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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.01.1926
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- 1926-01-07
- Erscheinungsdatum
- 07.01.1926
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- Deutsch
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gehendes und zwei schlechtgehende Werke bereichert, der Verleger zahlt womöglich drauf und der Sortimenter hat wohl drei Werke, aber keinen besonderen Nutzen davon, da ihr Absatz durch ihren Preis beschränkt ist. Auch der Idealismus muß seine Grenzen haben, soll er wirken! Wenn ein schöngeistiger Verlag zu Weihnachten nicht weniger als 12 neue Romane größtenteils unbekannter Bcrsafser anzeigt, so mutet er dem Sortiment zu, in einer Zeit, wo der Käufer cs sich dreimal überlegt, sein gutes Geld für einen bekannteste», gang barsten Roman anzulegen, zum Überfluß auch noch 12 neue Ver fasser einzusühren. Von einem großen mitteldeutschen Verlage hörte ich durch den Mund des Reisevertreters, daß er 1925 nicht weniger als 136 Neuerscheinungen und Neuauflagen herausgebracht habe. Wie das arme Sortiment das Massenaufgebot verdauen soll, das wird auch dem Verlag sicher bald Kopfschmerzen bereiten. Eine ganze Reihe von Verlagen hat sich dem Gebiete des Reise- und Abenteuerwerkes zugewandt. Ob mit gutem oder schlechtem Erfolg, will ich dahingestellt sein lassen. Das eine kann ich jedoch feststellen, daß die Öffentlichkeit für Reisewerke im Preise von 10 bis 20 Mark bald nicht mehr aufnahmefähig sein wird, trotzdem gerade für diese Literaturgattung das größte Interesse besteht. Meines Erachtens ist eine Verbilligung solcher Bücher um 35 bis 40?? mit Leichtigkeit durchzusühren, wenn die Verleger cs über sich brächten, statt — sagen wir —drei oder vier Werken nur eins in entsprechend höherer Auslage herauszubringen. Ich maße mir nicht an, »Kriegerische -Unfähigkeit» nachzu weisen. Das wäre töricht schon angesichts der Tatsache, daß es sich durchweg um erfolgreiche Verleger handelt. Aber ich greise wohl nicht zu weit, wenn ich an Hand dieser allgemein aufzu fassenden Beispiele behaupte, daß der Verlag im ganzen noch nicht die Notwendigkeit eingesehen hat, sich gegenüber den gänzlich veränderten Friedensverhältnissen auf die Kaufkraft der Gegenwart umzu stellen, und zwar vollständig umzustellen. Nicht das Sortiment, sondern der Verlag trägt letzten Endes di« Verantwortung dafür, daß heute viele Hunderte von Sorti mentern mit ihren teuer eingekausten Vorräten rettungslos ein- gesrorcn sind und sich nur mit sehr erheblichen Substanzverlusten aus ihrer Lage besreien können. Der Verlag im allgemeinen gibt dauernd bekannt, daß seine Preise um 25 bis 30?L zu niedrig angesetzt sind und daß er nur mit Verlust arbeitet. Zu dieser Behauptung steht aber die unge heure Erzeugung in krassem Widerspruch, denn sie zeigt, daß der Verlag immer noch über bedeutende Geldmittel verfügt. Da Leih kapital kaum in Frage kommt, so müssen di« Gewinne, die der Verlag aus seinen bisherigen Werken zieht, immer noch sehr hoch sein, mit anderen Worten: die jetzigen Preise können nicht zu niedrig sein. Der sranzösische Verlag hat sich den Verhältnissen schnell und geschickt angepaßt. Die Billigkeit des französischen Buches rührt nicht, wie immer wieder glaubhaft zu machen versucht wird, aus dem (von der französischen Wirtschaft längst überwundcnenj Valutaverfall her, sondern ist die Folge der neuen kaufmännischen Einstellung des französischen Verlages, der sein Buch trotz er höhter Herstellungskosten heute viel billiger herstellt als vor dem Kriege. Er hat seine Erzeugung bedeutend eingeschränkt und druckt dafür viel höhere Auflagen. Mit dem Siegeszuge des französischen Buches und damit der französischen Kultur in der ganzen Welt hat Frankreich dem politischen Siege auch noch den kulturellen Sieg über das Deutschtum nachgeschickt. Was einmal verloren ist, ist sehr schwer wiedcrzuerobern. Wenn der deutsche Verlag nicht sofort darangeht, mit seiner bisherigen Wahnsinnspolitik aufzuhörcn, ist das früher so große überseeische Absatzfeld für immer verloren, damit auch der deutsche Kultur einfluß für immer ausgeschaltct. Di« fortschreitende Mechanisierung des ganzen Lebenszuschnitts geht durchaus nicht, wie immer angenommen wird, von Amerika aus. Sie ist die Auswirkung des neubeginnenden merkantilen Zeitabschnitts, der auf den vorhcrgegangencn fußt und sich aus ihnen ganz organisch entwickelt hat. Di« Buchgemeinschaften sind keine Einzelerscheinungen, sondern nur der Anfang eines ganzen § 22 Systems, das eine völlige Umwälzung des ganzen Buchhandels zur Folge haben wird und dessen Umrisse schon jetzt schemenhaft zu erkennen sind. Der Buchhandel muß sich fragen: wie rasch wird er sich diesem neuen Wirtschaftssystem anzupassen verstehen? Die Wirtschaftslage wird sich in den nächsten Jahren nicht bessern, sondern bedeutend verschlechtern. Zu den Zwangslastei, der Reparationen kommen jetzt die freiwilligen Lasten des Zinsen dienstes der zahllosen, größtenteils unproduktiv verankerten An leihen. Trotzdem kennt die Erzeugung des Verlags keine Grenzen. Je mehr er erzeugt, desto näher rückt die eigene Erstickungsgesahr. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Wo keine zahl- krästigen Kunden sind, da kann das Sortiment nichts absetzen. Da nützen weder Sondcrsenster noch Borträge. Warum macht der Verlag nicht einmal eine allgemeine Atempause? Wäre es denn wirklich unmöglich, daß der Verlegerverein, verbindlich sür alle seine Mitglieder, beschlösse, daß von Ostern 1926 bis Ostern 1927 außer Neuauslagen keine einzige Neuerscheinung herausgebracht werden dürse? Für den Buchhandel wäre das eine ungeheuer erleichternde »schöpferische Pause», der deutschen Geistes kultur ginge dabei nichts verloren, denn ausgeschoben ist ja nicht ausgehoben! Jedenfalls wären die Wirkungen einer solchen sür den gesamten Buchhandel außerordentlich gesundende. Übererzeugung verursacht hohe Preise, Beschränkung ermög licht wirksamere Werbung, höhere Auslagen und niedrigere Preise. Sehen wir uns nur einmal die Verzeichnisse großer Berlage an. Da stehen Hunderte von Titeln, über deren Daseinszweck sich der Leser keine Auskunft zu geben vermag. Das sind all die Sorgenkinder, die mit großen Hossnungen aus der Taufe gehoben wurden, denen -durchschlagender Erfolg-, »ungeheures Aussehen«, »umwälzende Wirkung«, »glänzendes Geschäft» vorausgesagt wur den und -die dann langsam, langsam eingeschlasen waren, nachdem von alledem nichts eingetrossen war. Diese unglückseligen Werke iverden nun jahrzehntelang in den Lagervcrzeichnifsen, Rundschrei ben und Anzeigen mitgoschleppt, werden dem armen Sortimenter ausgeredet, bei dem ske sich zu Ladenhütern entwickeln, oder ver stauben in den Kellern des Verlages. Warum räumt man mit diesem ungangbaren Zeug, das keinen Menschen interessiert, nicht ans, stampft cs ein oder stößt es billig ab? Statt dessen belastet man damit feine Kataloge und verdirbt dem Sortiment und dem Bücherfreund die Übersicht. Oder man hat von einem Verfasser ein gangbares Buch ver legt, sofort fühlt man sich durch den Erfolg gehoben und genötigt, auch ander« seiner Werke herauszubringen. Wer o weh, sie wollen und wollen nicht gehen, mag -der Bersafser noch so beliebt sein, sie sinken in der Öffentlichkeit keine Gegenliebe. Nach 10 öder 15 Jahren ist die erste Auslage glücklich mit Ach und Krach an den Mann gebracht. Aber statt nun den Buchhandel künstig mit diesem ungangbaren Buch zu verschonen und es nicht neu auf zulegen, nein, da sieht der Verlag es als Ehrenpslicht an, nun auch von diesem Buch, »dessen Erfolg er doch erzwungen hat», eine 2. Auslage anzeigen zu müssen. Oder der Ehrgeiz des Verfassers will, daß ja keins seiner Geisteskinder der Mitwelt vorenthalten werden darf. Kurz, es werden wieder 2000 oder 3000 Stück gedruckt, und der Jammer geht von neuem los! Verlcgerischer Großsucht oder Bersasserehrgeiz zuliebe muß sich das Sortiment nun wieder jahre lang dazu hergeben, lumpige 3000 Stück eines ungangbaren, viel leicht ganz unbedeutenden Buches mit aller Gewalt durchzudrücken und feine Kundschaft -damit zu verärgern. So geht es heute vielen Tausenden von Büchern, die durch aus nicht vom Markt verschwinden wollen. Welch ungeheure Energien werden mit solchem Spiel verbraucht! Wieviel Kraft wird -im Buchhandel unnötig verpufft! Welche ungeheure Sum men werden von Verlag und Sortiment zum Fenster hinausge- worsen! Dem Idealismus zuliebe? Das ist kein ideales Ziel, sich in anstrengender körperlicher und geistiger Arbeit aufzureiben, »m Gcisteserzeugniss-e mehr oder minder fraglichen Wertes mit mehr oder weniger rücksichtsvollen Mitteln an den Mann zu bringen! Dem Verlag also sei es gesagt: »In der Beschränkung zeigt sich der Meister!» Nur dann wird der Buchhandel die Buch- gemeinschasten von heute und morgen überwinden können.
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