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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.08.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1905-08-02
- Erscheinungsdatum
- 02.08.1905
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- Deutsch
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8828 Nichtamtlicher Teil. 177, 2. August 1905 Nichtamtlicher Teil Gibt es eine Vüchernot in Deutschland ? Im Feuilleton der »Frankfurter Zeitung« vom 27. Juli (Nr. 206, Abendblatt) wird unter dem Titel: »Die deutsche Bücheruot« folgende Zuschrift abgedruckt: »X-Vad, 24. Juli. Herr Redakteur! -Meine Ferien habe ich diesmal in einem kleinen Ort ver bracht. Er hat etwa 800 Einwohner, einen sogenannten Brunnen, den auch einige Sommerfrischler trinken; er liegt 15 Minuten von einer Eisenbahnstation ab, an der sogar zwei Schnellzüge täglich halten; und er ist etwa 20 Minuten von einem Städtchen entfernt, das für ihn die Bedeutung einer Großstadt hat; denn es zählt 2000 Einwohner, und dort sind zwei große Kirchen, dort ist die Apotheke, das Amtsgericht, die Oberförsterei, der Viehmarkt und eine katholische Ordens-Nieder lassung. -Näher den Ort zu beschreiben, werde ich mich hüten. Ich will den Ruhm, der einzige Frankfurter hier zu sein, nicht einbüßen; möchte auch aus »prinzipiellen Gründen« keine Reklame für X-Bad machen und muß sogar zugestehen, daß der Ort, abgesehen von recht guter Verpflegung im Wirtshaus, eigentlich nichts bietet, als was die beiden Wanderer, der verdrießliche und der fröhliche, bei Anastasius Grün in ihrem Aufenthaltsort gesehen haben und wovon sie mit denselben Worten, aber »mit ganz verschiedenem Angesicht« berichten. Es gibt hier nichts, gar nichts, als »Bäume, Blumen, Feld und Hain »Letztere aber — den Sonnenschein und blauen Himmel nämlich — nicht immer; und an einem Nachmittag, an dem sie fehlten, entdeckte meine mit mir weilende Gattin, daß ihre Lektüre zu Ende sei, und bat mich, ihr neue zu besorgen. »Wochen« und -Gute Stunden« wären nun zwar im Wirts haus zu haben gewesen, und lauter solche »Wochen« und -Gute Stunden« und »Gartenlauben«, die sich dem Äußern nach schon in vielen Händen befunden halten. Aber wir gehören zu der seltnen Spezies, die lieber in eignen Büchern liest; und so be schloß ich — ein Buch zu kaufen. Und nun beginnt, was ich von meiner Sommerfrische zu erzählen habe und, wie ich fürchte, von unzähligen andern kleinen Städten und Orten Deutschlands erzählen könnte! »Daß es keinen Buch laden im Orte gibt, ist selbstverständ lich; daß der fliegende Buchhändler, der »am Brunnen« gelegent lich die Woche und immer den »Satyr- und das »kleine Witz blatt« und einige andre Sachen derart feilbietet, nichts Ver nünftiges hat, ist entschuldbar. Aber im Städtchen, 20 Minuten entfernt, 2000 Einwohner, Amtsgericht, Oberförsterei, großer Viehmarkt usw. —, dort konnte doch wohl ein Buch zu haben sein. Ich frage als wissenschaftlichen Mann den Apotheker. -»Nein«-, sagt der, --Bücher zu kaufen gibt's hier nicht. Wer soll denn kaufen? Aber gehen Sie zu Neuhaus; Neuhaus in der Hauptstraße hat alles; vielleicht hat der sich auch Bücher beigelegt.«- Ich gehe zu Neuhaus (auch der Name ist nur fingiert; ich muß den Mann aber doch nennen können). Neuhaus in der Hauptstraße hat alles: Materialwaren, Kurzwaren, Milch, Butter, natürlich Ansichtskarten, Ackergeräte, Zahnstocher, Krawatten und Halsbinden, — und in welchen Farben! Aber Bücher hat er nicht. --Aber da drüben die alte Frau, deren Mann ist gestorben; die hat Bücher; gehen Sie einmal dorthin I-« — "Ich gehe zu der alten Frau, deren Mann gestorben ist. Er muß ein gebildeter oder, was mehr ist, ein bildungs bedürftiger Mensch gewesen sein. Die Wohnung hat schöne Stiche klassischer Heiligenbilder, anstatt der sonst üblichen schauerlichen Farbendrucke; und er hatte Bücher, gute Sachen, Prachtwerke, Klassiker, historische Sachen, zwei Schrankfächer voll; aber alles war von großem Format, schwer gebunden. Die Witwe hatte nicht, wie ich gemeint hatte, einen Buchladen, sondern mußte oder wollte die von ihrem Mann hinterlassene Bücherei allmählich veräußern. Für mich war nichts davon zu brauchen, und meine Frau mußte ihre mitgebrachten Bücher zum zweitenmal lesen, was ja kein Unglück war. »Und damit bin ich mit meiner Geschichte zu Ende! Wir haben die prächtigen Sammlungen, die Wiesbadener Volks bücher, die Reclam'sche Bibliothek, die Meyer'sche, die Hendel- schen Bibliotheken. Man kann für 10 Pfennig die schönsten Sachen klassischer und moderner Schriftsteller kaufen; man kann für 25 Pfennig die schönsten Reproduktionen von Bildern und Kunstwerken erstehen. Und hier, nicht zwei Eisenbahnstunden von Frankfurt und Wiesbaden, zwei Orte von zusammen fast 3000 Einwohnern, in denen überhaupt kein Buch zu kaufen ist. »Ich frage mich nun, ob es nicht Sache des Schullehrers, des Amtsrichters, des Pfarrers, des Arztes oder wer sonst die -Bildung- repräsentiert, wäre, dieser Armut zu steuern. Das müßte sich doch erreichen lassen, daß der Wirt oder der größte Krämer, der Neuhaus des betreffenden Ortes, auch für ein paar Mark Literatur feil hat; einige Dutzend Bändchen Reclam, Hendel, Meyer oder die Wiesbadener Volksbücher im Erker auslegt! »Ich spreche nicht von den Fremden, die speziell in meiner Sommerfrische mit dem Brunnen verkehren. Aber die Orts angesessenen selbst können ja zurzeit gar nicht kaufen und werden deshalb natürlich auch nicht lesen. Wie viele von ihnen werden an der Schillerfeier teilgenommen haben? Sicher kaum einer! Was ein Preiskegelschieben oder ein Feuerwehrfest ist, wissen sie; was eine Schillerfeier bedeutete, können sie nicht wissen; denn Schiller ist ein totes Wort für sie. Wieviele wür den aber die 10 Pfennig oder 20 Pfennig aufgewandt haben, um sich ein Schillerheftchen zu kaufen, wenn es bei ihnen am Ort zu haben gewesen wäre? Immerhin vielleicht einige! Und wann werden wir dazu kommen, daß bei uns die Literatur und die Kunst den Weg von den Auslagen in den Hauptstraßen der Großstädte zu den Krämern und gemischten Geschäften der kleinen Orte findet, von denen allein die gesamte Bevölkerung der Dörfer und des flachen Landes ihre Bedürfnisse bezieht? Schillerspende des Rhein-Mainischen Verbandes für Volks vorlesungen, du hast wahrhaftig noch Arbeit und Verwendungs zwecke genug! F.« Da dieser Artikel vermutlich die Runde durch die Presse machen wird, so dürfte es wohl angezeigt sein ein paar Worte darauf zu erwidern. Wenn in dem Nachbarstädtchen von 2000 Einwohnern eine Buchhandlung nicht besteht, so liegt der Grund sicher darin, daß eine Buchhandlung dort nicht existieren kann, denn von dem Profit, den der Verfasser jener Zuschrift und vielleicht noch der eine oder andre Sommerfrischler ihr hätte zukommen lassen, kann ein Buchhändler nicht leben — auch nicht von den paar billigen Büchern, die die Landbevölkerung kaufen würde. Das gleiche ist der Fall in vielen andern Landorteu, und es mag bedauerlich seiu, daß der Land bevölkerung die Anschaffung von Büchern zuweilen erschwert ist. Aber so schlimm, wie man nach jener Zuschrift annehmen könnte, ist es denn doch nicht. Heutzutage liest doch eigentlich jedermann auch auf dem Lande eine Zeitung, und es gibt kein Blatt, das nicht mehr oder weniger regelmäßig Bücherbesprechungen bringt. Hierbei ist doch in der Regel auch eine Bezugsquelle an gegeben; wenigstens der Verlag ist gewöhnlich genannt. Auch in Kalendern, die ihre Verbreitung hauptsächlich auf dem Lande finden, werden viele Bücher mit Angabe der Bezugs quelle angezeigt. Da bedarf es doch nur einer Postkarte, um binnen wenigen Tagen die gewünschten Bücher zu erhalten. Das Drucksachenporto ist ziemlich mäßig, und wenn man bedenkt, daß man sich auf dem Lande auch andre Waren nicht so bequem verschaffen kann wie in einer Stadt, so liegt kein Grund vor, speziell über »Büchernot« zu klagen. Ich will dem Verfasser auch verraten, wie ich es an stelle, um nicht in »Vüchernot« zu geraten. Ich habe mir
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