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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.02.1926
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- 1926-02-09
- Erscheinungsdatum
- 09.02.1926
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- Deutsch
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9« 33, 9. Februar 1926. Sledalnonellei Teil. Kanten, so wtrd man leicht begreifen, daß meine Natur recht kompliziert ausfiel und daß es mir nicht leicht gemacht wurde, mich zu einer gewissen Stetigkeit des Charakters und der Welt anschauung durchzuarbeitcn. Leichte Aussassungsgabe, Beweglich keit des Geistes und namentlich eine lebhaste, manchmal zu sehr vorherrschende Phantasie, sowie ein ausgesprochener Sinn für Humor bildeten meine Aussteuer zum Kampf ums Dasein, der mir anderseits durch ein ziemlich wenig widerstandsfähiges Nerven system erschwert wurde. Schon in zartem Alter hatte ich unter Nachtwandeln, Alpdrücken und dergleichen zu leiden, Erscheinun gen, die sich indes später mehr und mehr, wenn auch nicht restlos, verloren. Die Umgebung, in der ich aufzuwachfcn das Glück hatte, war meiner Entwicklung förderlich. Das harmonische, auf sittlich-reli giöser Grundlage beruhende Leben meiner Eltern spielte sich in einem behaglichen Heil» ab, das durch den dazugehörigen großen Obstgarten, an dem wir Kinder einen herrlichen Tummelplatz hatten, und der noch heute in meinen Träumen eine Rolle spielt, einen idealen Charakter trug. An meine ersten Schuljahre habe ich nur angenehme Er innerungen. Das Lernen siel mir ungemein leicht, und erst später hatte ich eine Periode durchzumachen, wo verschiedene widrige Umstände wie Krankheit und ein minderwertiger Klassenlehrer mich zurückwarfen und mich um Mut und Selbstvertrauen brachten. Erst nachdem ich aus dem Gymnasium ausgeschiedcn und in die Technische Hochschule, das damalige Polytechnikum, meiner Vaterstadt übcrgetrctcn war, fand ich den abgerissenen Faden wieder, und mit Feuereifer widmete ich mich dem Studium der Natur- und Gcisteswissenschaften. Ich hatte das Glück, ganz ausgezeichnete Lehrer zu haben, von denen ich Wohl am meisten dem genialen Friedrich Bischer ver danke, dessen Vorlesungen über Literatur und Ästhetik einen tiesen und nachhaltigen Eindruck ans meine empfängliche Natur machten. Meinen Körper stählte ich durch allerhand Sport, vornehm lich Schwimmen und Reiten. Auch gehörte ich mit Begeisterung der damals bestehenden Jugendwehr an, die uns jungen Leuten eine gar nicht zu verachtende militärische Ausbildung bot und uns durch Übungsmärsche, die sich sehen lassen konnten, im Er tragen von Strapazen übte. Noch heute denke ich mit Stolz daran, wie ich einst hoch zu Roß eine Felddienstübung des Korps leitete. Inzwischen war über meinen allzu vertrauensseligen Vater, der, selbst ohne Falsch und Arg, auch bei anderen nur das Gute voraussetzte, infolge von Bürgschaft eine finanzielle Katastrophe hcrcingebrochen. Unser schönes Haus mußte verkauft, das Vcr- lagsgcschäst, das in gedeihlicher Entwicklung begriffen war, wesent lich eingeschränkt werden, ein Umschwung, der die ganze Familie lies niederdrücktc und meiner schon vorher leidenden, armen Mut ter den Todeskeim einimpfte. Nun trat ich als Lehrling in das recht bescheidene väterliche Geschäft ein, das mein Vater mit meinem nicht hoch anzuschlagcnden Beistand ganz allein betrieb, das er aber dank seiner großen Elastizität und seinem säst überreichen Schatz von Berlagsideen bald neuer Blüte entgegcnführte. Gegen Abend, wenn wir unser Tagewerk hinter uns hatten, gingen wir beide einträchtiglich ins Polytechnikum, um Friedrich Bischer zu hören, der zahlreiche Hörer aus allen gebildeten Kreisen Stuttgarts anzog. Im Herbst 1869 trat ich beim 2. Wkrttembergischen Jäger bataillon als Einjährigsreiwilliger ein, nicht ahnend, daß aus dem Wafscnspiel so bald blutiger Ernst werden sollte. Der Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs im Sommer >870 brachte mir die Beförderung zum Portepeefähnrich, als welcher ich mit dem 1. Württembergischen Jägerbataillon ausmarschierte. Im Laufe des Feldzugs wurde ich zum Leutnant befördert. Wörth, Sedan, Paris — diese Namen von weltgeschichtlicher Bedeutung bilden die Höhepunkte meiner Teilnahme an dem glorreichen Feldzuge, den ich gesund und unverletzt Überstand. Welche Erinnerungen! Im Herbst 1871 trat ich zu meiner weiteren Ausbildung als Volontär in die Sortimentsbuchhandlung von F. Schneider L Co. in Berlin ein, damals eines der ersten und vornehmsten Geschäfte der Reichshauptstadt. Sein alter Ruf und seine bevorzugte Lage Unter den Linden nahe bei der Kranzlerschen Ecke führten ihm die 174 beste Kundschaft zu, und ich hatte Gelegenheit, tonangebende Ver treter der preußischen Aristokratie und der internationalen Diplo matie bei uns verkehren zu sehen. Meinen Chess, den Herren Goldschmidt und Wilhelmi, die damals die Firma F. Schneider L Co. innchatten, bi» ich für ihr freundliches Entgegenkommen, das sich nicht nur auf das geschäftliche Verhältnis beschränkte, zu großem Danke verpslichtet. War meine buchhändlerische Tätigkeit in jeder Hinsicht inter essant und lehrreich, so bot das nach dem Kriege mächtig aus- strebcnde Berlin auch sonst reiche Anregung. Zu meinem Staunen durfte ich in dem bei uns Süddeutschen damals als stets und zu geknöpft verschrieenen Berlin eine so liberale und zwanglose Gast freundschaft genießen, daß ich ihrer noch heute mit dem Gcsühl innigen Dankes gedenke. Namentlich die Häuser der Verleger Springer und Hertz taten sich mir in liebenswürdigster Weise aus, und gern« erinnere ich mich der traulichen Abende, die ich im Kreise dieser berühmten Kollegen und ihrer Söhne verbringen durste. Ich junger Dachs braucht« nur die Ohren aufzusperren, um eine Fülle von Anregung und Belehrung in mich auszu- nchmcn. Als Trefspunkt diente uns häusig der berühmte Künstler keller von Lutter L Wcgener in der Charlottenstraßc. Auch im Hause des Malers Paul Meyerheim sand ich gastlich« Ausnahme und hatte dabei Gelegenheit, die damaligen Koryphäen von Kunst und Literatur, wie z. B. Friedrich Spielhagen und Bcrthold Auerbach, in der Näh« zu sehen. Im Herbst des Jahres 1872 kehrte ich nach Hause zurück, um eine militärische Dienstleistung zu absolvieren. Da starb zu meinem großen Schmerz meine gute Mutter, ein Verlust, der meinem Vater so nahe ging, daß er schwere Herzansälle bekam, die ihn lange Zeit ans Bett fesselten. Da lag denn die Last und die Verantwortung des Geschäfts aus meinen noch recht schwache» Schultern, doch gelang es mir, die Zügel so zu sichren, daß ich nach einem Jahr meinem wieder genesenen Vater alles in gutem Zustande übergeben konnte. Nun nahm ich meine unterbrochenen Wanderjahre wieder aus und ging nach New Jork, wo ich in dem renommierten Hause E. Steiger eine Stellung sand, die mir reiche Gelegenheit bot, meine buchhändlerifchen Kenntnisse zu erweitern. Noch wichtiger aber war es, daß ich mich mit dem amerikanischen Loben vertraut machen und mir das Englisch« vollends aneignen konnte. Eine fast überreich« Fülle von Eindrücken war «s, die ich in mich aus« nahm. Das großzügige Geschäftslebcn, die politischen und kultu rellen Zustände des jungen Landes, der beispiellose Verkehr der Riesenstadt, eine rege Geselligkeit — all das wirkte zusammen, mir das drüben verbrachte Jahr zu einem ebenso lehr- als genuß reichen zu machen. Meinem hochverehrten Prinzipal, Herrn Ernst Steiger, der mich in jeder Weise sörderte und mich auch in seine Familie «insührte, bin ich zum größten Danke verpflichtet. Zum Schluss« machte ich noch eine Rundreise durch die Ber einigten Staaten, die wesentlich dazu beitrug, meine Kenntnis amerikanischer Zustände zu ergänzen und zu vertiefen. So sehr mich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten fesselte und interessierte, so zog ich doch mit Freuden wieder nach der Heimat, wo ich sehnsüchtig erwartet wurde. Zuerst als Prokurist, dann als Teilhaber der väterlichen Firma hatte ich nun vollauf Gelegenheit, mich zu betätigen und in Gemeinschaft mit meinem unvergeßlichen Vater den Engel- hornschen Verlag zu erweitern. In ganz kurzer Zeit gelang es, alle von der erwähnten Katastrophe herrührenden Verbindlichkeiten bei Heller und Pfen nig abzntragen, sodaß das Schild idcr Firma bald wieder in flecken losem Glanze erstrahlte. Rasch folgte ein Unternehmen dem anderen, nachdem der große Erfolg des bekannten Prachtwerks »Italien« die Mittel ge liefert hatte, in größerem Maßstabe zu publizieren. Nachdem di« Periode der Prachtwerke, deren wertvollstes Lützows Kunstschätz« Italiens sein dürste, abgeschlossen war, wurden im Jahre 1883 die bekannte Engelhornsche Romanbibliothek und die Architek tonische Rundschau ins Leben gerufen, beides Treffer, die für Jahrzehnte das Rückgrat des Verlags bildeten und es uns er möglichten, uns auch weniger lukrativen, aber wissenschaftlich wertvollen Unternehmungen, wie Ratzels geographischen Hand-
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