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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.09.1912
- Strukturtyp
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- 1912-09-07
- Erscheinungsdatum
- 07.09.1912
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- Deutsch
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103S2 e«rln>«l»u I. d. Dtsch». «uchh-nd-I. Nichtamtlicher Teil. 209, 7. September 1912. Nichtamtlicher Teil. Deutsche Kulturaufgaben im Auslande. Die »Leipziger Neuesten Nachrichten» bringen in ihrer Nummer vom 5. September d. I. einen Artikel von vr. Freiherrn von Mackay, überschrieben »Eine Kultur mission für den deutschen Buchhandel», der mit großer Wärme für die Ausbreitung deutscher Literatur in China und der Türkei einlritt und auf die Aussichten hinweist, die dem deutschen Buchhandel und seinem vornehmsten Aus drucksmittel, dem deutschen Buche, in jenen Ländern in Zukunft beschicken sein können, wenn er sich rechtzeitig einen Platz an der Sonne sichert. Die Zusammenstellung zweier scheinbar so wenig wesensverwandtcn Länder- und Völker gebiete wie das chinesische Weltreich und die Türkei hat zunächst etwas Befremdliches an sich, weil die Fäden nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, die von dem einen zum anderen und von beiden zu Deutschland herüber gehen. Bei näherem Zusehen ergeben sich indes, so ver schieden auch chinesische und türkische Kultur sein mag, so viele Berührungspunkte und Bergleichsmöglichkeiten in der Entwicklung beider Länder, daß sie sich nicht nur dem Politiker aufdrängen. Sowohl das Jahrtausende alte China als auch die verhältnismäßig junge Türkei sind gegenwärtig in einem Übergang zu neuen Formen und auf der Suche nach neuen Werten begriffen, nachdem ihre alte in Tradition erstarrte Kultur dem Ansturm der neuen Zeit nicht mehr standzuhalten vermag. Hier wie dort sucht man sich europäischen Verhältnissen anzupassen, und deutsche Instrukteure sind es gewesen, denen beide Länder die Reorganisation ihrer Armeen verdanken. Für das zuneh mende Ansehen des Deutschtums im Auslande spricht es, daß die Türkei sich immer mehr von dem Einflüsse Frank reichs emanzipiert und auch in seiner Staatsversaffung vom französischen System zum deutschen übergeht, während China dem Deutschtum seine Tore öffnet, deutsche Schulen errichtet und seine Kultur mit deutschem Geiste zu erfüllen sucht. Der Vorstand des Börsenvereins hat seit Jahren der Entwicklung des Deutschtums im Auslande sein Interesse zugewandt, ausgehend von der Erkenntnis, daß der deutsche Buchhandel berufen sei, diesen Bestrebungen durch die Ver breitung deutschen Schrifttums einen festen Halt zu geben. Zeugnis dafür sind seine Bemühungen, die deutschen Ver leger sür die Errichtung einer Zentralstelle zur Verbreitung deutscher Literatur in Nordamerika zu interessieren, über die wir im Börsenblatt 1911 Nr. 273 eingehend berichteten. Dahin gehört weiter auch die »Förderung des Exports deutscher Lehr-und Lernmittel in China», die er, wie aus seiner Regi- strande in Nr. 86 des Börsenblattes hervorgeht, gleichsalls in sein Arbeitsgebiet einbezogen hat. Da diese Tatsachen von dem Verfasser des Artikels nicht erwähnt werden, so ist anzu nehmen, daß er zu seiner Forderung, dem deutschen Buche eine stärkere Anteilnahme durch Errichtung einer »zentralen Propaganda- und Vertriebsstelle sür die Entwicklung des deutschen Verlagsgewerbes im Orient — oder auch in exoti schen Gebieten überhaupt —» zu sichern, unabhängig von den Bestrebungen des Börsenvereins durch eigene Beobach tungen und Untersuchungen gekommen ist. Das läßt es wünschens wert erscheinen, an dieser Stelle etwas näher auf den in Frage stehenden Aufsatz einzugehen, besonders mit Rücksicht darauf, daß die Bestrebungen des Vorstandes nicht die Wür digung gefunden Huben, die sie im Interesse unserer natio nalen Kultur wie unserer politischen Machtstellung im Aus lände verdienen. »Wer in China», schreibt vr. Freiherr von Mackay, »etwas näher sich nach geistigem Leben und geistiger Nahrung der von Europa beeinflußten gebildeten Volks schichten umsteht, ist erstaunt, wahrzunchinen, mit welchen Massen von Büchern wissenschaftlicher und unterhaltender Art die nordamerikanische Union nicht nur die Küsten städte, sondern auch viele Teile des Innern, namentlich die Jangtseprovinzen, überschwemmt. In der Türkei ver tritt die Stelle des Amerikanertums das Franzosentum, dessen Pariser literarische Erzeugnisse hier gleich in überragender Weise den Markt der von Ausland bezogenen geistigen Güter beherrschen. Sieht man sich die Qualität dieser Waren genauer an, so ist das Ergebnis der Prüfung nicht gerade erfreulich. Die französische Einfuhr ins Reich des Halbmondes besteht in der Hauptsache aus Romanen, Novellen, Geschichtenbüchern leichter und seichter Gattung; ein großer Teil kennzeichnet sich deutlich genug als Ausschuß, den man an der Seine nicht mehr hat loswerden können. Die amerikanische Ein fuhr ins Himmlische Reich nimmt wohl einen bedeutend höheren Rang ein. Es sind viele Werke von wissenschaft licher oder ästhetischer Bedeutung darunter, freilich auch daneben nicht wenig Plunder, berechnet für die Dummheit oder den Nervenkitzel, von der Art der Nick-Carter-Romane.» Demgegenüber weist nun der Verfasser darauf hin, daß die psychologischen Voraussetzungen sür einen Ersatz dieser Literatur durch das deutsche Buch in jeder Weise gegeben seien, nicht allein, weil unsere Weltanschauung dem auf eine Verinnerlichung der menschlichen Glückswerte gerichteten Chinesentum näher stehe als der immer auf der Jagd nach dem Dollar begriffene amerikanische Materialismus, sondern auch weil die hochentwickelte deutsche Buchindustrie sehr wohl in technischer Beziehung mit der amerikanischen konkurrieren könne. Eine gleiche geistige Wahlverwandtschaft zwischen jungtürkischem und deutschem Wesen läßt vr. Freiherr von Mackay auch eine Verdrängung des französischen Buches in der Türkei zugunsten unserer Literatur nicht schwierig er scheinen, zumal das schnelle Wachstum der wirtschaftlichen Interessen im nahen Osten sich einen dem französischen min destens ebenbürtigen Einfluß bereits gesichert habe und die deutsche Sprache als Hilssidiom im Verkehr ständig an Ver breitung gewönne. Ob und inwieweit sich diese Hoffnungen in bezug aus die Türkei erfüllen, muß zunächst abgewartet werden. Denn auch wenn die von vielen als »Reaktion» verschrieene Be wegung letzten Endes sich als eins Reformation darstellen und der Weg von einem scheinbaren Parlamentarismus zu einem wirklichen Konstitutionalismus gesunden werden sollte, läßt sich die Krisis, die gegenwärtig das ottomanische Reich durchmachl, in ihrer Tragweite noch nicht übersehen. Der Friede mitJtalien kann noch lange auf sich warten lassen, und ebensowenig wird man heute schon die albanische Gesahc in ihrer Wirkung auf das aus so vielen Elementen mosaikartig zusammengesetzte tür kisch-arabische Volkstum richtig abschätze» können. Dagegen will es nicht viel besagen, daß die in deutschen Schulen vorgebildeten Offiziers wie Enver Bey sich nicht auf eine militärische Reorganisation ihres Landes beschränken, sondern in gleicher Weise zivilistisch und zivilisatorisch zu wirken suchen. Es muß vielmehr, wie die Dinge liegen, vorläufig den deutschen Buchhandlungen Konstantinopels überlassen bleiben, der Entwicklung zu grinsten der deutschen Literatur nach Möglichkeit Vorschub zu leisten. Anders liegen die Verhältnisse im fernen Osten, wo über Nacht aus einem absolutistischen Kaiserreich eine Republik von Volkes Gnaden entstanden ist und die Revolution den Boden sür die abendländische Kultur aufnahmefähig gemacht hat.
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