie ich, nur größere dichtende Kräfte, dann würde dieses Gewürm an ihnen sterben wie die Regenwürmer in der Sonne vertrocknen, und das Wort Grillparzers würde wahr werden, daß aus Österreich die Wiederherstellung deutscher Dichtkunst ausgehen müsse . . . Das darf ich, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, sagen, daß, wenn ich die jetzige Literatur im allgemeinen — natürlich die Ausnahmen abgerechnet — und leider auch die Menschen im allgemeinen betrachte, meine Bücher über beiden stehen, insoweit es sich um Sitte, Einfachheit und Recht handelt, und daß daher das Urteil verschieden ausfallen muß, je nachdem der Leser jenen Eigenschaften näher steht oder ferner. Ich spreche es wieder mit Schmerz aus, was ich schon oft gesagt habe. Unsere Literatur liegt im argen, und ein Mann, der mit mir die Ein fachheit und das sittliche Bewußtsein gemein hätte, mir aber an Dichterbegabung weit überlegen wäre, sollte aufstehen, er würde der Erneuerer unserer gesunkenen Kunst sein und die Ehre des Jahrhunderts retten. Den großen Grillparzer rechne ich noch zu der früheren Zeit. Seit er schweigt, ist der Unfug erst los gegangen. Halm schwankt und ist zu wenig streng, selbst im Fechter (wenn er der Verfasser ist), obwohl dieser ein Riesen fortschritt ist. Ein neuer, gewaltiger Mensch wird aufstehen und mit einfachen, aber allmächtigen Schlägen den Flitter, die Gespreiztheit und die Selbstsucht und endlich, ich kann es wohl sagen, die Schlechtigkeit zerschlagen, womit jetzt das Götterbild der Kunst verhängt wird. Schiller, so groß er ist, hat durch den falschen Glanz, den er der keuschen Muse geben zu müssen geglaubt hat, viel zu dem nachfolgenden Übel beigetragen, noch immer wird Götzendienst mit Schiller getrieben, und ich fürchte, nicht mit dem großen Schiller, sondern mit dem flitternden. Heine mit der Haltlosigkeit seines Gewissens und dem Prunk seines Talents hat unendlich geschadet. Dazu kam der einseitige, oberflächliche Liberalismus, der die echte Freiheit ebenso schändete, wie die pausbackige Poesie die Kunst; auf diese beiden kamen die Zustände, die sich im neuesten Leben, in der Kunst und im Staate, namentlich in der sogenannten Revolution so erbärmlich zeigten. In der Kunst erwarte ich noch immer den Mann, von dem ich eben sagte: er wird kommen, ihm wird sich ein Kreis zuschaaren, und das Leben und alles, was mit ihm zusammenhängt, also auch der Staat wird sich heben. Dann werde ich vielleicht im Grabe die Genugtuung haben, daß ge sagt wird, er hat mit seinen anspruchslosen Schriften angedeutet, » was eine spätere Zeit und größere Menschen mit hinreichender Kraft ausgeführt haben . . . Oft, — oft sagt mir mein Inneres, ich hätte nicht umsonst gelebt, ich würde doch etwas machen, was fortlebt und fortwirkt. Stoffe und Gedanken häufen sich im Haupte, sie pochen und drängen zur Ausführung, aber dann fehlt die Zeit, und die Gemeinheit der täglichen Vorkommnisse und die *) Von Friedrich Halm (ursprünglich anonym erschienen und an der Wiener Hofburg aufgeführt). Vers. 882
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