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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1913
- Strukturtyp
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- 1913-06-06
- Erscheinungsdatum
- 06.06.1913
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- Deutsch
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Kinemaiisicrung seines Werkes zu verlangen, wie es neuerdings von interessierter Seite schon angeregt worden ist. Es sei denn, er leiste das nötige Äquivalent dafür. Wird er es tun? Max Kretzer. Ob das Kino schadet oder nützt? — Es kann meiner An sicht nach beides, je nachdem. Man mutz eben unterscheiden: Soweit das Kino ethnographische und landschaftliche Bilder vorführt, ist es an sich nur nützlich, da es vielen Leuten, die sonst nie dazukämeu oder nie daran dächten, Einblicke in fremde Welten gewährt und hierdurch ihren geistigen Horizont erweitert. Der einschlägigen Literatur kann dies nur nützen, denn das in dieser Weise geförderte Interesse wird nun auch der sonst wenig beachteten Literatur dieser Art mehr Leser und Käufer zuführen. Dies gilt natürlich auch von zoologischen Vor führungen. Für direkt schädlich dagegen halte ich das Kino im Hin blick auf die Belletristik, und zwar sowohl in künstlerischer als auch — aber weniger — in buchhändlerischer Richtung: Schon das Theater bedeutet gegenüber dem Buche (Roman, Novelle) eine Geschmacksvergröberung, denn was der Autor im Buche mit feinen Worten und Wendungen andeutcn oder schil dern kann, mutz auf der Bühne, um gemeinverständlich zu wirken, dick unterstrichen werden, das heißt, der Schauspieler mutz es durch Blicke, Mienen und Gesten zum Ausdruck bringen, durch Mittel also, die unwahr und darum strenggenommen, un- künstlerisch sind und oft genug lächerlich. Im Leben schneidet ein Bösewicht nicht finstere Gesichter und warnt damit schon alle Leute: aufgepaßt, ich bin ein Bösewicht! Dagegen auf der Bühne! Siehe Richard III. oder Franz Moor! Feinere poetische Effekte des Buchs: intime Stimmungen, Düfte, Klänge, Farben gehen unbedingt verloren. Das Kino bedeutet da nun noch einen Schritt weiter nach abwärts, denn der Schauspieler hat immer »och das Wort als Ausdrucksmittel, das Kino aber nur Miene und Geste; daher sind unnatürlichste Kulissenreiberei und, was besonders ins Gewicht fällt: nur gröbste Effektszenen überhaupt möglich. Folge: Geschmacksvergröberung des Pu blikums und demgemäß auch vermutlich Absatzabnahme feinerer Belletristik. Weitere Folge: Hausse in Kolportageromantik, da die Autoren aufs Kino und deren größere Einnahmen speku lieren werden. Damit erscheint die Literatur selbst sicher ge schädigt; der Buchhandel doch nur mittelbar. Und auch da darf man den geschäftlichen Schaden des Kinos für den Buchhandel nicht überschätzen, denn die Mehrzahl der Bücherkäuser, die gute Literatur kaufen, werden sich vom Kino nicht im geringsten be einflussen lassen. Einen Nutzen vom Kino wird die belle tristische Literatur aber nur in ihrem minderwertigsten Teile habe». übrigens dürfte der jetzt im höchsten Flor stehende Kino- rummcl bald abflauen. Theodor vonSosnoskh. Die Frage, ob die Verfilmung belletristischer Werke ihrem Absatz schadet oder nicht, hängt nach meinem Dafürhalten ganz von dem Werte der Arbeit ab. Je innerlicher, feiner und vertiefter das Werk ist, je mehr innere psychologische Handlung es hat, desto schwerer kann es verfilmt werden; ja in solchem Fall verbietet sich die Verfilmung von selbst. Eine äußerlich be wegte Handlung dagegen läßt sich insoweit ohne Schaden ver filmen, als die Autoren sich davor hüten, die innere Wahrheit der Effekthascherei zu opfern. — Wie ein Lied des Gesanges be darf, um als rechtes Lied zu wirken, so bedarf ein feines Buch der Stille, es bedarf der Sammlung und Ruhe, damit es auf den Leser wirken kann; im Kinematographenthcatcr ist diese Ruhe nicht gut möglich. Aber wie viele von unfern Lesern, darf man Wohl fragen, haben noch heutzutage die innere Ruhe, die ihnen gute Bücher zu Freunden loerden läßt? Nach meiner Meinung ist die Frage in Bausch und Bogen überhaupt nicht zu entscheiden, sondern nur individuell und von Fall zu Fall. Frances Külpe. Sie fragen mich, ob ich das Verfilmen von Romanen zum Zwecke kinematographischer Darstellung für den Absatz der ge filmten Werke in Buchform für förderlich halte? Aus Ihrer Frage klingt eine gewisse Beklemmung heraus. Ich weiß, daß Sie den guten Geschmack in der Belletristik vertreten. Und darum möchte ich Ihnen nach meiner besten Überzeugung sagen, daß die Belletristik in Ihrem Sinne von einer Verfilmung nichts zu fürchten hat. Wenigstens nach menschlicher Voraussicht nicht. Der Kincmatograph wird nach meinem Dafürhalten die wirklich schöne Literatur weder fördern noch schädigen. Einzig und allein darum, weil der Kientvpp in absehbarer Zeit jedem vornehmen und künstlerisch gestalteten Werk der Unterhaltungsliteratur weit aus dem Wege gehen wird. Wenn man heute versucht, Dramen und Romane von klingenden Namen, auf die Lichtspielbühne zu bringen, so bedeutet das nichts weiter als Experimente, die man anstellt, um den Ungläubigen den Glauben an den Ernst und die künstlerische Bedeutung des Kientopps beizubringen. Gewalt geht eben vor Recht. Wenn unsere wackeren Kinopiontere aber sehen werden, daß das Publikum der Darstellung hinter treppenartiger Geschehnisse ein wett höheres Interesse entgcgen- bringt, als den an den Haaren herbeigeschleiften kinematogra« phierten Literaturgewächsen, dann werden sie sich von selbst von den Werken guter Belletristik zurückziehen, und ihre Hände von Ibsen, Schnitzler, Sienkiewicz usw. lassen. Es ist ja möglich, daß sich dem Kino im Lauf der Zeit so und so viele Entwicklungs möglichkeiten bieten, es ist ja möglich, daß er sich in technischer Hinsicht bis zum »Ideal« vervollkommn Heute jedoch, ist er noch lange nicht so weit, um mit dem, was wir bisher Kunst zu neunen pflegten, rivalisieren zu können. Der Kino der unmittel baren Zukunft wird aus der »Literatur« das Sensationelle her ausgreifen. Ob man aber die »Literatur«, die Sensation birgt, Literatur im besten Sinne nennen darf, bleibe dahingestellt. So fern darf ich Ihre Frage, ob der Film den Absatz guter Bücher förderlich oder schädigend beeinflußt, mit einem ehrlichen »Weder das eine, noch das andere« beantworten. Leo Heller. Die Erfahrungen, welche bisher mit der Verfilmung von Dra men gemacht wurden, haben ein weder den Autor, noch das Publi kum, noch auch den Filmfabrikantcn befriedigendes Resultat ge- zeitigt. Auch alle Versuche, Romane für das Kino zu Verlverten, sind mit einer einzigen Ausnahme fehlgeschlagen. Diese Aus nahme bildet der von der Cines-Gesellschaft verfilmte Roman »tzuo vackis?« von H. Sienkiewicz, dessen künstlerische Quali täten zwar bei der Bearbeitung für das Kino vollkommen ver loren gegangen sind, dessen grandiose Szenen aber, mit Hülfe einer glänzend geführten Regie, auf das Publikum eine bedeu tende Wirkung ausüben und den Verkauf des Buches ganz ent schieden neu belebt haben. Nur wenige Bücher dürften sich aber, wie dieser Roman, zur Vorführung im Kino eignen. Die außer ordentlich strenge Zensur verbietet die Wiedergabe alles Sensa tionellen, und da das schnell wechselnde Bild auf der Leinwand des Kinos im Zuschauer keinerlei Stimmung aufkommen läßt und die vergröberte Schauspielkunst der Kinodarsteller auf die Wiedergabe aller feineren seelischen Regungen verzichten mutz, so stehe ich ganz auf dem Standpunkt, datz das Kino nur in den seltensten Fällen einem Roman oder einem Drama Nutzen bringen kann und für ihn Reklame zu machen vermag. Daß die Entstehung der vielen Kinotheater ungünstig auf den Absatz der Belletristik einwirkt, dürfte außer Zweifel sein, ebenso sicher aber darf man annehmen, daß das Interesse am Kino in nicht allzu langer Zeit soweit abflauen wird, daß seine Schädigung des Buchhandels nur als eine vorübergehende Er scheinung bezeichnet werden darf. Carl Schüler. An eine ernstliche Schädigung des Absatzes von Romanen infolge kinematographischer Darstellung vermag ich nicht zu glau ben. Ganz oberflächliche Elemente werden vielleicht im Be gucken solcher Vorstellungen Ersatz für das Lesen finden; tiefere Naturen dürften gerade zur Lektüre angeregt werden. Es kommt alles darauf an, das Kino als wirkliches Erziehungsmittel zu erhalten, beziehungsweise erst zu gestalten. Heinrich von Schullern. (Fortsetzung folgt.)
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