Xr 294,18, Dezember 1926. Fertige Bücher. VSrsmblaltf. d. Dtschn. Buchhandel. 12928 von Hottfrleö Senn hH ^urch die Zeitungen gehen Bemerkungen, daß sich ein literarischer Skandal von seltener Spannung vorbereite. Ein Plagiatfall. Von deni so schnell berühmt gewordenen Roman: „Das verlorene Kind" der Frau Rahel Sanzara wird behauptet, daß die Verfasserin große Teile gar nicht ihr geistiges Eigentum nennen dürfe. Sie seien im einzelnen und im allgemeinen entlehnt, auch die Quelle wird angegeben: „die Jahreszahl der entlehnten Begebenheit des „Neuen Pitaval" hat Frau Sanzara wohlweiislich und bezeichnenderweise aus gemerzt, während sie es andererseits nicht für der Mühe; wert hielt, die vorkommenden Namen zu verändern." Also auch noch inkonsequent! Frau Sanzara, die, um es gleich zu sagen, mir persönlich und außerhalb ihres Romans völlig unbekannt ist, hat also n icht nur plagiiert, sondern es auch noch träge und tolpatschig getan und gleichzeitig noch herausfordernd, da sie es nicht für der Mühe wert hielt, die Namen zu verändern. Dies wird feFgestellt und behauptet von einer „Reihe bekannter literarischer Persönlichkeiten" — sonderbare Persönlichkeiten müssen das wohl sein, sonderbare Vorstellungen müssen sie beherrschen über Stoff und Dichtung, sonderbare Ge fühle, sonderbare Nerven müssen sw mitbringen für die Eindrücke, die sich ergeben aus dem Verhältnis von Material und Form! Denn es ist ja keine Frage der Gesinnung oder lies Rechts, die durch Vergleichen, Silben zählen, Interpunktionsmusterung, Namen- und Zahlen'kontrolbr sich beantworten ließe, sondern es ist eine Frage ganz ausschließlich des literarischen Urteil s, der affektiven Impression, der persönlichen Ueberwältigung, die das Buch ausübt oder nicht. Wer nur bis Zahlen und Namen kommt, dem wird die Gabe fehlen, sich überwältigen zu lassen selbst von diesem Buch, dessen Berückungsmacht ganz unvergleichlich ist in seiner Einheitlichkeit von Sprache und Gefühl, die keine Lücke läßt, in seiner Geschlossenheit persönlicher (Struktur, die etwas Fremdes zu dulden sich gar nicht in der Lage sieht. In der Tat, mir scheint, di,: Behauptung, in diesem' Such sei irgend etwas unverarbeitet liegen geblieben, quellenmäßig übernommen, entlehnt oder gestol flen, entspringt einem Mangel an Gaben. Es wäre genau so richtig und genau so sinnlos zu sagen, d as Auge habe das Protoplasma bestohlen oder die Träne die Elemente, weil sie Lhlornatrium enthält. Jeder Ursprung ist schließlich materieller Art, aber was den „Neuen Pitaval" angeht, so kommt er in diesem Buch schlecht weg: wo immer in ihm das Thematische sich nähert, wird es , au fgelöst in den konstruktiven Affekt, das Kasuistische des Vorgangs in die Ordnung eines transze nd>ent Notwendigen, wo immer man die 1712»