Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1880
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1880-05-19
- Erscheinungsdatum
- 19.05.1880
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18800519
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188005195
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18800519
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1880
- Monat1880-05
- Tag1880-05-19
- Monat1880-05
- Jahr1880
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
trag verpflichtet sei, das Blatt einem an demselben berechtigten Dritten einzuhändigen und die Tradition bloß in der Absicht, dieser Pflicht zu genügen, vorgenommen habe; sie vergleichen die Handlungsweise der Angeklagten mit der eines Abonnenten eines Lesecabinets, der das eine Beleidigung enthaltende Blatt, nachdem er es gelesen, auf die Bitte eines andern Abonnenten diesem über gibt, und fügen hinzu: auch er kenne dann den strafbaren Inhalt und gebe denselben wissentlich einem Dritten zum Lesen, könne sich dadurch aber einer Beleidigung nicht schuldig machen, da er nicht berechtigt gewesen sei, dem dritten Mitberechtigten das Blatt vor zuenthalten, und nur, um seiner Verpflichtung zur Weitergabe Genüge zu leisten, dem Dritten die Druckschrift tradirt habe. Hieran schließt sich der Ausspruch: es sei nicht als tatsächlich festgestellt zu erachten, daß die Angeklagten Seine Majestät den Kaiser beleidigt hätten. Der Beschwerdeführer findet hierin einen Rechtsirrthum, in dem er annimmt, der Vorderrichter habe geglaubt, daß eine an und für sich strafbare Handlung straflos sei, wenn der Handelnde sich durch Vertrag zu dieser Handlung verpflichtet hatte, während Niemand einen Vertrag erfüllen dürfe, wenn sich demnächst ergebe, daß durch die Erfüllung ein Strafgesetz werde verletzt werden. Dieser Angriff auf das vorige Urtheil ist nicht begründet. Die ersten Richter gedenken des unter den Angeklagten bestehenden auf Umlauf der gemeinschaftlich bestellten Zeitungsblätter unter ihnen gerichteten Vertrags nicht, um daraus zu folgern, die Bestrafung wegen Beleidigung sei ausgeschlossen gewesen, weil zwar eine solche in der Tradition vom Einen zum Andern liege, aber trotzdem diese Tradition eine gültige und bindende Vertragspflicht gewesen sei. Vielmehr stellen sie den Act der Tradition als eine Handlung dar, die nicht objectiv als solche den Thatbestand der Beleidigung erfülle, sondern zu einer Beleidigung, und zwar zu einer erneuten selbständigen Beleidigung, im Gegensätze zu der in dem Verfassen und Drucken des Blatts liegenden, erst durch ihren Grund und Zweck werden könne, und verneinen, daß dieses subjective Erfor derniß des Thatbestandes hier vorhanden sei, weil Grund und Zweck der von den Angeklagten vorgenommenen Tradition lediglich der unter ihnen abgeschlossene Vertrag und dessen Erfüllung ge wesen sei. Sie vermissen also den zur Majestätsbeleidigung noth- wendigen strafbaren Vorsatz, und zwar indem sie als das that- sächliche Beweisergebniß aussprechen, daß die Angeklagten nicht diesen, sondern einen andern Vorsatz, den der Vertrags erfüllung, gehabt haben; die an sich nicht nothwendige Positive Feststellung dieses letztem Vorsatzes, die freilich nicht möglich ge wesen wäre, wenn nicht auch der Vertrag selbst erwiesen war, ist nicht Anderes als eine Ergänzung und Befestigung der nega tiven Feststellung, auf welche es hier ankam, daß ein Beleidigungs vorsatz nicht vorhanden gewesen sei. Zwar enthält das angefochtene Urtheil die vom Beschwerdeführer daraus citirte Bemerkung, es könne in der Tradition eines Zeitungsblattes eine Beleidigung liegen, wenn sie mit dem Bewußtsein geschehe, daß der Inhalt des Blattes beleidigend sei; hiermit haben sie aber nicht den vom Be schwerdeführer hineingelegten Sinn verbunden, daß jede Tradition mit diesem Bewußtsein schon das vollständige Vergehen enthalten, woraus allerdings folgen würde, daß zu einer solchen Tradition Niemand durch Vertrag verpflichtet sein könne; sondern sie haben nur eine Voraussetzung ausgesprochen, ohne welche das Vergehen jedenfalls nicht vorhanden sei, und fügen sofort hinzu, daß, auch wenn diese Voraussetzung zutreffe, der Thatbestand der Beleidigung dennoch nicht vorliege, wenn die Tradition nur in der Absicht ge schehen sei, einer Vertragspflicht nachzukommen. Ein Rechts irrthum liegt dieser Deduction nicht zu Grunde. Wer ein Zeitungs blatt beleidigenden ihm bekannten Inhalts weitergibt, hat deshalb allein den Inhalt nicht zu vertreten, denn in dem bloßen Weiter geben des Blattes liegt keine Wiedergabe des Inhalts als der Mei nung des Tradeuten, und nicht einmal ein für sich allein hinreichen der Beweis, daß der Tradent den Inhalt gutheiße oder die An sichten des Blattes theile, also, wenn diese Mängel nicht durch einen hinzukommenden und nachgewiesenen Beleidigungsvorsatz beseitigt werden, keine Beleidigung. Zur Anklage wegen Zuwiderhandelns gegen das Socialisten- gesetz erklären die vorigen Richter für nicht bewiesen, daß die An geklagten verbotene Druckschriften verbreitet hätten; sie hätten auf die Zeitungsblätter auf gemeinschaftliche Kosten abonnirt und dieselben unter sich circuliren lassen; das Gesetz verstehe unter „Verbreitung" diejenige Handlung, wodurch die verbotene Schrift unter das Publicum gebracht und ihr eine weitere Verbreitung verschafft werde, als im Falle des straflosen Abonnements; die Angeklagten wären in das Abonnement nur eingetreten, um sich die Kosten des Blatts zu verringern, und durch ihren Vertrag verpflichtet gewesen, das Blatt weiter zu geben; sie hätten es nur ihren Socii in der Lesegesellschaft, nicht fremden Personen ge geben; in einem einzelnen Fall habe zwar der eine Angeklagte eins der Exemplare einem befreundeten Dritten vertraulich überlassen, aber in Ermangelung weiterer thatsächlicher Beschuldigungs momente finde das Gericht hierin nur eine straflose vertrauliche Mittheilung. Daß eine Verbreitung nicht anzunehmen ist, wenn ein Ein zelner sich die verbotene Schrift für sich allein bestellt und liest, ergibt sich aus dem Wortsinn. Wie groß die Anzahl von Per sonen, denen die Schrift zugänglich gemacht wird, sein müsse, damit nach dem Wortsinn von einer Verbreitung die Rede sein könne, läßt sich nicht unbedingt für jeden Fall im voraus bestimmen; die Zahl der Angeklagten ist aber jedenfalls groß genug, um die An wendung des Ausdrucks zuzulassen. Ob derselbe auf die Hand lungsweise der Angeklagten aus andern, als dem bloßen Wortsinn entnommenen Gründen für zutreffend zu erachten sei, dafür kann die Analogie anderer Gesetze, in denen der Ausdruck vorkommt, nicht unmittelbar entscheidend sein; denn das Gesetz vom 21. October 1878 ist ein für ganz concrete Zwecke berechnetes, welches zunächst und vorzugsweise aus diesen seinen Zwecken interpretirt werden muß. Auch fehlt es bei dem tz. 19. dieses Gesetzes an demjenigen Grunde für die Auslegung der „Verbreitung" als einer Verbrei tung in das Publicum, welcher bei andern gesetzlichen Bestimmungen aus der Zusammenstellung der „Verbreitung" mit den Begriffen der „Oeffentlichtkeit", der „Menschenmenge", des „Publikums" entnommen werden kann. Um den socialistischen auf den Umsturz der bestehenden Staats oder Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen entgegen zuwirken, sollte vornehmlich auch die Mittheilung der diesen Be strebungen dienenden Lehren verhindert werden; zu diesem Zweck hat das Gesetz die Befugniß eingeführt, diejenigen Druckschriften zu verbieten, welche Lehren solcher Art enthalten; die Aufnahme der letztern in die Gedanken und die Ueberzeugung der Nation er schien als eine der Gefahren, denen vorgebeugt werden sollte. Um die Störung der öffentlichen Ordnung, die Verletzung der Rechte von Privatpersonen durch öffentliche Angriffe und Verunglimpfungen, und um die Definition des Ausdrucks „Presse", damit der Bereich des Preßgesetzes festgestellt werde, handelt es sich dabei nicht; auch aus diesem Grunde kann der Begriff der „Verbreitung" in den 88-85. 184.186. des Strafgesetzbuchs, ß. 3. des Reichspreßgesetzes über die Auslegung des Begriffs der Verbreitung im K. 19. des Socialistengesetzes nicht entscheiden. Wenn also die vorigen Richter die Angeklagten für nicht schuldig der Verbreitung verbotener Schriften halten, weil die letztern nicht in das Publicum, das heißt nicht in eine unbestimmte Menge von Menschen gebracht seien, sondern nur unter dem geschlossenen Kreise
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder