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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.08.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-08-14
- Erscheinungsdatum
- 14.08.1907
- Sprache
- Deutsch
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7942 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Sprechsaal. 188, 14. August 1907. in der Hoffnung, an Ort und Stelle Material zu sammeln, um der -vielbeschäftigten- Kriminalpolizei damit vielleicht dienen zu können. Der Schrankenwärter auf dem Kleinbahnhof konnte dem Fragenden sofort Bescheid geben, wo der Herr Graf sein Domizil aufgcschlagen hatte. Im Wirtshaus angelangt, erfuhr er auf seine Frage, daß der Herr Graf seit dem 1. d. M. nicht mehr in Dedensen wohne, sondern nach Hannover zu seiner -Frau Ge mahlin- übergesiedelt zu sein scheine. Die äußerst mitteilsamen Wirtsleute schienen den Unterzeichneten für einen Kriminal beamten zu halten, dem sie alles nur Erdenkliche beichten müßten. Leider wurde dieser stillen Freude des Unterzeichneten nach zwei stündiger Unterhaltung ein unliebes Ende bereitet, indem sich an den Tisch ein Herr setzte, der den Unterzeichneten nicht mit Namen, sondern mit der Firmenbezeichnung begrüßte. Den unbekannten Herrn hätten in dem Augenblick beide Teile wer weiß wohin gewünscht! Was der Unterzeichnete in diesen zwei Stunden alles gehört hat, wäre wert, für eine der zahlreichen »Kollektionen von Detektiv- und Kriminalgeschichten- bearbeitet zu werden. Nur das Buchhändlerische soll erwähnt werden: Anfang Juli sind dem Herrn Grafen große Büchersendungen (lObändige Werke) von Leipziger Verlagsbuchhandlungen, später von Berliner Sortiments- und Verlagshandlungen und einer Königsberger Sortimentshandlung zugesandt worden. Nach Empfang hat der Graf, mitunter nicht einmal ausgepackt, die Pakete verreisender Weise (natürlich nur II. Klasse!) weggeschleppt, ist bald wieder zurückgekehrt und der sonst das ganze Dorf anborgendc Graf hat für einige Tage wieder Geldmittel gehabt, mit denen er zunächst dem beherbergenden Gastwirt kleinere Abzahlungen machte. Mit Beginn der zweiten Hälfte des Juli hat er die stadthannoverschen Firmen mit seiner Kund schaft beehrt. Der Wirt konnte genau die Daten angeben, wann die Pakete angekommen waren, — sein vorzüglich geführtes Kontobuch zeigte das verauslagte Porto und Abtragegeld genau notiert. Leider waren die Absender nicht mehr zu ermitteln; wohl wurden Leipziger Firmen so ungefähr genannt, konnten aber nicht recht ermittelt werden trotz redlichen Nachhelfens des Unterzeichneten. Die Königsberger Firma soll schon fünfmal gemahnt haben! Den Berliner Firmen diene zur Nachricht, daß der Herr Graf Kurfürstendamm ebenfalls eine Wohnung haben soll, von wo aus recht zahlreiche Korrespondenz nach Dedensen gelangt ist. Allen Beteiligten zur Nachricht, daß der Herr Graf vollständig mittellos ist. Bei der Verhaftung konnte er nicht einmal den Dienstmann und eine kleine Pfennig-Zeche be zahlen. Hannover, den 12. August 1907. Der Vorstand des Ortsvereins der Buchhändler in Hannover-Linden. I. A.: G. Knothe. Die Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung und »ein Blick in das Buchhändler-Schaufenster«. In Nr. 15 (vom 1. August 1907) der -Volksbildung-, des Organs der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, finde ich einen Artikel: -Ein Blick in das Buchhändlerfenster-, der aus der -Sozial-Korrespondenz- abgedruckt sein soll. In diesem Ar tikel wird das Buchhändlerfenster geschildert als diejenige Stelle, von der unser Geistesleben vergiftet werde, von der im allgemeinen Literatur über Mord und Totschlag, über kszwbopatbia esxualie, über die geschlechtlichen Beziehungen rc. verbreitet werde und mit Vorliebe unter der Jugend. Um einen Satz wörtlich aus dem Artikel zu zitieren: -Man gewinnt den Eindruck, als habe in vielen Buch- händlcrfenstern jede Schmutzwelle des Lebens der Gegen wart und jede aus ihm hochsteigende giftige Sumpsblase einen starken Niederschlag zurückgelaffen. Würde man die geistige und seelische Eigenart unseres Volkes nach diesen Buchhändler-Schaufenstern schätzen, so müßte man zu folgendem Urteil kommen: Die Deutschen sind nicht das »Volk der Dichter und Denker- und können es nach den hier ausliegenden Literaturerzeugnissen niemals gewesen sein. Sie sind ein Volk von wilden Cow-boys, von ver wegenen Verbrechern und noch verwegeneren Detektives, von Hals und Beine dransetzendcn Sportfexen und von Menschen, die mit allen sittlichen Perversitäten behaftet sind. »Dieses Urteil ist nicht etwa empörend einseitig, sondern es trifft genau die Wahrheit — wenn es, wie gesagt, allein nach den Auslagen vieler Buchhändlerfenster geschöpft werden soll. Das kann in jeder Großstadt an zahllosen Beispielen bewiesen werden.- Mit allem Ernste, mit aller Energie und mit allem Standes bewußtsein sei gegen diesen Artikel, gegen diese Auffassung in aller Öffentlichkeit Verwahrung eingelegt. Der Artikel enthält tarke Übertreibungen und ist jeden Beweis der Wahrheit schuldig geblieben. Ich weiß, ich spreche im Namen Tausender von Kollegen, wenn ich erkläre: unsre Schaufenster sind uns nicht nur ein Verkaufsmittel, sie sind uns eine Lieblingsstätte zur Pflege der Literatur und Kunst, sie sind uns eine ununterbrochene Quelle reudiger Arbeit, die in praktischer und ideeller Beziehung dazu dienen soll, die Schätze der Literatur und der Kunst zu ver treiben, niemals aber den niederen Leidenschaften zu dienen! Selbstredend sind wiederum die Fenster der Großstadt erwähnt. Nun denn, keine Straße der Reichshauptstadt hat so viele Buch handlungen wie die Potsdamer Straße, in der mein Geschäft gelegen ist. Ich bitte den Herrn Verfasser, unsre Fenster zu kon trollieren. Cr kann darin nur eine Pflege von Kunst und Wissen- chaft finden. Der Verfasser sagt im Eingang des Artikels, der Buchhändler hänge gewissermaßen seinen Charakter auf die Straße. Nun gut, zugegeben! In dieser Potsdamer Straße findet man — nach den Schaufenstern zu schließen — folgende »Charakterneigungen-: Vor nehme Belletristik — Illustrierte Werke — Seltene Einbände — Geschenkliteratur — Alpine Literatur — Preisermäßigte größere wissenschaftliche Werke. Auf andere Charakterneigungen läßt kein Fenster der an Buchhandlungen reichsten Straße der Weltstadt Berlin schließen. — Gibt es ein schlagenderes Beispiel? Der Buchhandel in seiner Allgemeinheit hat stets das Be streben gehabt, seine Fenster rein zu halten; daß hin und wieder vielleicht eine Ausnahme oorkommt — häufiger wohl bei Buch bindereien —, das gelte als Bestätigung der Regel. Solche vereinzelte Ausnahmen werden überall Vorkommen. Diese aber zu verallgemeinern, um alle Angehörigen einer großen Ge meinschaft zu schmähen, das muß so tief gehängt werden, wie cs diese Tat verdient. Aber die Angelegenheit hat noch eine andre Seite. — Warum druckt das Organ der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung diesen Artikel ab ohne jeden Kommentar, der den Inhalt widerlegen würde? Denn die starken Übertreibungen und Schmähungen mußten der Redaktion doch wohl klar sein! Warum denn sucht die Gesellschaft sich uns anzuschließen, also einer Gemeinschaft, die wirklich so niedrig handeln soll? Wäre es nicht Pflicht der Redaktion gewesen, diesen Artikel nicht nur nicht zu verbreiten, sondern ihm zu widersprechen? Die Auffassung, die ich hiervon habe, möchte ich ebenfalls an dieser richtigen Stelle klarlegen. Ich habe die Ansicht: es war der Redaktion angenehm, uns etwas am Zeuge zu flicken. Die Gesell schaft betreibt selbst den Buchhandel in einer Form, die dazu dienen muß, uns auf das schwerste zu schädigen, uns die schwerste Kon kurrenz zu machen. Dieser Artikel geht in Tausenden von Exem plaren an Bibliotheken, Magistrate und die gewohnheitsmäßigen Besteller unsrer Ware. Der Artikel muß uns überall mißliebig machen und läßt ganz unwillkürlich die Aktien des Büchervertriebs der Gesellschaft steigen. — Aus welchen Gründen soll der Artikel sonst abgedruckt sein? Vielleicht um den Buchhandel in bezug auf die Schaufenster zu bessern?- Ach nein! Der Buchhandel erhält ja diese Kapuziner-Predigt gar nicht zu lesen, sondern nur seine Besteller!!! Ich hielt es für meine Pflicht, meinem Unwillen hierüber öffentlich Ausdruck zu geben, und bin überzeugt, daß zahlreiche Kollegen diesen verstehen und teilen werden. Berlin 9. Edmund Kantorowicz i. Fa. Berliner West-Buchhandlung E. Kantorowicz.
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