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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1876
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- 1876-01-26
- Erscheinungsdatum
- 26.01.1876
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286 Nichtamtlicher Theil. A 20, 26. Januar. Gesetz von dem Grundgedanken getragen wird: uns Schrift steller in unseren Vermögensrechten, finanziell genom men, zu schützen; uns zu sichern: daß eine geistige Arbeit auch für uns gebührend lohnend sei, uns das tägliche Brot zu garantiren, das wir im Schweiße unseres Angesichts mit der Feder erringen. Schreibt man denn aber freundschaftliche Briefe, um sein Brot damit zu gewinnen? Ich glaube nicht! Auf der andern Seite würde — wenn der Begriff eines „Brieses" als eines vom Autorengcsetze zu schützenden „Schrift werks", scharf gefaßt, durchdränge — thatsächlich jeder „Köck", der an feine „Guste" einen unorthographischcn Liebesbrief richtet, damit zum „deutschen Schriftsteller" geweiht werden. Denn die Bezeich nung: „Ausfluß einer individuellen geistigen Thätigkcit" findet doch — wie sie sreilich überhaupt auf Briese unbestreitbar paßt — aus „Köck" gerade so gut wie auf Schiller oder Goethe Anwendung. Vor dem Gesetze aber müßte doch billiger Weise Jedermann gleich sein! In Hrn. Hinstorff's citirtem Aufsatze ist auch aus die, ich möchte sagen: dclicatc Seite der Frage angespielt und gesagt wor den: „wo es hinaus solle, wenn der Empfänger eines nur für ihn und nur zu seiner Kenntnißnahme geschriebenen Brieses durch dessen Empsang das Recht erhielte, den Inhalt desselben durch Abdruck an die große Glocke zu hängen?" Ich fürchte, hier ist eben die heikelste Seite der Sache, denn mir scheint eben das Autorengesetz vom II. Juni 1870 nicht haben Indiskretionen bestrafen, sondern Vermögensbeschädi gungen verhüten wollen. Ich kann mir den Fall sehr wohl denken, wo durch unbefugten Abdruck eines „Schriftwerks" ein pecuniärer Nachtheil gar nicht, oder kaum, dagegen ein ungeheu rer moralischer erzeugt wird. Allerdings fahre ich fort, an die Lücke des Antorengesetzes zu glauben — und wenn Hr.Hinstorff diese an der Hand der von ihm citirten „Motive" bestreitet, so Haler, glaubeich, Unrecht — nur be steht die von mir geahnte Lücke nicht, wie ich aus Unkcnntniß der „Motive" geglaubt habe, zufällig und infolge eines Uebersehens, sondern sie besteht planvoll, bewußt und eingestandenermaßen. Das Eingeständniß liegt, sollte ich meinen, in den Worten jener Motive: „Es kann nicht die Aufgabe des Gesetzes sein, kasuistische Bestim mungen zu treffen." Das Wesen meiner ursprünglichen Ausführungen wird dadurch kaum angetastet, nur ist meiner Aufforderung: „diese Lücke müsse gestopft werden", allerdings der Boden entzogen, denn das Gesetz, indem es die Lücke klar erkennt und constatirt, fügt eben die Un möglichkeit hinzu: sie vollkommen zu stopfen, und ich glaube aller dings auch je länger, desto entschiedener an diese Unmöglichkeit. Um so nothwendiger ist die von mir in d.Bl. angeregte Diskussion, denn schwerlich sind die Ansichten über diese Frage so geklärt, wie dieMo- tive meinen, wenn sie sagen: „dem Richter mangele das Material zu seiner Information im Streitfälle nicht". Vielmehr ist die Frage, aus Briese ganz besonders zugespitzt, durchaus noch unerörtert, und wie schwankend die Meinungen sind, beweist Hrn. Hinstorff's Mittheilung von einer „angesehenen Verlagshandlung", welche doch auch — und sicherlich bona ticke! — an die Publikation vonReuter- briesen gedacht hat. Wirklich ist denn auch die Auffassung eines „Briefes" als „Schriftwerk" wesentlich modern. Ich schließe das aus dem interessanten Präccdenzfalle, der mit Schiller- und Goethe briefen vorliegt. Wären diese früher als „Schriftwerke" angesehen worden, so hätten sie dem bekannten Privilegium unterstehen müssen, welches, wie man gewiß wird annehmen dürfen, hier in hervorragen der Weise an Stelle des 1870 gegebenen Gesetzes steht. Nichts destoweniger hat die Firma Cotta dieses Privilegium so wenig geltend gemacht, wie die von Duncker L Humblot als Verleger von Goethe-Zelter, noch auch die Gocthc'schen und Schiller'schen Er ben, denn zur Zeit der vollen Kraft des Privilegs sind Briefe der Classiker immersortunbeanstandctpublicirt, ja sogar in Sammlun gen (Döring!) herausgegeben worden, ohne daß die Inhaber des Privilegs diese „Ausflüsse einer individuellen geistigen Thätigkcit" beanstandet oder deren Erträgnisse reclamirt hätten. Ja, trotz des vorhandenen allgemeinen Schillcrprivilegs wurden 1819 Schiller's Briese an Dalberg noch durch ein Sonderprivilcg geschützt, und als die Verlier Allg. Deutsche Verlagsanstalt ihre bekannte ckbändige Sammlung von Gocthebriefen herausgab, wogegen die Firma Cotta Einspruch erhob, gründete sich dieser nicht etwa aus den angeblichen Charakter von „Briefen" als „Schriftwerken" überhaupt und allgemein, sondern es wurde ganz speciell nur gesagt: ein Nachdrucksproccß würde dann erhoben werden, falls die vorher schon bei Cotta erschienen gewesenen Briefsammlungen als solche (Goethe-Kästner, Goethe-Schiller, Gocthe-Reinhart u. s. w.) einvcr- leibt werden würden. lind in der That glaube ich, daß hier das Gesetz hilfreich bei springen würde, aber wohl nicht um die „Briefe" als „Schriftwerke" zu schützen, sondern, um den von deren Sammler aufgewendeten Fleiß nicht um seinen Lohn bringen zu lassen. Hr. Hinstorff hat da her völlig ausgesprochen, was ich auch meine: daß nämlich Jeder strafbar wäre, der etwa der „nachgelassenen Werke von Fr. Reuter zweiten Theil, herausgegeben von A. Wilbrandt", als Buch Nach drucken würde. Diesen Sammelband hergestellt zu haben, ist das Verdienst A. Wilbrandt's, dessen Mühwaltung das Gesetz zu schützen hat — ebenso, wie es eigentlich auch in der Ordnung sein sollte, daß, wollte Jemand z. B. das Buch: „Goethe's Briese an Johanna Fahlmer" Nachdrucken, er strafbar wäre, selbst wenn er die Person des zeitigen Herausgebers Urlichs, bezw. dessen Anmerkungen, Vor wort rc. wegließe — strafbar, trotzdem Ivir in Goethe einen Autor vor uns haben, dessen „Schriftwerke" den Schutz des Gesetzes nicht mehr genießen. Hier ist aber, will mich Ledünken, noch eine bisher noch nicht erörterte Lücke des Autorengesetzes. Kaufe ich z. B. ein Convolut bisher ungedruckter Goethebriese um hohen Preis, so bin ich keineswegs vor fosortigem Nachdruck geschützt, und alle meine Sorgfalt ist umsonst. Die Hempel'sche Verlagsbuchhandlung hat es an Gedichten erfahren. Ich kenne den Preis nicht, welchen die Firma Beit L Co. für Goethe's Tagebuch an Herrn Robert Keil gezahlt hat, aber vor Nachdruck ist es nicht geschützt. Alle eigenen Auszeichnungen der Gräfin Voss — sind vor Nachdruck gewiß nicht geschützt! Eine Zeitungsnachricht kündigte unlängst „Denkwürdig keiten des Staatskanzlers Hardenberg" an — ich gratulire im voraus zum straffreien Nachdruck, denn der Fürst ist 30 Jahre todt. — Was für Zustände! Was für ein Gesetz! Straffällig ferner, wenn das Gesetz vom 11. Juni 1870 schlankhin alle „Briese" zu „Schriftwerken" aufpuffen soll, bin ich selbst, denn ich Aermster habe den beiden Memoirenwerken, welche ich herausgegeben habe (Louise Seidler's und Fr. L. Schmidt's Papiere) ganz unbedenklich Briese einzelner Schreiber einverleibt, welche noch nicht 30 Jahre todt sind, bezw. noch leben. Es liegt aus der Hand, daß, wenn eine drakonisch strenge Auffassung des Autorengesetzes, wie sie Hr. Hinstorff vertritt, Platz greift, mir aus dem erwähnten Umstande Verdrießlichkeiten der ärgerlichsten Art erwachsen können. Unzweifelhaft habe ich „Briefe ohne Erlaubniß des Briefschreibers durch mechanische Bervielsältigung bekannt ge macht", folglich, nach Seuffert, „eine strafbare Handlung" begangen. Ist daher unter den von mir angeblich geschädigten Correspondenten L. Seidler's oder Fr. L. Schmidt's einer, der Zeit, Geld und, die Laune hat, einen Prozeß gegen mich anzustrengen: so habe ich — mag auch meine schließliche Freisprechung außer Frage stehen — doch
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