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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.07.1913
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- 1913-07-12
- Erscheinungsdatum
- 12.07.1913
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- Deutsch
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Dieser Standpunkt in Verbindung mit den Bedenken vor zu weitgehenden Eingriffen in die Freiheit von Literatur und Kunst wird auch die Widersprüche in dem Nescrat erklärlich erscheinen lassen, da mau ihnen überall da begegnen wird, wo die Liebe zum Berufe sich am Kampsc ums Recht beteiligt und »Riß!» or evranx, my cauntrv!« zum Glaubenssatz erhoben wird. Red. Der Kampf gegen die Pornographie hat bereits seine eigene Geschichte, die viele interessante, lehrreiche und zugleich erhebende Einzelheiten bietet. An dem Feldzuge gegen diesen Feind der Menschheit beteiligen sich neben den Kultur staaten auch sämtliche Schichten der Gesellschaft. Der Zweck des Kampfes und auch dessen Waffen mögen, unbeachtet der Ver schiedenheit der Kämpfer, Wohl überall die gleichen gewesen sein. Wer sich die Mühe nahm, den Gang dieser Bestrebungen zu ver folgen, der mußte gewiß zwei erhebende Momente wahrnchmen. Es ist dies in erster Reihe die Tatsache, daß in dieser Angelegen heit der Gesamtheit: Sprache, Nationalität, Rasse der Teil nehmer aufhörten, als Scheidewände zwischen diesen zu bestehen. Staat, Gesellschaft und Individuen stimmen darin überein, daß jede Art der Pornographie, die sich in ihrer rücksichtslosen Eigen nützigkeit nicht scheut, die Jugend dem Verderben zuzusühren, der Menschheit Wege des Lasters offen zu halten und tausendjährige Ideale zu zerstören, unter Anwendung strengster Maßregeln zu verfolgen sei. In zweiter Reihe blieb es ein Gewinn, wahrzu nehmen, daß die Unterdrückung der pornographischen Literatur nicht zugleich die Einschränkung der Freiheit des Gedankens be deuten mutz. Die Pornographie selbst und alles, was wir darunter zu verstehen haben, bietet uns keinen ncuersiandenen Begriff. In den Museen und Bibliotheken, wohin wir blicken und was wir lesen mögen, alles bezeugt unverkennbar, daß die Sittlichkeit un serer Vorgänger nicht im mindesten reiner, einwandfreier war, als es unsere ist. Es ist zweifellos eines der schwersten Probleme, festzu stellen, was man eigentlich unter Pornographie, unter Erotik zu verstehen hat. In seiner über das Prehrecht verfaßten Arbeit führt Farre- guettes, Richter des französischen Kassationshofes, an, daß irgend jemand die zotigen Ausdrücke, Gedanken und Worte aus Shakespeares Werken zusammenstellte. Aufeinanderfolgend in dieser Gruppierung gelesen, wirken sie ungemein abstoßend, wo sie doch einzeln, jedes an seinem Platze untergebracht, sich harmonisch ins Ganze einstigen. Diese wenigen Sätze bezeugen es Wohl am treffendsten, wie schwer es ist, das Wesen der Pornographie zu bestimmen. Dar über, wann eine Abbildung oder eine Schrift als unzüchtig er klärt werden soll, sprechen sich auch die Gesetzbücher nicht aus, und es bleibt, sehr richtig, dei jeweiligen Erwägung des Rich ters überlasse», dies festzustellen. Die Versuche, eine literarische Bestimmung dieses Begriffs festzustellen, blieben fruchtlos, und ebenso erwies es sich als unpraktisch, absolut und relativ un züchtige Schriften zu unterscheiden. Äußerst interessant und lehrreich ist das Gutachten, das die Leipziger juristische Fakultät über zwei literarische Werke äbgab. Es wurde nämlich die Frage aufgeworfen, ob das De- kameron des Boccaccio und »Der Chevalier Faublas« von Louvet de Couvray im Sinne der deutschen Gesetze als unzüchtig zu bezeichnen sind. Auf Grund der Ausführungen des berühmten deutschen Rechtsgelehrten Binding entschied die Fakultät, daß jede Schrift als unzüchtig zu erkennen ist, deren wesentlicher Zweck darin besteht, sträfliche Handlungen obiger Natur, Funk tionen des sexuellen Lebens zu veröffentlichen, oder wenn sie geeignet ist, zu unzüchtigen Handlungen unmittelbar oder mittelbar, offen oder verhüllt anzuregen. Auf Grund dieser Auf fassung wurde das Werk Louvets für unzüchtig, das Boccaccios dagegen für nicht unzüchtig erklärt. Die richtige Auffassung der Franzosen in dieser Sache spiegelt sich in dem Urteile des Pariser Gerichtshofes Wider, mit dem dieser Flaubert, den Verfasser des berühmten Romans »Lla- clamo Lovarz-«, freisprach. »Es kann nicht festgestellt werden«, heißt es darin, »daß dieses Werk, wie es bei so vielen anderen der Fall ist, nur deshalb geschaffen wurde, um der Sinnlichkeit, der Liederlichkeit, den Ausschweifungen Vorschub zu leisten«. Sehr interessant ist ferner der Standpunkt der englischen Richter, laut dem unter Sitte nicht bloß die höheren Gebote religiöser und philosophischer Ethik zu verstehen sind, sondern auch das, was wir im allgemeinen als »anständig«, als »de zent« zu bezeichnen Pflegen. Was nach tausendjähriger, von Generation zu Generation erfolgter Überlieferung nicht hinaus auf die Straße, an die Öffentlichkeit gehört, sondern im Ver borgenen zu geschehen hat, das ist — falls es öffentlich geschieht — nicht bloß unschicklich, sondern ungebührlich und zugleich un sittlich. Und hiermit wurde eine zweite Regel gewonnen, laut welcher als Unsittlichkeit all das zu bezeichnen ist, was die all gemeine Anständigkeit verletzt. Die französische Gesetzgebung wurde sicherlich vou der gleichen Denkweise geleitet, alz der Justizminister seinen Behörden mittels einer Zirkularverordnnng kundgab, daß unter dem Aus druck »vbsosns« nicht im allgemeinen der Verstoß gegen die Litt- lichkeit zu verstehen ist, sondern das direkte Aufreizen zur Aus schweifung. Er wandte demnach absichtlich den Ausdruck »obsoöno« an, anstatt »sittlichkeitswidrig«, da letzteres auch auf Delikte gegen die Religion sich bezieht. Was immer auch das Wesen der Pornographie sein mag, soviel ist gewiß, daß der eigentlichen Pornographie keinesfalls eine literarische Bedeutung zugestanden werden kann und daß sie mit Literatur gar nichts gemein hat, ebensowenig wie die Photographie der Nacktheit — selbst wenn sie die Überschrift »Akt-Studie« trägt — ein Kunstwerk genannt werden kann. Doch gibt es in Kunst und Literatur soviel Nacktes, daß die Unter scheidung des Pornographischen vom Nichtpornographischen un möglich ist. Aber eben die sich in den Deckmantel der Literatur hüllende Pornographie ist die gefahrbringendste, da es gegen sie keinen Schutz gibt und aus Rücksicht auf Literatur, Preßfreiheit, Entwicklung und Kultur auch nicht geben kann. Wer würde cs 83«
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