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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.02.1913
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- 1913-02-13
- Erscheinungsdatum
- 13.02.1913
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1? 36, 13. Februar 1913. Redaktioneller Teil. (Fortsetzung zu Seite 1626.) Nicklcby, und die Angestellten des Hauses sprachen von jedem ihrer Chefs nicht anders als von »Onkel« Harper. Es ist nun rund hundert Jahre her, daß der älteste der Brüder, James Harper, von dem väterlichen Dorf nach New Dort kam, ein kräftiger, sechzehnjähriger Bursche, der sich sein Brot verdienen sollte. Er hatte zu Hause »Das Leben von Benjamin Franklin« gelesen, der ein Buchdrucker gewesen war, und so hatte er Lust verspürt, ebenfalls ein Buchdrucker zu werden. Jugendkraft, rechtlicher Sinn und Pflicht treue verfehlen selten ihr Ziel, und in kurzer Zeit war aus dem jungen Gehilfen ein Meister geworden. Seine drei Brüder, John, Wesley, Fletcher, folgten ihm einer nach dem andern, und binnen acht Jahren besaß die Firma Harper and Brothers die größte Druckerei und den angesehensten Verlag in Amerika. Die Brüder entstammten einem schlichten, gottessürchtigen Hause, in dem sie liebevoll, aber unter strenger Zucht ausgewachsen waren, und gründeten wieder solche Familien nach dem Vorbilde ihrer Eltern. In allen ihren Unternehmungen jagten sie nie nach Gewinn allein, und da Fortuna ein Frauenzimmer ist, so fiel ihnen reichlich in den Schoß, worum sie sich am wenigsten kümmerten. In dem ersten Jahrzehnt ihres Bestehens hing ihr Verlag hauptsächlich von englischen Nach drucken ab: es gab noch keinen Urheberschutz, und jeder amerikanische Verleger griff nach den englischen Früchten. Da galt es durch Scharf sinn und Organisation den anderen einen Vorsprung abzugewinnen, und unser Buch erzählt, wie ein beliebter Roman von Walter Scott z. B. binnen 20 Stunden nach der Landung in New Dort von Harpers gedruckt, gebunden und auf den Markt gebracht wurde. In späteren Jahren setzten sich die angeseheneren Verleger Amerikas mit den eng lischen Autoren in Verbindung und kauften die Nachdrucks- rcchte für die Vergünstigung, daß sie die Korrekturbogen einige Wochen voraus empfingen. Für solche Rechte wurden hohe Preise, oft tausend Pfund und mehr, gezahlt, obwohl der Vorsprung nur gering und der Rechtszustand in den Vereinigten Staaten so erbärm lich war, daß die ehrlichen Verleger selten für lange Zeit die Frucht ihrer Opfer ernteten. Fletcher, der Benjamin des Hauses, war es, der zuerst nach Europa reiste, um Verbindungen mit englischen Autoren und Verlegern au- zuknüpfcn, die dem Geschäft nicht allein Gewinn brachten, sondern auch zu seinem internationalen Ansehen beitrugen. Die guten Beziehungen zwischen Geschäftsfreunden zeigen sich bei Verlegern, deren Beruf dem festen Verhältnisse der alten Zünfte noch heute nahekommt, am deut lichsten. Hüben wie drüben vererben sich angesehene Häuser von Ge schlecht auf Geschlecht, und es ist anmutig, iu den Briefen der Alten in diesem Buche zu lesen, wie gut nun auch die Söhne miteinander auskommen. Die Murrays, die Longmans, die Harpers, die Putnams befreunden sich von Vätern auf Söhne, von Söhnen auf Enkel, so daß die geschäftlichen Unterhandlungen im Tone freundschaftlichen Gedan- kenaustauschs gepflogen werden. Von Anfang an teilten sich die Brüder je nach ihrer besonderen Begabung in die Arbeit: James leitete die technische Abteilung, John führte die Buchhaltung, Wesley besorgte die Korrespondenz und Flet cher nahm sich der literarischen Geschäfte an. Wie harmonisch sie mit einander arbeiteten, beweist schon die Tatsache, daß sie lange Zeit hin durch über ihre gegenseitigen Verdienste gar keine Rechnung führten, sondern ein jeder aus der Kasse nahm, soviel er eben brauchte: der Nest wurde zu gleichen Summen verteilt. Als sie geheiratet und ihre Familien sich vergrößert hatten, wurde allerdings eine besondere Buch führung für jeden der vier Teilhaber notwendig, aber dies geschah erst zehn Jahre vor dem Tode des ältesten Bruders, im Jahre 1869. Bis dahin hatte keiner der Brüder eine Ahnung, wieviel die anderen für sich dem Geschäft entnahmen. Als ein Bekannter gelegentlich James, den ältesten Bruder und eigentlichen Begründer des Hauses, fragte: »Wer ist denn nun eigentlich Harper und wer die Brüder?«, da ant wortete ihm dieser einfach: »Jeder von uns ist Harper, und die übri gen sind die Brüder.« James führte einmal einen anderen Wißbegie rigen etwas umständlicher, dafür aber mit um so mehr Humor ab. Das war einer von denen, die stundenlang »zu Besuch« kommen und hun derterlei neugierige Fragen tun, zu denen sie nicht berechtigt sind. Am Ende einer solchen Unterhaltung fragte der Besucher: »Sie sagen, Mr. Harper, daß Ihr Bruder John die Buchhaltung versieht, daß Ihr Bruder Wesley die Briefe schreibt und daß ihr Bruder Fletcher sich um die Autoren kümmert, aber Sie haben mir noch nicht erzählt, was S i e eigentlich tun.« »O«, sagte James, »meine Brüder lassen mir noch kolossal viel zu tun: ich habe mehr zu tun, als sie alle zusammen.« »Nicht möglich! Das ist ja höchst merkwürdig. Erlauben Sie mir zu fragen, was das ist.« »Gern, mein geehrtester Herr. Ganz unter uns — sie überlassen cs mir, mich mit den neugierigen Besuchern zu unterhalten . . .« Neben den großen britischen Antoren, deren Ruhm den Harpers im besten Falle nur geborgt zukam, scharte sich um sie indessen auch bald eine stattliche Zahl der angesehensten Schriftsteller ihrer Heimat. Tie großen Historiker Prescott, Motley, Bancroft gaben ihre Werke gern an das Haus, dessen Abzeichen eine leuchtende Fackel war und in der Tat ein reines Licht ausstrahlte. Dann war Fletcher auf den guten Einfall gekommen, eine illustrierte Monatsschrift, Harper s Monthly, ins Leben zu rufen, der einige Jahre später auch eine illustrierte Wochenzeitung, Harper's Weckly, folgte. Solche periodischen Publika tionen sind für ein Verlagshaus von besonderem Wert, denn sie führen ihm junge Talente zu und halten das Haus durch beständige« Verkehr mit allen geistigen Regungen auf der Höhe der Zeit. Mancher junge literarische Springinsfeld, der schüchtern sein erstes Manuskript dem gefürchteten Redakteur einreichte, ist allmählich zu Ansehen und, was den Geldstrom des Hauses anbetrifft, zu einer kräftigen Quelle ge worden. Mark Twain, N. H. Davis, Frances Burnett (deren Little Lord Fauntleroy alle Kinderstuben zu kleinen Tempeln verwandelte, in denen man keinen anderen Laut vernahm, als das hastige Wenden der Seiten), General Lew Wallace (mit seinem Roman Ben Hur) und Du Maurier traten in den Spalten von Harpers Monthly vor die Augen der Leser und mehrten mit ihrem eigenen Ruhm den von Harper and Brothers. Die Briefe, die Verleger, Redakteure und Autoren mit einander wechselten, geben in dem vorliegenden Buche ein schönes und zugleich überaus anregendes Bild von der geistigen Arbeit, die ein großes Ver lagsgeschäft beseelt. Man kann nicht leicht Briefe lesen, die klüger und mit feinerem Takt geschrieben sind. Künstler wollen behutsam behan delt sein, und wenngleich ein Verleger in erster Linie sich an die mate riellen Seiten seines Unternehmens zu halten hat, so taugte doch der schlecht für seinen Beruf, der sich nicht auf die idealen Schwingungen der Seele und die feinfühligen Nerven jener verstände, mit denen er in Beziehung steht. Die Harpers und ihre Redakteure, George William Eurtis, Henry Mills Aldeu, William Dean Howells waren Gentlemen, in allen ihren Handlungen paßten sie sich Fletcher Harper an, der einen besonderen Ruf genoß um des Geschicks, womit er ein Paar der feurig sten Rosse zu lenken verstand — sanft und straff. Dies Temperament war von seinem Privatvergnügen auf sein Geschäftsleben übergegangen. Was waren es aber auch für prächtige Menschen, mit denen er verkehrte: Black, der Romanschriftsteller, der die feinsten Weine unter seinem Bette und ein paar tausend Havannas hinter einer Gardine auf einem Gestell verwahrte, das jeder sicherlich für einen wohlbcsetzten Bücherschrank gehalten hätte; Aldrich, der nach einem ausgesuchten Diner in dem berühmten Neitklub von New Aork seinem Wirt ein allerliebstes Billett schreibt, in dem er sagt, er habe noch nie so gut in einem — Stall gegessen, und unzählige mehr. Alle wie Mit glieder einer einzigen großen Familie. Jedes Baby im Hause eines der Harpers wird von diesem oder jenem berühmten Mitarbeiter mit einem Gedicht begrüßt; bei jeder silbernen Hochzeit oder ähnlichen fest lichen Gelegenheit wartet »das Haus« mit kostbaren Servicen und Glückwünschen auf, denen man aus jedem Wort den warmen Herzcns- ton abhört. Hier ist Arbeit, auf der Segen ruht, denn es ist freudige Arbeit, tatkräftiges Sichäußern aller Kräfte, und mit allen Mitteln, ohne jeden persönlichen Eigennutz, lediglich auf die Förderung des Ganzen gestimmt. Es ließen sich viele Beispiele dafür anfllhren, wie diese Gesinnung auch in den geschäftlichen Abmachungen mit den Autoren des Verlags sich äußerte. Allbekannt ist, was George Du Maurier erlebte. Er halte seinen Roman Trilby an Harpers verkauft, die ihm, wie das ihre Gewohnheit war, eine angemessene Summe dafür bezahlten. An gemessen, sagt' ich, doch wer kann den finanziellen Wert eines Kunst werks voraus bestimmen? Wie oft bringt ein Werk, wofür der Ver leger eine hohe Summe zahlte, nicht so viel Schillinge ein, als er Pfund Sterling dafür auf den Tisch gezahlt hatte! Wie manches Mal wieder ist Goldes wert, was man für schlechte Münze angesehen hatte! Hadsnt sua kala libelli. Trilby bemächtigte sich der Gunst des Publi kums derart, daß sich seine Leser nach Millionen bezifferten. Der Titel allein erhielt einen magnetischen Zauber. Mau trug Trilby- Hüte, fabrizierte Trilby-Seife, beträufelte sich mit Trilby-Parfüm. Der Roman wurde dramatisiert und war ein Kasscnstück in England und Amerika. Der Mann, der Trilby geschrieben hatte — ein be rühmter Zeichner im Stabe von Punch — hauptsächlich weil er fürch tete, seine Sehkraft zu verlieren, und somit sich für einen Beruf vor bereiten wollte, in dem er diktieren könne, wenn das Auge ihm ver sagte - , George Du Maurier, ward tke vkLerver ok all vbservers. Und was tat sein Verleger? Er zerriß den Kontrakt und fügte zu der Summe, für die er Trilby mit allen Rechten gekauft hatte, einen Ge winnanteil hinzu an allem, was Harpers an Trilby verdienten. Aus dem reichen Schatze von A n e k d o t e n, die das Buch aus dem hundertjährigen Wandel des literarischen Lebens hebt, wie es sich im Hause Harper spiegelt, ließe sich vieles erzählen. Merkwürdig ist, wie oft, sobald ein Öledicht oder eine Novelle von einem bis dahin unbekann-
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