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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.06.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-06-26
- Erscheinungsdatum
- 26.06.1907
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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6474 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil pV 146, 26. Juni ISO?. Börsenverein gemeinsam einen wichtigen Schritt zur Ver besserung der Lage des Sortiments unternommen hat. Etwaigen sezessionslustigen Sortimentern kann man versucht sein, das alte Märchen des Menenius Agrippa aufzutischen. Wenn es auch im ersten Augenblick etwas altbacken erscheinen würde, so hat es doch noch genug geistigen Nährwert. Der Verfasser verliert sich bei der Betrachtung dieses Problems in Spekulationen, die verraten, daß seine An schauung vom Buchhandel nicht überall ausreicht, ihm die Vorgänge verständlich zu machen. Er scheidet die Verleger in zwei Kategorien. Zunächst solche mit kapitalistischem Großbetrieb, der sich genötigt sehen könnte, auf den Vertrieb durch das Sortiment zu verzichten. »Es ist denkbar«, heißt es, »daß die Barsortimente, diese buchhändlerischen Waren häuser, vielleicht auch einige Spezialsortimente, vor allem aber die Reisebuchhandlungen so ausschlaggebend werden für den Absatz dieser Verleger, daß sie die Lieferung an das Universalsortiment entweder ganz zu inhibieren vermögen, oder aber Differentialrabatte erzwingen, die einer solchen Inhibierung im Effekt gleichkommen«. Hier wirft der Verfasser ganz heterogene Dinge zu sammen: die Barsortimente sind ja keine Bazare, in die der Konsument geht, sie sind vielmehr ganz fast auf das Universal sortiment angewiesen; es sind Lagerhäuser, Stapelplätze, Faktoreien, Einkaufsstellen für Zwischenhändler; die Reise buchhandlungen dagegen bearbeiten das Publikum nur mit einzelnen, besonders lohnenden Objekten, die sie mit Vorliebe selbst Herstellen. Ist das Objekt abgenutzt, so gehen sie zu einem neuen über; es sind die Nomaden des Buchhandels, von denen es heißt: Der Nomade lieh die Triften Wüste liegen, wo er strich. Der Rcisebuchhandel hat es anscheinend den Herren Gelehrten überhaupt etwas angetan: er imponiert ihnen durch seine Kraftäußerung und die großen Dimensionen, etwa so wie der Elephant als Arbeiter. Es hat aber seine Gründe, weshalb der Elephant nicht allgemein als Arbeiter verwendet werden kann. Es ist richtig, daß der Reisebuch handel allerlei erzielen kann, was der Universalsortimenter nicht erreicht. Man muß ihn aber dann, wie den Elephanten, recht gut füttern, und wie groß sein Appetit ist, sieht ja Herr Koppel auch aus den Rabattsätzen. Wird er aber nicht gut gefüttert, so gibt er auch keine Kraft her. Ein Gebiet, das der Reisebuchhandel »systematisch« bearbeitet hat, pflegt für das jeweilig vertriebene Werk dann längere Zeit steril zu sein; auch eignet sich nur ein sehr geringer Prozentsatz der Bücherproduktion für diese Vertriebsweise. Daß zu dem diese Technik des Vertriebs ihre besonder» Blüten treibt, die Herr Koppel als eine »öffentliche Gefahr« ansieht, mag noch erwähnt sein. Nein, der Reisebuchhandel wird den Unioersalsortimenter nie entbehrlich machen, so wenig wie eine große Überschwemmung im Frühjahr den Regen im Hochsommer entbehrlich machen wird. Den auf Massenabsatz zugeschnittenen Großbetrieben stellt der Verfasser dann die individualisierend arbeitenden wissenschaftlichen und belletristischen Verleger entgegen, die auf das Vorhandensein eines leistungsfähigen Sortiments angewiesen sind. »So stehen sich die Interessen dieser beiden Verlegerkategorien ziemlich schroff gegenüber.« Wahrlich nicht schroffer, meinen wir, als die der Schneider, nämlich der auf Massenproduktion eingerichteten Konfektionshäuser und der »individualisierend« arbeitenden Gewerbetreibenden, die zu den Anzügen Maß nehmen. Auch bei den Sortimentern sei »natürlich« dieselbe Trennung durchzuführen: die des Spczialsortiments streite mit den Interessen des Universal buchhändlers. Nicht anders, erwidern wir, als die Inter essen des Chirurgen mit denen des Hausarztes streiten: beide Mediziner sind darum noch lange keine Todfeinde. Man sehe also, fährt schließlich Herr Koppel fort, auf der einen Seite Verleger, die anscheinend interessiert seien an dem Fortbestand des Kartells, anderseits Sortimenter, die von seiner Zwangspolitik direkten Schaden haben und trotzdem in jedem entscheidenden Fall geschlossenes Zusammen gehen, niemals den ernstlichen Versuch einer Sprengung oder auch nur Sezession. Mit dieser für alle Außenstehenden auffallenden Tat sache haben sich verschiedene Gelehrte befaßt; der Verfasser bespricht erst den Erklärungsversuch Liefmanns, den er verwirft (das Sortiment solle abhängig und schwach erhalten werden, der Bildung von kapitalistischen Großbetrieben ent gegengewirkt werden). Dagegen nimmt er die Meinung Petermanns an, welcher äußert, daß der Verlag mit einem Sortimenterproletariat weniger leicht auskomme; es müsse ihm an Erhaltung eines über das ganze Land verbreiteten leistungsfähigen Sortimenterstandes mehr liegen, als an dessen Proletarisierung oder Konzentration auf wenige Punkte. Worauf es ankommt, das hat Herr Koppel am Schluffe seines Aufsatzes sehr hübsch auseinandergesetzt: »Es handelt sich nicht, wie bei den andern Kartellen, um eine, sondern um viele mögliche Vertriebsweisen, und es handelt sich nicht wie bei Kohle und Eisen um ein höchstens qualitativ verschiedenes Produkt oder um verschiedene Stadien eines und desselben Produktionsprozesses, sondern um essentiell ganz ver schiedene Erzeugnisse, die lediglich das eine Gemeinsame haben, daß sie Bücher sind. Von dieser einen Eigenschaft abgesehen, sind sich die einzelnen Bücher nicht nur als geistige Erzeugnisse sondern auch als Ware oft gänzlich wesensfremd, und es muß gefragt werden, ob jene eine produktions- oder handelstechnische Eigenschaft genügt, um lediglich auf sie eine Kartellpolitik auf zubauen. Ich glaube, daß hier der Quellpunkt aller Schwierig keiten zu suchen ist.» Das ist ganz richtig, und was daraus folgt, ist leicht einzusehen. Bücher sind Konserven des Geistes, auf Flaschen gezogene Vorlesungen und einander so wesensfremd wie Flüssigkeiten aller Art, vom Quecksilber an bis zur flüssigen Lust. Wer mit all dem handeln will, was man in Flaschen aufbewahrt, muß eine sehr ausgedehnte Warenkenntnis haben, und da nicht nur Wasser, Wein, Himbeersaft, Essig und Öl dazu gehören, sondern auch Benzin, Äther, Schwefelsäure, Chloroform, so setzt man füglich verständige Menschen in solchen Handlungen voraus, die von den Eigenschaften ihrer Ware eine deutliche Vorstellung und eingehende Kenntnis haben. Sonst kann leicht Unglück geschehen. Da nun aber Öl stets Öl bleibt, Essig stets Essig, so ist ein solcher Flüssigkeitenhandel ein Kinderspiel gegen den mit geistigen !Destillaten, mit den liquiden Stoffen menschlicher Gehirne. Da heißt es denn doch noch ganz anders probieren und studieren, als Bruder Kellermeister es beim Weine pflegt. Man stelle sich nur vor, daß jährlich über 25 000 solcher Fluida vorgelegt werden! Das alles auch nur zu kosten, reicht die leistungsfähigste Zunge nicht aus. Daher muß hier differenziert und spezialisiert werden; denn der Universalsortimenter, der täglich von hundert neuen Büchern Notiz nehmen kann, ist eine Fiktion. Einen Sortimenter, der alle deutschen Büchern eines Jahres kennen lernt, gibt es so wenig, wie es z. B einen Chemiker gibt, dem alle Tatsachen der heutigen Chemie bekannt sind. Hiervon rührt — zum Teil — die starke Vermehrung der Sorti menter her, — diese müssen sich in die für den einzelnen nicht mehr zu bewältigende Aufgabe teilen. Zum andern Teil kommt aber die Vermehrung nicht nur von dem Bevölkerungs zuwachs, sondern auch von dem ungeheuer gesteigerten Lese bedürfnis — durch die Vermehrung der Schulen! Elementar-, Bürger-, Fortbildungs-, Realschulen, Gymnasien vermehren
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