Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.08.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-08-29
- Erscheinungsdatum
- 29.08.1905
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19050829
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190508290
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19050829
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1905
- Monat1905-08
- Tag1905-08-29
- Monat1905-08
- Jahr1905
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
200, 29. August 1905. Nichtamtlicher Teil. 7521 gelesen und durchgesprochcn. Das Urteil eines Einzelnen kann sehr leicht fehlgehen, ebenso das von zweien, wenn sie ein Werk von demselben Standpunkt und mit demselben Temperament betrachten; aber das Urteil von drei, vier oder flinf Menschen, die Tatsächliches vor sich haben und sich in freier Diskussion Uber die Arbeit aussprechen, ist selten falsch. Kein Werk, auf das ernste Arbeit verwendet ist, sollte angenommen oder abgelehnt werden, ohne von zwei bis drei intelligenten Leuten aufmerksam gelesen worden zu sein, und ohne daß Männer mit Erfahrung und praktischem Urteil die erstatteten Berichte durchgesprochen hätten Das geschieht in einigen amerikanischen Verlagshäusern. Verleger brauchen gute Bücher, und fünf bis sechs populäre Autoren bilden schon ein Verlagshaus. Es ist deshalb zweifelhaft, ob sonst irgend ein Beruf in bezug aus seine Hilfskräfte und Zu flüsse so peinlich genau sein muß. Alle Verleger machen tat sächlich mehr Fehler in der Annahme als in der Ablehnung von Manuskripten. Sie akzeptieren viele Bücher neuer Autoren in der Hoffnung, daß sie durchdringen, ohne jedoch selbst starkes Vertrauen zu haben. Diese Arbeiten, die — vielleicht — Erfolg haben könnten, machen den Verlegern die meiste Mühe und Arbeit. Ein Buch dieser Art, das eine große Gewandtheit oder sonstige gute Eigenschaften zeigt, ist oft nur deshalb angenommen worden, um den Autor zu ermutigen, und in der Hoffnung, daß er in Zukunst Besseres leiste. Das ist der hauptsäch lichste Grund, daß so viele Bücher verlegt werden, die die Veröffentlichung sonst kaum gerechtfertigt erscheinen lassen würden. Der Verleger versucht, den Autor zu ent wickeln. Manchmal hat er damit Glück. Es kommt zu weilen vor, daß ein Autor in seinem ersten Werk seine zu künftige Stärke nur anzudeuten vermag. In der Regel aber ist das zweite Buch durchaus nicht besser, — es ist schlechter. Dann hat der Verleger Verluste, und von dem Autor hört man selten mehr. Natürlich ist leine Regel ohne Ausnahme; meist aber fängt ein erfolgreicher Schriftsteller auch mit einem erfolgreichen Buch an. Die Annahme, daß das zweite Buch besser sein wird, ist eine der Klippen, an denen Verlagsspekulationen so oft scheitern. Wenn ein Manuskript abgelehnt wird, muß der Ver leger dem Autor hiervon in Kenntnis setzen. Eine schwierige Aufgabe, die nicht immer so gelöst wird, wie es sein sollte. Ein Verleger, der als Geschäftsmann Manuskripte annimmt und zurückweist, kann sich kaum in die Lage des Verfassers oder der Verfasserin versetzen, die einsame Wochen bei der Arbeit verbracht haben. Eine einfache Geschäfts- Mitteilung zu senden, ist fast beleidigend. Was kann ein Verleger aber mehr tun? Er darf nicht hoffnungsvoll schreiben; damit würde er den Verfasser nur unnütz er mutigen. Der Autor aber erwartet einen langen und de taillierten Brief, weshalb das Manuskript unannehmbar sei; falls das nicht geschieht, ist er natürlich sofort der Meinung, daß die Arbeit überhaupt nicht gelesen wurde. Die Be gleitbriefe der Verleger zu den abgclehnten Arbeiten müssen viel zu der beständigen Mutmaßung beitragen, daß sie der Prüfung der Manuskripte keine entsprechende Aufmerksamkeit widmen. Jeder Absagebrief sollte — sozusagen — von einem Diplomaten geschrieben sein, der einer unangenehmen Wahrheit Ausdruck geben kann, ohne zu verletzen. Von gedruckten Formularen wäre ganz abzusehen; jede Mitteilung dieser Art sollte geschrieben werden. Leider geht das Taktge fühl der Verleger nur ausnahmsweise soweit; die Abschätzung der Manuskripte geschieht sorgfältig und gewissenhaft, die Ab- lehnungsbriefe aber lasse» oft zu wünschen übrig. Weshalb liest das Publikum Romane? Man kann die Frage kurz beantworten; um Einsicht in andre Verhältnisse zu bekommen, um Charaktere kennen zu lernen, oder um Börsenblatt sür den deutschen Buchhandel. 72. Jahrgang. sich zu zerstreuen. Der Stil des Autors bildet nur einen Teil seiner Aufgabe; die Hauptsache ist, daß er überhaupt etwas zu sagen hat. Von allen populären Romanen hat unter einem Dutzend kaum einer wirklichen literarischen Wert, und doch hat jeder seine besondern und eignen Vorzüge; sie sind nicht nach irgend einem Rezept geschrieben, und der Weg zum Erfolg ist jetzt nicht leichter zu finden als sonst. Diese Arbeiten haben Eigenschaften, die wertvoller und seltner sind als bloßer Stil, und die von den Nachahmern so selten herausgefunden zu werden scheinen; sie haben Konstruktion und Handlung. Eine Reihe von Ereignissen entwickelt sich nach einem wohlentworfenen Plan. Jedes Werk macht den Eindruck eines soliden, abgeschlossenen und wohl geformten Baues. Das Material ist vielleicht nicht so gut, wie wir es sonstwo antreffen mögen; aber es ist gut zusam- mengefllgt Ein wohlgeballtes Haus, wenn auch aus weniger gutem Material, ist anziehender als ein ungefüger aber solider Steinhaufen. Worte allein sind nicht viel wert, und auch nie hoch bewertet worden. Es würden sicher nicht so viel wertlose Romane geschrieben werden, wenn die Autoren sich vorher fragen wollten, ob sie auch wirklich etwas zu erzählen haben. Nur wenige haben die Gabe, einen Roman aufznbauen; das ist die traurige Erfahrung, die jeder macht, der Manuskripte zu lesen hat. Ei» Verleger sieht nach Konstruktion in einem Roman, bevor er ihn auf den Stil oder auf literarische Vorzüge hin prüft. Dieses Bekenntnis dürfte genügen, um die literarische Presse herauszufordern, Verleger als gewissenlose Handels leute und Drucker von Scnsationsromanen zu verurteilen. Immerhin, wenn ein wohlkonstruiertes Buch auch nicht immer der Literatur zugezählt werden mag, so haben doch nur wenige Arbeiten ernstliche Aussicht, so weit zu kommen, wenn sie nicht gut konstruiert sind. Nur wenige Verleger dürften dem Urteil der berufs mäßigen Kritiker irgendwelche Beachtung schenken. Die Kritik eines Romans z. B. ist nur von geringem Wert und wird die Literatur nicht verbessern. Die Kritik hat vielleicht oft recht, manchmal auch nicht; sie ist in jedem Falle von keinem praktischen Wert und kann das Urteil, das man sich vielleicht in zehn Jahren bildet, durchaus nicht beeinflussen. Besprechungen von Romanen sind nur insofern nützlich, als sic dem Publikum anzeigen, daß das Buch erschienen ist und ge kauft werden kann; sie mögen dann vielleicht noch etwas sagen, wodurch sie die Neugierde des Publikums rege machen; weiter kommen sie nicht in Betracht. Nur wenige Verleger dürften sich der Mühe unterziehen, die Besprechungen der von ihnen verlegten Bücher zu lesen. Romane zu schreiben, ist jetzt eine Industrie; die Leute, die die Technik am besten beherrschen, kümmern sich wenig um literarische Werte und nicht viel um ihre Popu larität. Leute, die bewußt populäre Romane schreiben wollten, sind in der Regel immer fchlgegangen. Die Industrie ist auch eine Kunst, aber keine Stilkunst. Konstruktion ist das Wesentliche; Entwicklung und Fortgang der Handlung müssen in das richtige Verhältnis gebracht werden. Das setzt natürlich voraus, daß die Autoren überhaupt etwas zu sagen haben. Seltsamer als der Erfolg mancher populären Romane und das absolute Fehlgehen der literarischen, ist der Dnrch- schnittsersolg einer gewissen Gattung von Alltagsgeschichten. Sie werden kaum angeküudigt, auch von den besten Jour nalen nicht besprochen, doch jeder Band wird sicher in 10 — 15 000 Exemplaren verkauft. Kein Annoncieren könnte den Leserkreis auf 25 000 erhöhen, und nichts kann den üblichen Absatz vermindern. Wie das möglich ist, entzieht sich den: Verständnis; Regeln gibt es nicht. Eingesührte Romanschriftsteller werden von den Ver- 998
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder