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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.06.1881
- Strukturtyp
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- Band
- 1881-06-27
- Erscheinungsdatum
- 27.06.1881
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- Deutsch
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145, 27. Juni. 2711 Nichtamtlicher Theil. Nichtamtlicher Theil. Russische Censur.*) L.8r. FedinkaNeougodoffistdasJdealeinesBeamten. Vierund zwanzig Jahre alt, besaß er bereits den Rang eines Collegien- secretärs und den Orden der heiligen Anna zweiter Classe. Seine Verwandten suchten seine Gunst, weil sie seinen Stern steigen sahen, und ein alter Oheim nannte ihn schon schlichtweg den Feld marschall. Eine höhere Würde gibt es in Rußland nicht. Fedinka besaß aber auch alle Requisite zu einer glänzenden Laufbahn. Er war in der Rechtsschule oder im Lyceum — hier läßt die Geschichte seinen Biographen im Stich — erzogen, hatte also die Anwart schaft aus die besten Posten im Reiche mit ins Leben genommen. Er lächelte freundlich, sprach bescheiden, arbeitete in Commissionen, am liebsten in solchen, in welchen auch Damen Zutritt hatten, verkehrte mit den Dandies der Residenz und in den Salons der Löwinnen von unbekannter Herkunft. Er hatte also die wirksamsten Protectionen für sich. Er besaß den heißesten Ehrgeiz, der ihn von Rang zu Rang, von Orden zu Orden trieb. Vor allem aber prädestinirte ihn seine unerschütterliche Gesinnung zu den höchsten Aemtern im Staate. Fedinka war mit Leib und Seele dem „neuen System" ergeben — wir machen seine Bekanntschaft im Anfang des Jahres 1879, also nach den Attentaten auf Trepoff, Mesenzeff u. s. w. Die St. Petersburger Gesellschaft war in steigender Erregung, jeder Monat hatte neue Verschwörungen, Angriffe, Gerichtsverhandlungen, Verurtheilungen gebracht. Das „neue System" war die Schaden freude, welche all'diese Vorkommnisse den Reformen Alexander's II. zur Last legte, das Drängen in immer schlimmere Reaction. Fedinka Neougodoff faßte das Programm dieses neuen Systems in zwei kurze Worte zusammen: „Den Riemen fester anziehen" und „entschiedene Maßregeln!" Schon damals erkannte er vor allem die böse Wirkung der Literatur. Wozu diese ewige Schilderung der Uebelstände, dieses Verweilen auf der Erde? Haben wir nicht auch einen Himmel? Dahin möge die Literatur die Geister erheben. Ihre Aufgabe ist, Frieden zu stiften, die Obrigkeit zu unterstützen, statt sie zu kritisiren; es soll ihr ja die Selbständigkeit nicht ganz benommen werden; eine gewisse Selbständigkeit, soweit diese der Obrigkeit behagt, möge ihr bleiben. Zwei Jahre sind seither vorübergegangen, und Fedinka Neougodoff ist freilich nicht Feldmarschall, aber er sitzt am Steuer des Staats. Die Ministerliste nennt ihn nicht; aber braucht man eben Minister zu sein, um die Richtung des Staats zu bestimmen? Auch unter den Reffortchefs finden wir seinen Namen nicht, und dennoch gibt er der russischen Staatsleitung von heute die Signatur. Wer ist Fedinka Neougodoff? Fedinka Neougodoff ist über haupt keine Person, kein einzelner Charakter, er ist ein Typus, eine Gattung, ein Element, das früher nur strebte, jetzt aber der Früchte feines Strebens in Erfüllung seines Programms sich freut: „Fester den Riemen schnallen," „entschiedene Maßregeln ergreifen." Unter dem Namen Neougodoff's hat der russische Satiriker Saltykoff diese *) Indem wir den vorstehenden, der „Allgemeinen Zeitung" vom 18. ds. entnommenen Artikel hier zum Abdruck bringen, hoffen wir, daß derselbe einen der Herren Collegen in den baltischen Provinzen Rußlands veranlassen werde, uns über den sür den deutschen Buch handel in den Ostseeprovinzen sowie sür den ganzen deutschen Verlags buchhandel wichtigen Gegenstand aufzuklären. Wir müssen an der Richtigkeit der Ausführungen des Herrn Correspondenten noch zweifeln; wären dieselben jedoch wirklich zutreffend, so würde wohl zu erwägen sein, ob man nicht den Versuch machen sollte, durch Vermittlung des „Auswärtigen Amtes" die Abstellung der äußerst rigorösen und schädigen den Maßregel zu erwirken. Es müßte dann der Vorstand des Börsen- veteinr die Sache in die Hand nehmen. D. Red. Species in elastischer Weise gekennzeichnet und gegeißelt, er hat ihr damit den Namen gegeben*). Wohl noch nie hat ein Staat so sehr der rettenden, positiven Männer bedurft, wie Rußland seit drei Monaten. Und statt ihrer stehen die Neougodoffs auf dem Plan. Nach Befreiung von der Beamtenwillkür, nach Selbstbestimmung, nach gesicherten Rechten verlangt dort Alles, und das System des „Fcsterschnallens" ist an die Spitze getreten. Groß gedachte und groß ausgeführte Reformen der Verfassung thun noth, und statt dessen werden „entschiedene Maßregeln" ergriffen. Ein Pröbchen solcher „entschiedenen Maßregeln" sei hier be leuchtet. Es wird sich aus unserer Prüfung desselben bald ergeben, daß es sich hier nicht um ein bloß auf Rußland beschränktes Inte resse handelt, daß vielmehr diese Art der Staatsrettung, oder wie es in dem Jargon jener Tschinowniks heißt, diese Art der Sattelung des Staats (Ossedlanije), eine der naivsten Rücksichtslosigkeiten gegen wichtige internationale Beziehungen ist. Zur Einleitung sei an Folgendes erinnert. Bekanntlich unter liegen alle aus dem Auslande nach Rußland gelangenden Preßer- zeugnisse, Bücher jeder Art, Zeitschriften, Zeitungen in Kreuzband, geschäftliche Drucksachen, selbst Preiscourante und Anzeigen, Photo graphien, Kupferstiche u. dgl. m., einer Prüfung durch sogenannte „Comitös der auswärtigen Censur", deren es in einigen größeren Städten, zusammen etwa fünfzehn bis zwanzig im ganzen Reiche gibt. Kein Buch, keine Kreuzbandsendung erreicht den Adressaten, ohne von einem dieser Comitbs geprüft und genehmigt zu sein. Für die ausländischen Blätter, die im Besitz des Postdebits in Rußland sind, bestehen weitere Censureinrichtungen bei den Postverwal tungen, welche die anrüchigen Stellen Herausschneiden oder schwärzen. Für die erste Kategorie der aus dem Auslande nach Rußland gelangenden Sendungen ist nun eine interessante Verfügung er lassen. Wir finden sie in einer Anzeige der officicllen „Livl. Gou- vernements-Ztg." und bemerken, daß es hierbei sich nicht um eine specielle Bestimmung für Livland, sondern um eine allgemeingültige „entschiedene Maßregel" zum „Festerschnallen" des ganzen Reiches handelt. Wir lesen am angeführten Orte wörtlich: „Das Riga'sche Comits der auswärtigen Censur bringt zu öffentlicher Kenntniß, daß Personen, welche aus demselben auf ihren Namen angelangte Päckchen mit Preßerzeugnissen zu em pfangen wünschen, sich dieserhalb schriftlich ans Comitö zu wenden und ihre Eingabe mit einer Steuermarke ü 60 Kop. zu versehen haben. Wünschen aber die Adressaten die Sendungen durch Andere empfangen zu lassen, so sind die betreffenden Vollmachten ebenfalls mit Stempelmarken ä 60 Kop. zu versehen. Außer diesen Kosten haben die Empfänger für die Ausreichung der Sendungen selbst gar keine Kosten zu tragen." Welch ein schöner beruhigender Schlußsatz: gar keine Kosten mehr als diese! Weiter nichts, als ein schriftliches Gesuch, das bischen Geld und das bischen Warten, bis alle Gesuche genehmigt und alle Stempelmarken geprüft sind! Das lohnt ja der Mühe der öffentlichen Aufmerksamkeit gar nicht, hat nur für die russische Geistespolizei, die Censur, den unschätzbaren Nutzen, daß sie dieDocu- mente in den Händen behält über die Adressaten erlaubter und un erlaubter Sendungen, von dem staatlichen Consum der Stempel marken nicht zu reden. Auch der weitere Zweck dieser „entschiedenen Maßregel" ist klar, die Beschränkung der Einfuhr von Preßerzeug- *) Ein rundes Jahr von M. E. Saltykoff. St. Petersburg 1880, Ssuworin (russisch). 380*
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