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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.09.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-09-04
- Erscheinungsdatum
- 04.09.1905
- Sprache
- Deutsch
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7690 Nichtamtlicher Teil. 205, 4. September 1905. Von: russischen Buchhandel. Schon aus den im Börsenblatt mitgeteilten Zensur- und Preßreformen, die in Rußland vorgenommen werden sollen, war nicht unberührt bleiben soll. Auch hier hat sich viel Druck und Willkür der Bureaukratie eingebürgert. Die Zensurverhältnisse gestatteten es bisher nicht, darüber in der Öffentlichkeit eingehender zu berichten; man konnte sich nur auf Andeutungen beschränken. Aber jetzt sind auch hier die Dämme gebrochen, — ob dauernd, ist freilich die Frage. Es sind in letzter Zeit Artikel in der russischen Presse er schienen, die die Lage und die Bedürfnisse des dortigen Buch handels sehr freimütig beleuchten. Ein solcher, dem »UuLslrojs 81ovo- (Russisches Wort) entnommener Artikel sei hier zur Cha rakteristik der Verhältnisse und der Ansichten über die Verbesserung derselben mitgeteilt: »Das Buch wird bei uns in Rußland in den leitenden Kreisen als ein .stark wirkendes Mittel' angesehen, und dement sprechend wird daher auch der Buchhandel in eine Reihe gestellt mit dem Handel mit Feuerwaffen, Schießpulver, Dynamit und dem ähnlichen gefährlichen Gegenständen. Während es bei der Er öffnung eines jeden andern Handelsgeschäfts genügt, sich ein Handelszeugnis zu beschaffen, ist für die Eröffnung einer Buch handlung eine besondere Erlaubnis nötig, die zu erlangen, durchaus nicht leicht ist. Mit den Bemühungen, sie zu erlangen vergehen viele Monate, manchmal auch das ganze Jahr. Be sonders mißtrauisch verhält sich die Staatsverwaltung gegen intelligente Unternehmer dieser Art. In Moskau ist z. B. die Eröffnung einer Buchhandlung seitens eines intelligenten Unternehmers in den letzten fünf bis sechs Jahren fast zur Un möglichkeit geworden. Nur bei starken Verbindungen und bei Bemühungen von Personen in hervorragender Stellung kann man Grundes, auf die bloße Vermutung hin, daß die an der Spitze des Unternehmens stehenden Personen in tendenziöser Weise auf die Auswahl der Bücher für die Käufer in der Provinz einwirken könnten. So weit kann sich die Umsicht der Administration ver steigere! Von einem solchen Schicksal wurde nämlich vor sechs Jahren in Moskau die Buchhandlung »Der Bildungsfreund betroffen. Sie wurde nur deshalb von der Behörde geschlossen, weil man den Verdacht hegte, die Geschäftsleitung würde die Bücher für die Volks- und Schulbibliotheken tendenziös aus wählen. ».Aber wie kann denn von einer tendenziösen Auswahl von Büchern für die Volksbibliotheken und Schulen die Rede sein, wenn in diese nur Bücher gelangen dürfen, die von dem Ge lehrtenkomitee des Unterrichtsministeriums erlaubt sind?' fragte mit Befremden der Inhaber der Buchhandlung den Beamten der Schutzabteilung. »„Sie wissen auch aus den .erlaubten' Büchern ein solches Bouquettchen zusammenzustellen, daß man die Achseln zucken muß", antwortete lächelnd der Rittmeister (diese Herren lächeln immer!), der dazu berufen war, die Ordnung und Sicherheit des Staats aufrecht zu erhalten. »Die Geschichte mit dem Schließen der Buchhandlung des »Bildungsfreundes- ist eine der zahlreichen Illustrationen zur administrativen Willkür, die in der letzten Zeit besonders schwer auf Rußland gelastet hat. Eine gute Sache wurde mit einem einzigen Federstrich gleich in ihrem Beginn erstickt. Eine Reihe von Angestellten wurde brotlos (einer starb bald), einige von den Inhabern der Buchhandlung, die ihr ganzes Vermögen in dem Unternehmen angelegt hatten, wurden ruiniert. Aber was besonders charakteristisch ist, di« Administration hielt es nicht ein mal für nötig, den Grund ihrer Handlungsweise anzugeben. In Moskau sagte man, man habe nach einer Vorschrift aus Petersburg gehandelt, während man sich hier wieder auf einen Bericht aus Moskau berief, usw., direkt, klar, präzis sprach sich niemand über den Grund einer so schroffen Maßregel aus. Seitdem sind sechs Jahre vergangen, und die traurige Ge schichte ist immer noch nicht aufgeklärt. — So wenig gesichert sind in Rußland sogar die Vermögensrechte der Person! »Ein Jahr nach dem eben erzählten Vorgang wurde das Bücherlager der Frau Marinowa geschloffen; bald darauf geschah das Gleiche mit dem Verlage der Frau Kalmykowa in St. Peters- Volksbücher spielte. So hemmt man in Rußland die Verbreitung des gedruckten Worts, als wenn es wirklich alles Lebende ge fährdete und zerstörte. »Die Geschichte des Semstwo-Buchhandels ist voller Tat sachen, die beweisen, wie jeder Versuch, das Buch dem Volke nahe zu bringen, durch administrative Bedrückungen erstickt wurde. Das Vücherlager des Semstwo des Gouvernements Kursk darf ihres Bestehens den Buchhandel nach den allgemeinen Be stimmungen betreiben; aber schon unter dem Ministerium Plehwe wurden diese Rechte beschnitten und den Kuratorien nur gestattet, .erlaubte' Bücher auf Lager zu halten. »In Rußland könnten viele Tausende von Bücherlagern be stehen, wenn es den Volksschullehrern gestattet wäre, neben der Schule den Buchhandel nach den allgemeinen Bestimmungen zu be treiben; aber auch dieser Weg ist dem aufmerksamen Auge der Bureaukratie nicht entgangen. Nach § 11 der Instruktion für die Inspektoren der Volksschulen dürfen in den Schullagern ebenfalls selbständigen Bücherhausierer, der sogenannten Ofeni sEinzahl: Osenjaj, dieser echt russischen Buchhändler von altersher, nicht unberührt gelassen. Die von Jahr zu Jahr stärker werdenden Beengungen, die diese Leute in der Ausübung ihres Berufs empfinden, hat die Mehrzahl der Ofeni, wie die Untersuchungen des Semstwo im Gouvernement Wladimir beweisen, veranlaßt, ihre Körbe von den Büchern zu befreien und sich auf den Vertrieb von Galanteriewaren zu beschränken. -Es muß zugestanden werden, daß alle diese Bedrückungen, die in Rußland die Entwicklung des Buchhandels lähmen, nicht unmittelbar auf den Gesetzen beruhen, sondern durch zahlreiche Zirkulare, Verfügungen und Vorschriften herbeigeführt sind, die gewöhnlich nur .zeitweilig' erlaffen werden, um wirkliche gesetzliche Bestimmungen, die der Administration aus irgend einem Grund unbequem sind, aufzuheben. Aber auch das ist noch nicht genug. Auf dem Gebiet des Buchhandels kommt es nicht selten zu empörender Willkür seitens der Ortsbehörden. Es sind Fälle bekannt, wo der Gouverneur oder sogar der Kreishauptmann den ihnen für unnötig befunden wurde, die Zahl der Buchhandlungen an einem bestimmten Ort zu vermehren. Es sind uns Plätze be kannt, wo infolge des .Ermessens' der Behörden von zehn Buch- man ganze Reihen von Büchern aus den Kästen und Kiosken der Händler entfernt, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Willkür dem Buchhandel gegenüber. »Wir haben hier bei weitem nicht alle Hindernisse aufgezählt, die in Rußland zwischen dem Buch und seinem Abnehmer stehen. Aber schon das Angeführte genügt, um sich davon zu überzeugen, was die Bureaukratie alles getan hat, um die Wege zu sperren, auf denen das gedruckte Wort in die Volksmassen hätte gelangen können. »Man sollte meinen: wenn ein Buch alle Etappen der Zensur durchlaufen, alle ihm auferlegten Schikanen bestanden hat, so müßte ihm nun auf seinem Wege zum Leser nichts mehr hinderlich sein. Aber dem ist leider nicht so. Tatsächlich stellt sich dem Buch noch eine ganze Reihe von .Ermessen' in den Weg, um derent willen es nicht von der Stelle kommt, nicht zu seiner Bestimmung gelangen kann. Die Folge davon ist etwas höchst Unnormales
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