Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1926
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1926-12-02
- Erscheinungsdatum
- 02.12.1926
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19261202
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192612028
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19261202
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1926
- Monat1926-12
- Tag1926-12-02
- Monat1926-12
- Jahr1926
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
jji» 280, 2, Dezember 1920. Redaktioneller Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel Meine Damen und Herren! Dem allen ist aber noch eins sür meine Bitte übergeordnet. Wir sind oben nicht bloß Kauf leute. Es gibt ja viele Buchhändler, die peinlichst das Wort ab- wehrcn und behaupten, sic wären keine Kausleute. Wir müssen sehr Häufig leider predigen, daß cs eben notwendig ist, daß der Buchhändler mehr Kaufmann wird, als er es jetzt ist. Ader nichts destoweniger verbindet uns doch etwas, was dem übergeordnet ist, was wir noch einzeln besprechen, und das ist der Dienst am Buch. Das ist kein Schlagwort sür den, der diesen ganzen Kursus mitgemacht hat. Denn schließlich ist der ganze Kursus doch schon von dem Geist getragen. Ich glaube, daß ich damit nicht zu viel gesagt habe. Er ist doch überhaupt entstanden aus dem Gedanken heraus: Dienst am Buche zu leisten. Und das kann auch jeder Einzelne behalten, wenn er daran denkt, daß die Lesepropaganda, die nach dem Ganzen gewiß ebenso »nichtig oder wichtiger sein kann wie die Kaufpropaganda, die nur dem Einzelnen nützen soll, daß auch diese schon einen Dienst am Buche darstellt. Aber der Dienst am Buche ist für mich auch noch nicht das Letzte, und so möchte ich Ihnen als letztes Wort das mitgeben, «daß ich Ihnen sage: Fassen Sic diesen Dienst als höheren Dienst aus, nämlich als Dienst am Geist-. Theodor Marcus, Breslau. Landschaft, Heimat und Buchhandel. Von Gerhard Schön selber, Leipzig. Wir sprechen sehr viel von den neuen »Käuferschichten«. So häufig dieses Schlagwort gebraucht wird, so wenig klar ist seine Auf fassung und Anwendung. Zunächst scheint man den — allerdings nur vorgestellten — »Käufer« vom Nichtkäuser zu trennen, ohne daß sich sagen ließe, warum jemand Käufer oder Nichtkäuser notwendiger weise ist, inwieweit wirtschaftliche oder geistige Gründe hier aus scheidend und zuweisend wirken. Man spricht von neuen Käufer schichten im Sinne einer gewünschten Absatzerweiterung, überspringt dabei aber die Voraussetzung: neue L e s e r schichten. Es ist auch nicht klar, worin notwendigerweise die »Schichtung« besteht. Keines falls in der nichtssagenden Gegenüberstellung von Käufern und Nicht- käusern. Man spricht wohl vom Arbeiter und vom Bauer oder von gewissen Teilen der Stadtbevölkcrung als von neuen Käuferschtchten, kommt -jedoch hier im wesentlichen nicht hinaus über eine Unter scheidung nach Kaufkraft, Beruf, formaler Bildung oder sozialer Zu gehörigkeit. Das heißt, man gelangt zur Vorstellung von Käufer- klassen, ohne damit letzten Endes etwas anderes zu haben als eine Konstruktion. Schon die allgemein erkannte und doch keineswegs nur wirtschaftlich oder sozial bedingte Unterschiedlichkeit der Verhält nisse in Großstadt, Mittel- und Kleinstadt zeigt, daß man so nicht weiter kommt. Das Volk, dem der Buchhändler seine Bücher verkaufen will, wird nicht erfaßt, wenn es in »Käuferschichten« eingeteilt wird. Wir kommen hier in Gefahr, das Bewußtsein dafür zu verlieren, daß alles, was »Volk« ist, aus Stämmen und Landschaften erwachsen ist, daß jeder bewußt oder unbewußt — das Erlebnis einer Heimat in sich trägt und noch bei der Entwurzelung aus dieser Heimat und beim Eintauchen in die amorphe Masse der Großstadt die Merkmale der stammheitlichen und landschaftlichen Herkunft an sich trägt. Es scheint fast, als ob viele zu diesen Dingen keine rechte Einstellung mehr be sitzen und damit mehr oder minder den mächtigen Nivellierungs kräften unserer Zeit erliegen. Was bedeutet uns denn Landschaft und Heimat? — Die Stämme setzten sich in den Landschaften fest. Der Mensch verwuchs mit der Scholle, die ihn ernährte. Nach der Wanderschaft fand er die Heimat. Die Landschaft aber mit ihren natürlichen Gegebenheiten formt den Menschen, ber sie bewohnt; und der Mensch, der sie beseelt und lebendig macht, formt wiederum die Landschaft. So ist es ein wechsel seitiges Nehmen und Geben, das seine unauslöschlichen Spuren hinter- läht. In diesen Landschaften lebt das Volk, geeint durch die Ge meinschaft der Sprache, unterschieden durch die Stammesmerkmale, die über alle anderen Bindungen hinweg die verschiedensten Lebens- und Berufskrcise und Altersstufen zusammenhalten. So ist Landschaft, wie Joseph Nadler sagt, der Nährboden eines ganz bestimmten Menschen schlages, aus dem, erzeugt aus Blut und Erde, das Feinste und Geistigste wie in goldenen Dämpfen aussteigt. Landschaft und Sprache sind die Grundlagen unseres Volkstums, und im Heimatgcfühl drückt sich das subjektive Erlebnis dieses Volkstums aus. Der Deutsche in ß der Fremde wird dieses Heimatgefühl in der Brust tragen und seine Heimat selbst im Vaterlande wissen, solange er sein deutsches Volks tum lebendig zu erhalten vermag. In dem Augenblick aber, wo er im fremden Volkstum aufgeht, stirbt die alte Heimat in ihm. — Und noch etwas anderes! Der Angehörige des Proletariats, der ungleich mehr als der Gebildete dem großen Gleichmachungs- und Entseelungs- prozeß unserer Zeit ausgesetzt ist, kann in eine ähnliche Lage kommen. Unzählige sind aus der Landschaft abgetrieben, sind zusammengeballt in der charakterlosen Masse der Großstädte, bildungsgemäß den gei stigen Kulturgütern ihres Volkstums sehr fremd geworden, daraus angewiesen, in der Mietskasernenenge ihrer Vorstädte letzte schwache Fühlungen mit der Landschaft und der Heimat zu erspüren. Auch diese Massen sind in Gefahr, ihr Volkstum und ihre Heimat zu ver lieren, weil es ihnen immer schwerer wird, sie zu erleben. Das sind alles Dinge, die mit den »Käuferschichten« nicht mehr erfaßt werden können und doch gerade in der Zukunft von größter Bedeutung sein werden. Es kann sich für den Buchhändler nicht nur darum handeln, irgendwie an neue »Schichten« heranzukommen. Voraussetzung ist vielmehr, daß er selbst erst wieder einmal vor stößt zum Erlebnis des ur sprünglichen Volksdenkens, zum Erlebnis von Landschaft, Heimat und Volkstum in der Berufs arbeit. Die Aufgabe im einzelnen ist hier sür den Großstadt- buchhändler naturgemäß anders geartet und vielleicht auch schwerer als für den Kleinstadtbuchhändler, der zur Landschaft von vornherein in einem engeren und lebendigeren Verhältnis steht. Es gibt ein reiches und ausgezeichnetes Schrifttum — von den Brüdern Grimm bis zur »Volkheit« Eugen Diederichs' —, das jebcm eine eingehende Beschäftigung mit der Kunde seiner Heimat, seiner Landschaft und damit seines Volkes gestattet. Mittel und Wege wer den verschiedene sein bei dem Buchhändler, der seine Berufsarbeit dort verrichtet, wo er selbst gewachsen und geworden ist, und bei dem, der nach Wanderjahren erst in einen neuen Landschaftsraum hineinwachsen muß, bis er zum Erlebnis und so zur Grundlage der lebendigen Arbeit gelangt ist. — Es liegt für den Buchhändler besonders nahe, bei der Beschäftigung mit diesen Dingen von der nationalen Literatur aus zugehen. Es sei daran erinnert, wie am Ende des vorigen Jahr hunderts, in einem gewissen Gegensatz zur großstädtischen Dekadenz, in der Literaturgeschichtsschreibung der Begriff der Heimatkunst leben dig wurde. Vor wenigen Wochen — am 17. September — starb im Alter von 71 Jahren August Sauer, der in seiner berühmten Prager Nektoratsrede 1907 die Ausgaben einer landschaftlichen und stammheitlichen Literaturgeschichtsschreibung formuliert hatte. Es ist kein Zufall, vielmehr sehr bezeichnend, daß dieser Gelehrte auch ein mutiger Vorkämpfer für das deutsche Stammestum in Böhmen und Mähren, in Schlesien und in Ober- und Niederösterreich war und so aus der nationalen Kulturarbeit heraus tiefe Einblicke in die Seele seines Volkes getan hat. Aus diesen Anregungen erwuchs die große Arbeit Joseph Nadlers (Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. 2. Ausl. Bd. I—III. 1923—24), in der der Versuch gemacht wird, »Literatur als die Gesamtheit aller Wirkungen, die zwischen Heimat und Abkunft spielen« darzustellen. Dieses Werk sollte jeder deutsche Buchhänbler gelesen haben. So beginnt unter diesen Gesichtspunkten die Berufsarbeit im Heimatlichen. Und auch die Werbung wird für ihre Methoden uird Möglichkeiten aus solcher Arbeit wichtige Schlüsse ziehen können. Es ist z. B. nicht sehr logisch, daß man immer wieder konstatiert: der Bauer liest nicht, und daß man dann mit »Lesepropaganda« dieses Übel bekämpfen will. Die Frage ist vielmehr die: welches Verhältnis kann denn der Bauer überhaupt noch zu der Literatur haben, die man ihm verkaufen will? Haben wir überhaupt noch die Literatur, die seinem Denken, seinen Überlieferungen, seiner Sprache entspricht? Und wie muß diese Literatur beschaffen sein? — Dasselbe gilt ähnlich sür den Arbeiter. Das sind Fragen der Lebens- und Erlebnisnähe, und hier heißt es eben, selbst wieder »Volk« zu werden und zu lernen, wie das Volk zu denken und zu sprechen. Das Ziel sür den Buch händler muß sein, sich nicht so sehr in den gesellschaftlichen als vielmehr in den geistigen Mittelpunkt zu stellen. Ankniipfungspunkte für die praktische Arbeit hat dieser Buch händler, der in der Landschaft wirkt, auf allen Gebieten, sei es nun auf dem der bildenden Künste und der Dichtung, aus dem der Sprache und Mundart, der Geschichte und Altertumskunde oder der Geographie und der Naturwissenschaften, der Volkskunde und Kulturgeschichte. Es handelt sich dabei aber nicht nur um die Verbreitung durch dcu Sortimenter, sondern auch um die Erzeugung durch den Verleger. Es ist bezeichnend, daß bei der vom Deutschen Ausland-Justitut veranstal teten Rundfrage über das deutsche Buch im Ausland (vergl.: »Der Ausländsdeutsche« Jahrg. IX Nr. 20 und Bbl. Nr. 252) die Vertreter der abgetrennten Gebiete fordern, daß man das »bodenständige« Buch hinaussenöen soll, »das Buch, das aus dem weiten Gebiete deutschen Lebens hereinnimmt, was jeden in seiner besonderen Heimat ver- 1419
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder