„Das nennt man nun aber ein Buch rühmen" „Wenn einer ein Buch über einen bedeutenden Mann schreibt, so wird er sich des in dem Maß freuen dürfen, als er nicht viel über seinen Helden sagt, sondern ihn selber zu Worte kommen läßt. Dann gewinnt der Ver fasser auch Freudigkeit, sein Buch zu empfehlen." Solch ein Buch ist das zum hundertsten Geburtstag, am 22. Oktober 192,5, im Verlag der Evangelischen Gesellschaft in Et. Gallen erschienene und im Buchhandel für 4.40 Mk. erhältliche, 250 Seiten starke, fein in Leinwand gebundene Gedenkbuch für 0r. Sonderegger. Wer war er denn, und was für ein Recht haben seine Verehrer, der hundertsten Wiederkehr des Geburtstages zu gedenken und andere zu ver anlassen, dem Jubilar« ihre Aufmerksamkeit zu schenken? Denn einen hundert sten Geburtstag von Nachfahren zu begehen, ist schließlich jedem beschieden. Man hat vor fünfzig Zähren in Deutschland besser gewußt, wer Sonderegger war; damals wurde sein Buch „Vorposten der Gesund heitspflege", in einem namhaften Berliner Verlag mehrmals erschienen, viel gelesen. Es war ein bahnbrechendes und darum epochemachendes Lehr buch der Hygiene für gebildete Laien und führte in drei Teilen: Lebens bedingungen, Lebensformen, Lebensbilder (in späteren Auflagen statt 2 u. 3: Gesundes Leben und Krankes Leben) aus Grund ernster Erforschung eines damals noch wenigen Ärzten bekannten Wissensgebietes, in anschau licher Darstellungsweise und geistesmächtiger Sprache in dieses medizinische Neuland ein. 4896 — in Eondereggers Todesjahr — erschien dann, aus Wunsch des Verstorbenen nur als Handschrift gedruckt, sein Lebensbild, „von ihm selbst geschrieben und seinen Freunden gewidmet". Karl Hilty urteilt darüber: „Don allen Büchern des Jahres wird nur dieses eine in hundert Zähren noch gelesen werden." Sonderegger hat an seinem Lebensabend farbige Bilder seines Werdens und Wirkens, seiner Kämpfe und Erfolge gezeichnet. Wir begleiten den Oorsknaben aus die Weide und freuen uns mit ihm einer treuen, feinsinnigen Mutter, nicht minder auch zweier Lehrer, treff licher Führer in entscheidungsreichen Zugendjahren. Wir sehen den Stu denten mit heißem Bemühen sich das, was ihm seine liebe Wissenschaft von Zahr zu Zahr Herrlicheres offenbarte, zu eigen machen. Zn fremden Län dern wird sein Leben reich; aber in der Heimat wurzelt er. Zhr gilt sein Schaffen: als vielgesuchter Land- und Stadtarzt, als eifriger Förderer der Dolksgesundheitspflege im Parlament und in der Schriftsteller«!, als nie ermüdeter Schüler der Leuchten am Himmel der Hygiene, mit denen auf Reisen und Kongressen zusammenzukommen und von denen des Vertrauens gewürdigt zu werden, ihm höchstes Glück bedeutet. Den guten Freund, den besorgten Familienvater, den frommen Christen — mit den drei ersten Bitten des griechischen Unservaters aus den Lippen stirbt Sonderegger — lernen wir kennen und schätzen. An Ärzteversammlungen hält er viel beachtete Reden — so recht als gutes Gewissen seiner Kollegen erscheint in Wort und Tat, der während seiner ganzen Praxis wie der Armen und Zurückqesehten Anwalt, der Kranken, insonderheit der chronisch Kranken, treuer Pfleger, so auch ein guter Kollege war. Aber wie unerbittlich liegt er zu Felde gegen alle Mißstände im öffentlichen Leben und Mißbräuche der Gewalt, gegen fromme und unsromme Lüge im Gesellschastsleben, gegen Gewinn- und Ehrsucht! Dem Geheimmittelschwindcl geht er mit heiligem Zorn, gelegentlich auch mit vernichtendem Spott zu Leibe. Man muß die wichtigsten Abschnitte aus seinen Schriften lesen, um einen Be griff von der Macht seines Geistes und der Köstlichkeit seines Humors zu erhalten.