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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1913
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- 1913-06-06
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- 06.06.1913
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^ 128, 6, Juni 1913. Redaktioneller Teil. «Srl-nblaU f. d. Dtschn. Bllch«-ndrl. 6031 Nach meiner Ansicht kann diese Frage nur durch die prak- tische Erfahrung entschieden werden. Vorläufig aber glaube ich, daß die Umwandlung eines literarischen Erzeugnisses in einen Film die literarische Roheit vermehren und dem Absatz der Bücher schaden wird. E. Schlaikjer. Ihre Anfrage »über den Einfluß des Kinos auf Literatur und Buchhandel« soll und kann nach der wirtschaftlichen Seite hin beantwortet werden, da nachgerade Wohl genug Erfahrungen vorliegen, die ein Urteil möglich machen. Aber auch vom Standpunkt des Theoretikers aus läßt sich manches darüber sagen. Am wichtigsten scheint mir, daß man sich ernstlich darüber klar werde, welche Bedeutung die Sprache für jede künstlerisch gerichtete literarische Tätigkeit besitzt. Wir Ästhetiker Pflegen von der Poesie als von der »Wortkunst« zu sprechen, in demselben Sinne, wie wir von Tonkunst, Raumkunst usw. reden; wir wollen damit sagen: Worte sind das kennzeichnende Ausdrucksmittel des Schriftstellers, gleichwie Töne das Ausdrucksmittel des Musikers sind. Und so wenig wie es Sonaten oder Sinfonien außerhalb der Musik gibt, sind Dramen oder Romane außerhalb der Sprache möglich. Niemals kann das künstlerisch Wertvolle eines Werkes der Literatur, da es unlöslich mit den Worten verknüpft ist, in eine kinematvgraphische Darstellung übergehen. Was sich heraus holen läßt, ist nur der rohe Stoff, nicht einmal die Folge der Handlungen, deren kunstvolle Ordnung aus dem Film unver ständlich sein würde. So wird schwerlich jemand durch die Vorführung des beweglichen Lichtbildes veranlaßt werden, das Buch zur Hand zu nehmen. Weshalb denn auch? Der Stoff hunger ist befriedigt, und von den künstlerischen Eigenschaften des literarischen Werkes erfährt der Kino-Besucher nichts, was ihm Neigung und Mut zum Lesen machen könnte. Ein Zitat von zehn Zeilen tut mehr zur Verbreitung eines Romans, als eine zweistündige Aufführung im Kino-Theater. MaxDessoir. Durch die kinematographische Darstellung von Romanen, Dramen und anderen Kunstwerken erleidet nach meiner Ansicht der Buchhandel zweifellos eine schwere Schädigung, die sich im Laufe der allernächsten Zeit mit dem weiteren Fortschreiten jener »modernen« Art, Kunstwerke weiteren Kreisen bekanntzumachen deutlich fühlbar machen wird. Es ist über jeden Zweifel er haben, daß durch die Verfilmung von Dramen und Romanen diese ihrer künstlerischen Form entkleidet werden, indem das Publikum nur mehr den Inhalt des betreffenden Werkes, das heißt also ein Gerippe, dem Seele, Fleisch und Blut fehlen, zu sehen bekommt. Wie das gesprochene Wort ein Wesensbestand- tetl der Schauspielkunst ist, so ist auch die Sprache im Roman nicht als bloßes Beiwerk, sondern als ein hervorragender und oft für den Wert des Romans ausschlaggebender Faktor zu be trachten. Die Sprache, die Wucht des Wortes bestimmt erst den Kunstwert eines Dramas oder Romans. In dieser Hinsicht wirkt also der Kinomatograph als Vermittler von Romanen und dramatischen Werken direkt kunstschädlich. Da nur ein kleiner Bruchteil der berufstätigen Menschen über die für das Lesen eines Romans oder Dramas nötige Zeit verfügt, diese wenigen aber auch nicht gerade aus purem Kunst interesse sich in die Lektüre von Dramen und Romanen vertiefen, so wird durch die kinematographische Darstellung von Romanen und Dramen von diesen wenigen wieder ein Bruchteil abbröckeln und sich lieber das für ihn in Frage kommende Werk im Kine- matographeutheater ansehen, als es lesen, erspart mau doch hier durch viel Zeit und Kosten und hat überdies noch andere Unter haltungsmöglichkeiten. Ich glaube kaum, daß jemand, der einen verfilmten Roman gesehen hat, noch so viel Interesse für diesen Roman aufbringt, daß er sich den Roman in seiner ursprüng lichen Form, in seiner künstlerischen Form beim Buchhändler kaust. Der Kinematograph leistet also der Verflachung Vorschub und dient der Sensationssucht, Oberflächlichkeit, mit einem Wort der Antikunst. Seine Kulturschädlichkeit werden vor allem die Bühnenleiter, Buchhändler und künstlerisch arbeitenden Schrift steller zu spüren haben. vr. Kurt Mühsam, Dramaturg des »Berliner Theaters« und Direktor der »Nationalzeitung«. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Kino in seinen Dar bietungen mit Literatur auch nicht das allergeringste gemein sam hat, und daß er leider auch mit der bildenden Kunst nur sehr lockere Beziehungen unterhält. Das, was der Kino als Literatur ausgibt, sind Schmarren niedrigster Provenienz englischer und romanischer Schundlektüre, die auf einer Stufe stehen mit den Dingen, gegen die seit Jahren bei allen Kulturvölkern der Kreuz zug gepredigt wird. Versuche mit Besserem vermochten nicht zu überzeugen. Ja, sie schälten eigentlich aus dem Guten nur das heraus, was es au Kolportage in sich barg. Wenn Schriftstellern von Ruf aus der Verbindung mit dem Kino materielle Vorteile entstehen, so bin ich der letzte, sie ihnen zu mißgönnen, würde sie sogar morgen ganz skrupellos selbst mitnchmen; denn Wort und Wert eines Kunstwerks leiden nicht unter der Verfilmung, bleiben ja ganz unabhängig von ihr für sich bestehen. Ob die Vorteile bei der Verfilmung buchhäudlerische Nachteile auswiegen, kann ich nicht entscheiden. Daß sie auch buchhändlerische Vorteile mit sich bringt, bezweifle ich. Ich glaube nicht, daß jemand vom Film zum Buch übergeht. Einzig die Reklame für den Namen ist nicht zu unterschätzen. Ich sehe die Zukunft des Kinos nicht so optimistisch an wie die andern. Ich glaube, daß der Kino heute schon die Zeichen der Überproduktion trägt und schweren Krisen entgegengeht. Ich bin der Überzeugung — sofern man bei einer Sache, die in der Zukunft liegt, der Überzeugung sein kann —, der Kino wird die Oberschichten, selbst die Mittelschichten zwischen heute und fünf, zehn Jahren wieder verloren haben; die Theaterbesucher werden wieder Theaterbesucher sein und die Buchleser wieder Buchlefer. Gerade die krampfhaften Versuche des Kinos, Anschluß an die Literatur zu bekommen — Versuche, die mit Geldsummen arbeiten, die kluge Kaufleute nicht auf wenden, wenn nicht viel auf dem Spiele steht —, beweisen mir, daß meine Vermutungen über die Zukunft des Kinos auch im Lager der Kinoleute geteilt werden, wenn man sich auch hüten wird, sie auszusprechen. Georg Hermann. Ich bin der Meinung, daß der Absatz eines kinematographisch vorgcführten Buches eher leidet, als zunimmt, einesteils, weil das »Interessante« des Buches für den unkultivierten Zuseher so schon bekanntgemacht wurde, andernteils, weil der literarische Vielfrcsser jetzt bereits in Gesellschaften, Jours, Cafehäusern usw. darüber »sprechen« kann — die anderen wenigen finden sich zum Buch ohne und trotz dem Kino! Der Verkauf von auf Spannung gezimmerter Belletristik dürfte im allgemeinen gefördert werden; das ist scheinbar nicht erstrebenswert; jedoch wir fingen als Buben alle mit schlechten »Jndianerbüchern« an, und einige von uns wurden, im weiteren Verlaufe ihrer Entwicklung, doch ganz feine Kerls! Also: nicht wehleidig sein und nicht zu optimistisch — aber mitmacheu! Für wissenschaftliche und »Reise-Bücher« ist das Kino ein Segen. WaltervonMolo (Wien). Die ohne Zweifel großartige und zukunftsvolle Erfindung des bewegten Lichtbildes hat bereits auf die Literatur einen spürbaren Einfluß gewonnen. Meines Erachtens bisher keinen günstigen. Zunächst scheint der Ersatz des toten Buchstaben durch die lebendige Anschauung eine Befreiung von der geistigen Abstraktion zu sein, die mit der bildlosen Schrift, noch mehr durch die »schwarze Kunst« des Buchdrucks einsetzte. Aber die Sym bolik des Buchstabens gönnt der nachfchafsenden Phantasie des Lesers weit größere Freiheit als das aufdringliche Bild. Je mehr der Genießer einer Dichtung angeregt wird, mitzudichten, desto höher steigt deren Kunslwert. Am meisten Berührung hat das »Kino« sicherlich mit der dramatischen Kunst. Aber da der Film stumm ist, so fehlt ihm ein wesentliches seelisches Moment des Ausdrucks. Er muß es ersetzen durch unkünstlerischcs Haschen nach sichtbaren Effekten, 783'
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