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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.10.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-10-29
- Erscheinungsdatum
- 29.10.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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11454 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 252, 29. Oktober 1913. das Land kennt, weiß von den Papierverbrennungsöfen: In China steht man keine beschriebenen Papiere und Zeitungsfetzen auf den Straßen herumliegen. Kein Volk kann seine Schrift so ehren wie der Chinese. Was muß er also, aus seinen Kultur anschauungen heraus, von einem Volke halten, das seine na tionale Schrift aufgtbt. Dem Chinesen gilt die Fraktur als deutsch-nationale Schrift. Man verstehe Wohl, daß ich in meinen Ausführungen die Auffassung der Chinesen darstellen will. In der Frage, ob der deutsche Sprachunterricht an chinesischen Re gierungsschulen gefördert, eingeschränkt oder aufgehoben wird, sind schließlich nur die Ansichten der Chinesen ausschlaggebend. Uns ist die Verwechslung der Begriffe Sprache und Schrift eine Torheit. Wir wissen natürlich sehr wohl, daß der innere Wert unserer Kultur von dem Schriftsystem unabhängig, daß dieses eine Äußerlichkeit ist. Der Chinese aber muß zu einem ganz anderen Schlüsse kommen. Ich möchte jetzt zur Erläuterung obiger Ausführungen einige persönliche Erlebnisse bringen: Während der sechs Jahre, die ich in der Stadt Wutschang tätig war, habe ich im ganzen wohl mehrere hundert Male die Fahrt über den Jangtse nach dem gegenüberliegenden Vertragshafen Hankau gemacht. Auf der Fähre pflegte ich meine deutsche Zeitung zu lesen, wobei mich die chinesischen Fahrgäste umstanden. Wenn ich nun meine Schang hais Zeitung vor mir hatte, die in Antiqua gedruckt ist, so waren sich die Leute bald im klaren. Jeder Chinese kennt einige Zei chen der lateinischen Druckschrift dem Aussehen nach, allein von den zahllosen Plakaten an der Stadtmauer: kiuir pills kor pals psopls, Lirs-tk oi^arsttss u. dgl. Also die Leute wußten sogleich Bescheid. Es hieß »HuA-rvsn pao, eine englische Zeitung«, und ich passierte als Engländer. War zufällig der Titel sichtbar, der das Blatt in chinesischen Charakteren als »Deutsche Zeitung« kennzeichnet«, so hörte ich Aussprüche wie: »Eine deutsche Zei tung in englischer Schrift (Sprache)«. — »Ja, die englische Schrift (Sprache) ist doch tunss-MNA (allgemein gültig). Alle Länder wenden sie an. So wie sich die Japaner unserer chinesi schen Schrift bedienen.« Hatte ich aber einmal meine Berliner Zeitung bei mir, so war das Bild ganz anders. Die Leute schüttelten die Köpfe und sahen sich fragend an. Endlich schickte ein älterer Herr seinenSohn, einen Schüler der Mittelschule, zu mir mit den Worten: »Du hast ja Sprachen gelernt. Sieh doch einmal nach, was der fremde Herr dort liest.« Der Knabe mußte gestehen, daß er sich nicht auskenne, und nun war für mich die Gelegenheit gekommen, eine kleine Kulturmission zu erfüllen. Ich sagte den Leuten, das sei eine deutsche Zeitung, und wir Deutschen besäßen eine eigene Schrift für uns. In welchem Falle, glaubt man wohl, hat vor diesen ungebildeten und gebildeten Chi nesen unser Land und unsere Kultur besser bestanden? — Bei meinem Eintritt in die Hochschule einer anderen Provinz wurde an mich von dem der Sprachen unkundigen Direktor der dringende Wunsch gerichtet, ich möchte die Schüler vor allem mit der deutschen Schrift bekannt machen. Vordem, so sagte mir der Direktor, habe man für den deutschen Sprachunterricht einen ame rikanischen Lehrer gehabt, dieser habe zwar das Deutsche sprechen können, sich aber beim Schreiben stets der englischen Schrift be dient. Da man nun wisse (oder erfahren habe), daß zum Deut schen eine besondere Schrift gehöre, habe man den Lehrer ent lassen. Denn die Schüler sollten die Sprache nicht nur sprechen lernen, sondern auch fähig werden, die fremde Literatur zu lesen, die ihnen ohne Kenntnis der Schrift doch verschlossen sei. — Der Leser wird den Gedankengang jetzt Wohl verstehen. Ich persönlich muß sagen, daß ich immer stolz war, vor meiner Klasse auf die eigene Schrift der deutschen Sprache Hin weisen und diesen Hinweis durch die aus Deutschland beschaff ten Lesebücher, Gesetzbücher, militärischen Dienstvorschriften und vor allem durch die heimischen Zeitungen belegen zu können. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß dieser Hinweis meinen Schü lern die Freude am Lernen verstärkte*), ja in ihren Augen gleichsam der deutschen Sprache erst die Berechtigung ver *) Die »Pariser Zeitung« vom 8. Juli 1911 veröffentlichte als Er gebnis einer Rundfrage unter vielen ähnlichen Urteilen auch die nach lieh, neben dem Englischen auf dem Lehrplan zu erscheinen. — In der großen chinesischen Militärschule, an der ich lange Jahre tätig war, rechnete die japanische Sprache, die neben der deutschen und der englischen gelehrt wurde, nicht für voll. Die Schüler der japanischen Sprachklassen galten als benachteiligt. Die Soldaten pflegten zu sagen: »Das Japanische rechnen wir nicht. Es ist ja sehr leicht. Aber es gibt uns nicht den Schlüssel zu einer selbständigen Kultur. Ihr modernes Wissen haben die Japaner aus Europa. Für ihre Sprache selbst haben sie unsere chinesische Schrift übernommen. Sie haben nicht einmal eine eigene Schrift!« Tatsächlich gilt die japanische Sprache heute nur noch wenig in China. Sie wurde zuletzt nur noch an den Militär schulen gelehrt. Für die Zivilschulen kommt heute — wir wollen von den zurzeit herrschenden ungeordneten Zuständen absehen, in denen der regelrechte Schulbetrieb fehlt — neben dem Englischen allein noch das Deutsche als Lehrfach in Betracht. Da sollten wir den Chinesen freiwillig von uns denselben Begriff beibringen, den sie jetzt von Japan haben, und unter Niederlegung unseres Erkennungsschildes in den Schatten des englischen Kulturkreises treten? Ich weiß Wohl, daß ich mich mit meinem Standpunkte im Gegensatz zu vielen deutschen Landsleuten in Ostasien, sogar zu einigen Kollegen befinde, welchen der Gebrauch der Antiqua als ein Zeichen des Fortschritts gilt. Sogar an mancher deutschen Lehranstalt in Ostasien — soviel ich weiß, z. B. an der Deutschen Medizinschule in Schanghai — ist der ausschließliche Gebrauch der Antiqua Bestimmung. Der Grund ist, daß die deutschen Kauf mannskreise in Ostasien, die in höchst anerkennenswerter Weise zur Unterhaltung dieser wichtigen Anstalten beitragen und mit dem Aufsichtsrecht auch einen gewissen Einfluß auf den Lehr plan ausüben, der chinesischen Schrift und Sprache unkundig sind. Oben geschilderte Erfahrungen und Erwägungen konnten ihnen kaum beikommen. Billigerweise kann man solche Kennt nisse von unseren Kaufmannskreisen auch nicht verlangen. Daß sie den betreffenden deutschen Lehrern und Schulleitern fast durch weg fehlen, ist schon bedenklicher. In den letzten Jahren hat indes die Erkenntnis, daß es bedenklich ist, die nationale Flagge unse rer Schrift niederzuholen, die Führer des Auslandsdeutschtums mehr und mehr beunruhigt. Schon 1912 konnte der »Schriftbund stehenden einer Französin und eines Engländers über den Verlust der Anziehungskraft der deutschen Sprache durch Lateindruck: »ä'ai sts trss surpriss ä'apprsuäre qus l'sxistsucs äs l'seriturs Zotbiqus statt msuacss; si estts scriturs äisparsissait, zs Is rs- Zrsttsraw bsaucoup. Uns osuvrs littsrairs ails- manäs psrärait pour mal quslqus cboss äs 8ou orZiualits st par lä äs sou cbarms ä strs scrits sn carnets r es latiu 8. ü'scriturs xotlüqus S8t plus slsgauts, slls pcmstzäs un cacbst arti8tiqus qus n'a pL8 l'seriturs latlns äans sa clarts unlkorms. ftuant ä la älkkicults qus psut prsssntsr pour Is8 l'rau- sai8 l'stuäs ä'uns scriturs ätkksrsnts äs la lsur, slls sst 8i mi ni in s sn compsraison äs l'stkort qu'il kaut kairs pour s'approprier uns lanAus stranZdrs qu'il S8t inutils ä'sn parier. !Vk. lls OOII^lüülü, Institutrics, 1raneai8s. 8t. Lrisuc.« »Zuerst erkläre ich mich als fester Freund der deutschen Schrift: tatsächlich empfinde ich eine starke Abneigung gegen das Lesen des in lateinischer Schrift gedruckten bzw. geschriebenen Deutschen. Beim Lesen eines auf diese Weise gedruckten Werkes scheint es mir nämlich, daß etwas da ran fehlt, dessen Bestehen unbedingt nötig i st, um mein Interesse zu erregen und zu erhalten. In solchen Fällen kommt mir der Lesestoff vor wie etwas ganz anderes als Deutsch; das gleiche gilt für das Schriftliche. Wirklich war es gerade die schöne deutsche Schrift, welche zuerst meine Aufmerksamkeit auf die deutsche Sprache selbst lenkte, und der Wunsch, diese Schrift benutzen zu können und mich ihrer zu bemächtigen, hatte zur Folge, daß ich nach und nach mit der Sprache auch vertraut wurde. Außerordentlich bedauernswert wäre es, wenn man diese schöne Schrift aus der deutschen gedruckten und geschriebenen Sprache ver bannen ließe, und so hoffe ich tnnigst, daß dies niemals völlig er folgen wird. A g. P. Banham (Engländer), Kaufmann, Cambridge.«
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