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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.07.1913
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- 1913-07-02
- Erscheinungsdatum
- 02.07.1913
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^ 150, 2. Juli 1913. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 6911 (Fortsetzung zu Seite 6882.) scherze, Jungfer, Jungfrauschaft, Juuggeselle, Liebe, Liebesbriefe, Liebesgeschichten und wie sie sonst heißen. Die Freude unserer Alt vorderen am Derben hat daneben eine stattliche Literatur, ja eine gewisse Philosophie der Hahnreischaft gestellt. Daß unsere akademische Jugend von jeher eine mehr oder weniger gesunde Lust am Grobsinn- ltchen an den Tag gelegt hat, ist bekannt. Wer denkt nicht des alten Verses: Wer von Leipzig kommt unbeweibt, Von Halle mit gesundem Leib, Von Jena ungeschlagen, Der kann von Glück noch sagen. Und so sind auch der Bücher, die diese drei Universitätsstädte zur erotischen Literatur beisteuern, eine stattliche Zahl. Daß die Hafenstadt Hamburg eine solche Masse gezeitigt hat, ist nicht weiter verwunderlich, eher schon, daß ausgerechnet ein ordent licher Professor der Rechte an der pietistischen Universität Halle im 18. Jahrhundert, namens Heisler, wenn auch unter dem Schutze der Anonymität, ein Spezialist für die heikelsten Fragen geschlechtlicher Beziehungen gewesen ist. Namen wie Lady Hamilton, Jakob II. von England, Katharina II. von Rußland, die Gräfin Lichtenau alirw Rietz geborene Enke, die Päpstin Johanna, die französischen Könige Ludwig XIV. und XV. u. a. ziehen natürlich eine Flut von Schmäh schriften, aber auch Verteidigungsschriften hinter sich her. Alle Welt kennt La Fontaine als den anmutigen und natürlichen Erzähler der Fabeln, wenige nur als den glänzenden Plauderer der graziösen, höchst leichtfertigen Contes. Wie plump wirkt neben ihm die schwülstige Lüsternheit seiner deutschen Zeitgenossen Lohen stein und Hoffmannswaldau! Choderlos de La-Clos' »Liaisons ckLoZereuses« bedeuten den Höhepunkt frivoler französischer Erzähler kunst' hier ist die Liebe nicht mehr die Triebfeder, hier gestaltet nicht mehr die Freude am Sinnlichen, sondern die raffinierte Lust am psychologischen Experiment, nicht das Verführen allein ist Zweck, sondern das Verderben. Den Roman, der 1782 erschien und den rapiden Niedergang der französischen Gesellschaft schonungslos auf deckte, finden wir schon 1783 in deutscher Übersetzung. Welcher Gegen satz zu Heinfes kräftig sinnlicher Leidenschaft im Ardinghello, der kurz darauf herauskam! Überhaupt sollte man in Heinse weniger den schlüpfrigen Erzähler, als den prophetischen Anreger suchen,' seine Ge danken und Bemerkungen über bildende Kunst, über Musik sind von der neueren Kunstentwicklung in überraschender Weise bestätigt worden. So begegnen wir manchem Namen von gutem literarischen Klang in dieser etwas gemischten Gesellschaft. Des Magisters Laukhards Schriften, eine kulturhistorische und sittengeschichtliche Quelle ersten Ranges, vornehmlich zur Geschichte der Universitäten Halle, Gießen, Jena und Göttingen, nehmen einen breiten Raum ein. Vor achtzig Jahren noch waren seine Erinnerungen, die ein wildbewcgtes abenteuerliches Leben schildern, ein vielgelesenes Buch, dann aber waren sie so gut wie verschollen; sie durch Neudruck wieder zum Leben zu erwecken, war wirklich ein verdienstliches Unternehmen. Zu der viel umstrittenen Frage der Liebhaberausgaben erotischer Literatur, die fast durchweg Privatdrucke sind, werden ein sehr lesens werter Artikel aus der Frankfurter Zeitung vom 4. November 1997, sowie drei interessante Entgegnungen ungekürzt wiedergegeben, die dem Kulturgeschichtsschreiber des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts einst wertvoll sein werden. Daß endlich auch Luther, der über Liebe und Ehestand manch kernig Wörtlein zu sagen wußte, nicht fehlen darf, ist selbstverständlich. Die geplante Einteilung der Schriften unter Luther (S. 314) ist wohl nur durch ein Versehen des Setzers weggeblieben. Der Pamphlete gegen ihn ist eine Unzahl, die wichtigsten sind angeführt, das vom »fünfften Affengelisten I). Martin Ludert« ist noch längst nicht das ärgste. Im übrigen dürfen wir bei der Betrachtung solcher und anderer »erotischen« und »kuriosen« Bücher nie vergessen, daß das gesamte deutsche Leben des 16. und 17. Jahrhunderts einer tiefen kulturellen Depression unterworfen war, daß eine fortschreitende Ent sittlichung alle Stände ohne Ausnahme erfaßt hatte, daß also die oft hahnebüchenen Derbheiten dieser Literatur keineswegs nur den Lebens und Gedankenkreis der Skribenten, die fast durchweg ihre Bildung auf deutschen Universitäten gefunden hatten, spiegeln. Noch ein paar Worte zu dem Kapitel Leipzig. Hier fällt dem, der die Verhältnisse nicht näher kennt, die Unmasse der Pasquill literatur in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts auf; sie ging hervor aus der eigentümlichen Verbindung des Buch handels mit der Universität. Der Buchhandel suchte und fand unter den unbemittelten Studenten willkommene, nicht teure Arbeitskräfte und Autoren. Was Wunder, daß verbummelte Studenten, die das Leipziger Leben, besonders in seinen Tiefen, gründlich studiert hatten, ihre Kenntnisse, oft mit wenig Witz, aber mit desto größerem Behagen, in allerhand Elaboraten niederlcgten; Verleger fanden sich immer, denn war das Geschäft auch gefährlich, so brachte cs doch einen guten Batzen Geld, und die Spekulation auf gewisse niedere Instinkte des lieben Publikums kannten ebenso die Schmäh schriftenschreiberder alten Griechen, der römische Schuster zur Renaissance zeit Pasqnino,der dem ganzen ehrenwerten Handwerk seinen Namen gab, wie die Libellanten des 18. Jahrhunderts. Eine der harmlosesten Arten von Pasquillen war die Form der damals beliebten Gespräche. 1756 mar im Kurfürstentum Sachsen noch einmal eine Kleiderordnung erlassen worden, der letzte ohnmächtige Versuch, dem Kleiderluxus zu steuern und die- heimische Industrie zu schützen; aus ländischer Kattun und Zitz sollten binnen zwei Jahren ganz abgeschafft sein. Ebenso erschien ein Mandat über den über triebenen Trauerluxus. Diese Verordnungen beklagen vor allem die Dienstboten, sie sollten nur inländische Wolle und Leinen tragen, keine »Fischbein- und Steiffröck«; ihren be weglichen Klagen begegnen wir in den Gesprächen zweier Leipziger Jungmägde, zweier Leipziger Ammen, Köchinnen usw. (Bd. IV. S. 104). Nicht minder beliebt war die Form der Briefe, doch wurde gerade mit ihnen arger Schwindel getrieben; man suchte das Publikum zu ködern, indem man den Namen Leipzig auf dem Titel mit anbrachte, indes von Leipzig im Buche selbst gar nicht oder so gut wie nicht die Rede war. So ist es bei den »Briefen eines reisenden Handlungs bedienten über Leipzig, Hamburg und Lübeck an seinen Bruder in Sachsen« (IV. S. 101). Auch die »Galanterien von Leipzig« (S. 103) sind ohne jede Lokalfarbe. Bei einem veränderten Titel wären auch die Klatschbasen einer anderen Stadt auf den Leim gegangen. Eine klassische Form hatten solche Pasquille in Leipzig schon hundert Jahre früher in Christian Reuters Romanen und Schwänken von der Frau Schlampampe, der Besitzerin des Gast hauses zum roten Löwen auf dem Brühl, gefunden (S. 123 ff ). Praschens »Vertraute Briefe über den politischen und moralischen Zustand von Leipzig«, London, bey Dodsley und Co., geben zu einer anderen Bemerkung Anlaß. In einem Briefe an Nicolai (Hamburg, den 30. Oktober 1769) klagt Lessing Über den Nachdruck seiner Dramaturgie, der in London bei eben dieser Firma erschienen war; er vermutet hinter dem Decknamen — übrigens dem einer wirklich bestehenden angesehenen Londoner Buchhandlung — ein Konsortium von Buchhändlern, ja er nennt in seiner Verbitterung Namen wie den des bekannten Leipziger Buchhändlers Reich. In Leipzig aller dings war der Nachdrucker zu suchen; es war der Handlungsdiener der Dyckschen Buchhandlung Engelhardt Benjamin Schwickert, der 1768 den Londoner Namen mißbraucht und den Nachdruck unter dieser Firma, wie auch einen solchen des Göttinger Musenalmanachs heraus gebracht hatte. Erst nach langen Untersuchungen der Bücherkommission gelang es, den Schuldigen zu ermitteln. Einige fehlende Schriften, wie Goldfitz Suseka (d. h. Caseus), eine Schmähschrift auf den reichen Herrn Kees von einem Leipziger Natsbeamten (!), die hübsche Studentengeographie n. a., lassen sich in späteren Auflagen nachtragen. Von dem berüchtigten »Leipzig im Taumel« kennen die Herausgeber kein Exemplar der Originalausgabe tu öffentlichen Bibliotheken. Ich kann allein in Leipzig zwei, in der Stadtbibliothek und der Universitätsbibliothek, Nachweisen. Ein offen bares Versehen sei richtiggestellt: Das Bd. III S. 374 im Titel an geführte Bruchstück aus Hans Jägers Syk Kjaerlihet (Kranke Liebe), übersetzt und eingeleitet von vr. Gustav Morgenstern, ist gar nicht er schienen. Im übrigen zeugen wieder beide Bände von gründlichster, ge wissenhaftester bibliographischer Forscherarbeit, in denen nur zu blättern dem Freunde und Kenner der Kultur- und Sittengeschichte eine Freude ist, denn Anregung erfährt er fast ans jeder Seite, wenn er tote Titel nur richtig zu lesen weiß. Im. Wöchentliche Ueberstcht über geschäftliche Einrichtungen und Veränderungen. Zusammengestellt von der Redaktion des Adreßbuchs des Deutschen Buchhandels. 23.-28. Juni 1913. Vorhergehende Liste siehe 1913, Nr. 144, S. 6695.' * —In das Adreßbuch neu aufgenommene Firma. — B. — Börsenblatt. — H. — Hanbelsgerichtliche Eintragung (mit Angabe des Erscheinungs- tags der zur Bekanntmachung benutzten Zeitung). — Dir. — Direkte Mitteilung. Baumert L Rouge, Großenhain, ging an Frau verw. Nonge über. (H. 23./VI. 1913.) *Beyer L Schmeißer, Köln, Ludwigstr. 1. Buch- und Zeitungsh. Inhaber: Arno Beyer und Georg Schmeißer. Leipziger Komm.: Koehler. fB.
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