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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1913
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- 1913-12-02
- Erscheinungsdatum
- 02.12.1913
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Redaktioneller Teil. Pik 279, 2. Dezember 1913. Die Rückwirkung eines Gesetzes ist eine überaus seltene Er scheinung. Findet sie daher nach besonderer Bestimmung einmal statt, so wird doch im Zweifelfall über ihren Umfang gegen sie zu entscheiden sein. Nun bestimmt der K 57 des Bundesgesetzes, daß alle landesrechtlichen Bestimmungen über literarische Ur heberrechte »von demselben Tage ab«, d. h. vom I. Januar 1871 ab, außer Kraft treten. Daraus folgt e contrario, daß sie bis zu diesem Tage Geltung behalten sollten; daß alle Ereignisse, die vor diesem Tage sich zutrugeu, nach den bisherigen Gesetzen beurteilt werden sollten. Die Ausnahme des Z 58 sollte — dem ganzen Sinne des neuen Gesetzes entsprechend — den Urhebern nicht eine Ver schlechterung, sondern eine Verbesserung ihrer Rechtslage brin gen; das beweist ihr oben angegebener Wortlaut. Einer der Kommentatoren des Gesetzes sagt in einer Anmerkung zu A 58 mit Recht: »Die Wirkungen des Gesetzes vom 11. Juni 1870 bestehen darin, daß der noch laufende kürzere Schutz verlängert, der nach früherem Recht bereits verlorene Schutz wieder hergestellt und neuer Schutz für bisher schutzlose Werke gewährt wird.« Und mit dieser Auslegung stehen auch die Motive des Gesetzes im Einklang, wenn sie ausführen: »Es ist nicht zu verkennen, daß einzelne Werke hierdurch auch eine Verkürzung der bisherigen Schutzfrist erfahren kön nen <z. B. Übersetzungen); allein dieser Umstand mußte vor der wünschenswerten Gleichmäßigkeit der Schutzfrist zurücktreten.« Diese Stelle der Motive führt der Beschluß des Strafsenats des Oberlandesgerichts Dresden für seine abweichende Meinung an. Zu Unrecht: denn sie beweist, daß der Verfasser des Gesetzes äußerstenfalls eine Verkürzung einer Schutzfrist für einzelne Werke als unerwünschte Folgeerscheinung mit in Kauf nehmen wollte; er dachte also gar nicht daran, daß das Gesetz die Wirkung haben könnte, einen bestehenden Schutz einfach zu beseitigen. Mit Recht sprechen die Motive auch nur von der Möglichkeit einer Verkürzung der Schutz fristen. Daß ein zum Schutz gei stigen Eigentunis erlassenes Gesetz die Schutzfristen und den In halt des Schutzrechts ändert, und diese Änderungen auch für frü her entstandenes geistiges Eigentum gelten läßt, ist verständlich; unverständlich aber ist die Annahme, daß auch in die Voraus setzungen, unter denen ein Schutz bereits erworben ist, durch ein später erlassenes Gesetz eingegriffen werden kann. Wie es an erkannten Rechts ist, daß für die Form eines Rechtsgeschäfts nur die Gesetze maßgebend sind, die zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts gelten, so können auch die Voraussetzungen des Entstehens eines Rechtsschutzes nur nach den derzeit geltenden Ge setzen bestimmt werden. Man denke sich, daß ein neues Patent- gcsetz die Voraussetzungen der Verleihung eines Patents ab änderte; so würde es doch niemals bestimmen können, daß früher verliehene Patente nur dann ihre Gültigkeit behalten sollten, wenn sie den neu bestimmten Voraussetzungen entsprächen; das würde ein barer Unsinn und, schlimmer als das, ein schreien des Unrecht sein, denn es käme einer Enteignung gleich. Nicht an ders aber liegt der Fall hier. Dies ist auch im gegnerischen Lager nicht verkannt worden; man hat daher den Nachweis zu erbringen versucht, daß diese unerwünschte Wirkung des Gesetzes nur geringfügig gewesen sei, nur in einzelnen deutschen Staaten habe vor dem 1. Januar 1871 die Möglichkeit bestanden, anonym oder Pseudonym erschienenen Werken den vollen Urheberrechtsschutz zu verschaffen. Dieser Nachweis ist aber nicht zu erbringen; denn abgesehen davon, daß der volle Urheberrechtsschutz nach den Gesetzen mehrerer Bundes staaten, insbesondere des größten derselben, Preußens, nachträg lich erworben werden konnte, geht diese gegnerische Ansicht auch von einer falschen Auslegung des Rechts des Deutschen Bundes aus. Der Bundesbeschlutz vom 19. Juni 1845 bestimmte: »Werke anonymer oder pseudonymer Autoren... genießen solches Schutzes während 30 Jahren, von dem Jahre ihres Er scheinens ab.« Diese Sonderbestimmung fand also keine Anwendung mehr, sobald der Autor nicht mehr anonym oder Pseudonym war, gleichgültig, auf welchem Wege dies Ziel erreicht wurde. Diese Schlußfolgerung ist auch im wesentlichen in dem 1857 erschie nenen umfassendsten Werke über das Urheberrecht von Oscar Waechter vertreten. Und hier zeigt sich die zweite unmögliche Konsequenz der gegnerischen Anschauung, sie führt dazu, daß auch die Frage, ob ein Werk anonym oder Pseudonym sei, stets nach dem Gesetze von 1870 zu entscheiden sei, d. h. jedes Werk soll nur die verkürzte Schutzfrist genießen, auf dem nicht der wahre Name des Urhebers aus dem Titelblatte oder unter der Zueignung oder unter der Vorrede angegeben sei. Daß dies dem damals geltenden Bundes recht widerspricht, ist bereits dargelegt; wie ungeheuerlich aber diese Ansicht ist, ergibt ein Blick auf das sächsische Recht. Das sächsische Gesetz vom 22. Februar 1844 behandelte gemäß K 3 Werke als orthonym, »wenn der Verfasser nachzuweisen ist«; es bedurfte keiner weiteren Förmlichkeiten. Nun denke man an die vielen Aufsätze, die Gustav Freytag als Herausgeber der damals in Leipzig, also im Geltungsbereich dieses Gesetzes, er scheinenden »Grenzooten« veröffentlicht hat, ohne seinen Namen hinzuzusctzen. Alle diese Aufsätze waren bis zum 1. Januar 1871 nicht anonym, sie sollen aber an diesem Tage anonym ge worden sein. Der Name des Verfassers verschwand, soweit Recht und Gesetz in Frage standen, in dem Nebel der Vergessenheit. Glaubt man wirklich, daß damals ein Gericht erklärt haben würde: Wir wissen zwar — wie jeder gebildete Mensch —, daß diese Aus sätze von Gustav Freytag herrllhren; sie genießen aber nur den Schutz eines anonymen Schriftwerks? Die gegnerische Ansicht stützt sich endlich aus den Bericht der Bundestags-Kommission: »Wen» der Urheber eines zuerst anonym erschienenen Werkes aus dem Titelblatt einer später erschienenen Ausgabe sich nennt, so darf er allerdings die längere Schutzfrist des Z 8 beanspruchen, aber er muß dann auch die Formalität erfüllen, durch welche sein Heraustreten aus der Anonymität der Buchhändlerwelt erst er kennbar wird. Ein Verleger kann die vielen lausend Schriften, die jährlich in Deutschland erscheinen, unmöglich im Kopf haben. Es kann also leicht geschehen, daß er die anonyme Ausgabe kennt, dagegen von der zweiten, an einem anderen Orte erschie nenen benannten Ausgabe niemals etwas erfährt und so in gutem Glauben das seiner Meinung nach freigewordene anonyme Werk neu verlegt.« Diese Stelle des Kommissionsberichts betrifft zunächst nicht die bereits damals orthonym gewordenen, sondern nur die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erscheinenden Werke. Sodann aber ist es anerkanntes Recht, daß die Materialien des Gesetzes zwar unter Umständen zu seiner Auslegung mit herangezogen werden können, daß sie aber unbeachtlich sind, wenn das Gesetz selbst unzweideutig ist. Endlich aber kann die Ansicht einzelner Parlamentarier dann nicht als maßgebend angesehen werden, wenn sie so offensichtlich falsch ist, wie die in dieser Stelle aus gesprochene. Es ist ein für den Sachverständigen unsinniger Ge danke, daß ein Buchhändler zwar die vor länger als 30 Jahren erschienene anonyme Ausgabe kennen soll, nicht aber die später mit dem Namen des Verfassers hcrausgegcbene. Wenn aber Männer wie Rudeck, Jaeobsthal usw. sich auf diese Stelle des Kommissionsberichts berufen, so können sie eines Heitcrkcitsersolges gewiß sein. Ihrem Spüreifer ist cs gelungen, festzustellen, daß die Erzählungen Wilhelm Raabes, deren erste Buchausgaben den wahren Namen des Verfassers tragen, schon vorher Pseudonym in Zeitschriften, wie dem »Bazar«, »Wcster- manns Monatsheften« usw. erschienen sind. Ist also die erste Veröffentlichung, wie diese Herren wollen, für den Urheberrechts schutz maßgebend, so genügt es nicht einmal, daß der Verleger sich davon überzeugt, daß die erste Ausgabe mit dem wahren Na men des Verfassers versehen ist, sie müssen auch noch die sämtlichen Zeitschriften und Zeitungen daraufhin durchsetzen, ob nicht eine anonyme oder Pseudonyme Ausgabe vorher darin veröffentlicht ist. Es ist also das gerade Gegenteil von dem erreicht, was der Kommissionsbcricht erstrebt hat; die größte Rechtsunsicherheit ist an die Stelle der bis 1871 bestehenden Rechtssicherheit getreten. Noch heute müßte der Verleger, der ein älteres, seiner Ansicht nach noch geschütztes Werk in Verlag nehmen will, zunächst ein gehende Zeitungs- und Zeitschriftenstudien betreiben, die aller dings nie so erschöpfend sein können, um ihn völlig stcherzustellcn. lKortseftunq aus Seite 13247 i
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