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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.08.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1913-08-23
- Erscheinungsdatum
- 23.08.1913
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- Deutsch
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^ 195, 23. August 1913. Redaktioneller Teil. ÄörskNblatl f. b. DVchn. Tuchhandel. 8391 (zorftetzung zu Seite 8350.! Gekürzte Ausgaben. Eine Entgegnung auf den Artikel des Herrn Justizrat Fuld »Gekürzte Ausgaben und unlauterer Wettbewerb« in Nr. 172 des Börsenblatts. Von Rechtsanwalt I)r. Solon-Berlin. Die Ausführungen Fulds beruhen auf dem Satze, das; jede Ankündigung einer Ausgabe, in der nicht unzweideutig auf den unvollständigen bzw. gekürzten Charakter aufmerksam gemacht werde, die Ankündigung einer vollständigen Ausgabe bilde. Die ser Satz entbehrt nicht nur des Beweises; er ist unrichtig und läßt sich sogar widerlegen. Mit ihm entfällt der Vorwurf, der durch die Ausführungen Fulds einer unverhältnismäßig großen An zahl von Verlegern gemacht wird. Versuchen wir zunächst, uns in die Seele des »Publikums« zu versetzen, dessen Begriffe, wie Fuld mit Recht darlegt, für die Anwendung der fraglichen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlautern Wettbewerb maßgebend sind. Erwartet das Publikum wirklich, wenn eine Goethe-Ausgabe, eine Schiller-Ausgabe an- gekündigt wird, »eine nahezu vollständige Wiedergabe der Werke der Meister«? Soweit das Publikum wegen der Quantität der Goethe-Ausgabe sich überhaupt Gedanken macht oder Erwar tungen hegt, ist es gewohnt, sich nicht nach der Bezeichnung als »Ausgabe« zu richten. Dient doch dieses Wort vielfach anderen Zwecken, die mit dem Umfange nichts zu tun haben; man denke an Quart-Ausgabe, Jubiläums-Ausgabe, Volks-Ausgabe u. a. m. Das Publikum sieht vielmehr auf den Verlag oder den Heraus geber oder darauf, ob ihm »Goethes sämtliche Werke«, Goethes Werke« oder »Goethes ausgewählte Werke« vorgelegt werden, und befindet sich damit, wie ein Blick lehrt, in der guten Gesell schaft von Volckmars Katalog. Allenfalls ist dem Publikum noch der Begriff der »gesammelten Werke« geläufig, mit dem es aber auch keinesfalls die Vollständigkeit der Produktion verbindet. Es hieße aber auch die Urteilsfähigkeit des bücherkaufenden, womöglich noch vom Sortimenter beratenen Publikums bedeu tend unterschätzen, wenn man annehmen wollte, es erwarte in »Goethes Werken«, in drei Bänden, die gesamte Produktion des Dichters einschließlich seiner naturwissenschaftlichen Arbeiten zu finden; ja, es wünscht zweifellos gar nicht, wenn es nicht ausdrücklich die sämtlichen Werke oder eine ganz vollständige Ausgabe verlangt, die unge- sicbte, für den Gebrauch der großen Menge allzu starke Gesamt- Produttion zu erwerben. Was das Publikum regelmäßig haben will, ist vielmehr eine Zusammenstellung der Schöpfungen, in der die Arbeit des Verlegers oder Herausgebers durch die Anordnung des Stoffes und durch Fortlassungen ihm den Ge brauch und den Genuß und nicht zuletzt die Anschaffung der »Werke« seines Dichters erleichtert. überhaupt geht Fuld an der Tätigkeit des Verlegers allzu schnell vorüber und würdigt seine Arbeit, die in einem nicht immer leicht zu findenden Ausgleich der Interessen des Publi kums, der Wünsche des Schriftstellers und seiner eigenen idealen und kaufmännischen Ziele besteht, nicht genügend. Derartige Be denken stehen auch dem von Fuld angezogenen Oberlandes- gerichts-Urteil oder vielmehr der zur Grundlage des Urteils ge machten »Ansicht des Gerichts« entgegen. Wenn auf dem Buche steht: »Nach der T.schen Übersetzung herausgegcbcn von A. B.«, so wird m. E. jeder Bücherkäufer doch ausdrücklich darauf auf merksam gemacht, daß er nicht die Original-Übersetzung in die Hand bekommt, und ihm somit nahe genug gelegt, sich über die Vollständigkeit der Ausgabe, sofern er hierauf Gewicht legt, zu er kundigen. Was ist denn überhaupt »vollständig« und was »gekürzt«? Ist eine Goethe-Ausgabe schon darum unvollständig, weil sie nicht alle Urtexte bringt? Mutz sie all das mehr oder weniger literarische Material enthalten, das die emsige Goethe-Forschung im Lause der Zeit zutage gefördert hat? Welche Vorwürfe will Herr Justizrat Fuld gegen den Cottaschen Verlag erheben, wenn dieser, sicherlich nicht ohne guten Grund, in der Jubiläums-Ausgabe von Goethes »sämtlichen Werken« die Bühnenbearbeitung des Götz nicht bringt, von der Farbenlehre den Polemischen Teil ganz fortläßt, vom didaktischen Teile nur die fünfte und sechste Abteilung und vom historischen Teile nur das Wesentliche abdruckt? Sind doch auch die Schriften zur Kunst (Winckelmann, Propyläen, Hackcrt) und die Schriften zur Na turwissenschaft in der Jubiläumsausgabe nur gekürzt wiederge geben. Wo existiert ferner eine Ausgabe von Shakespeares »sämt lichen Werken«, welche des Dichters Sonette und seine Epen (Venus und Adonis, Lucretia) enthielten! Um auch mo derne Schriftsteller zu nennen: in Gerhart Hauptmanns »gesam melten Werken« wird man das »Promethidenlos«, in Schnitzlers gesammelten Werken den »Reigen« vergeblich suchen. Im übrigen darf behauptet werden, daß die Schriften von Autoren, die einfach als »Werke« herausgegeben werden, immer unvoll ständig sind, siehe Cervantes, Wieland, Tieck, Gutzkow e tutti quanti. Wie nun, wenn der Dichter selbst seine »gesammelten Werke« herausgtbt und dabei dieses und jenes Kapitel eines Ro mans — gleichviel ob infolge der Kritik oder aus anderen Grün den — fortzulassen beliebt? In diesem Zusammenhänge sei auch darauf hingewiescn, daß selbst nach dem Verlagsgesetz in einer Gesamtausgabe nicht notwendig alle Werke desselben Verfas sers vereinigt zu sein brauchen (Allfeld K 2 Anm. 11). Man denke auch an den häufigen Fall, daß ein Roman in einer Zeitung oder Zeitschrift in Fortsetzungen erscheint; wie oft werden Streichungen hier ein technisches Gebot sein! Nie wird es dem Zeitschriftenberleger einfallen, den Leser auf die Vornahme der Kürzungen besonders hinzuweisen. Keinem Zweifel kann es unterliegen, daß der lebende Autor selbst in jedem Falle die rechtliche Herrschaft über sein Geistes erzeugnis auch durch Fortlassungen in späteren Ausgaben oder Auflagen ausüben kann. Daher ist es jedenfalls durch nichts ge rechtfertigt, wenn Fuld seine Theorien über die Ausgaben der Klassiker kurzerhand auf die Werke lebender Autoren überträgt. Der Schriftsteller, der sein Werk unter dem von ihm gewählten Titel selbst in die Welt hinausschickt, über nimmt damit seinem Verleger und dem Publikum gegen über die schriftstellerische und rechtliche Verantwortung. Allerdings wird es auch hier, wenngleich weit zu ziehende Grenzen geben, über die der Verlag und der Autor nicht hinausgehen dürfen. Selten wird jedoch der Verleger, der, dem Wunsche seines Autors Rechnung tragend, das Werk bei Neu auflagen oder unter ähnlichen Umständen mit Änderungen, ins besondere Kürzungen, erscheinen läßt, etwas anderes als seine verlegerische Pflicht tun. Jedem, der sich ein wenig mit der »Psychologie des Schassen den« befaßt, wird bekannt sein, daß die spätere Durcharbeitung eines Werkes der erzählenden Literatur in der Hauptsache zu Kürzungen führt. Gerade auch mit Rücksicht hierauf darf die Behauptung Fulds nicht unwidersprochen bleiben, daß bei der rechtlichen Beurteilung einer gekürzten Ausgabe von dem Ge sichtspunkte des unlauteren Wettbewerbes aus das quantita tive Moment vor dem qualitativen zu berücksichtigen sei. Fuld sagt, daß die Ausgabe vollständig oder nahezu voll ständig sein müsse, aber nicht gekürzt sein dürfe. Ist nicht auch eine nahezu vollständige Ausgabe gekürzt? Gewiß ist das Buch eine Ware im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wett bewerb, aber mit der Elle läßt diese Ware sich nicht messen. Auch das Publikum, das die Werke eines Klassikers kauft, legt diesen Maßstab nicht an. Es ergibt sich ja die oben er wähnte und z. B. bei Volckmar durchgeführte Einteilung in »sämtliche Werke«, »Werke«, »ausgewählte Werke« aus der Natur der Sache, je nachdem der Wunsch des Konsumenten ist, alles oder alles Wesentliche oder nur das Bedeutendste zu erwerben. Un leugbar ist es ein Handeln gegen die guten Sitten, ja Schlimmeres, wenn »ungekürzte Ausgaben«, »sämtliche Werke« augczeigt, aber nur stark gekürzte Texte geboten werden. Der Bogen wird aber überspannt, wenn man diesem Vergehen ausnahmslos den ganz anders liegenden Fall gleichsetzt, daß der Verleger die Kür zung nicht ausdrücklich hervorhebt. Der Büchermarkt kennt eben nicht nur zwei Arten: vollständige und gekürzte Ausgaben, son dern mindestens die erwähnten drei Arten, deren Unterscheidung nicht nur dem Buchhandel, sondern auch dem Publikum von Ju gend auf geläufig ist; und es kann daher dem Verleger, der über die Vollständigkeit des Werkes sich nicht auslätzt.
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