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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.01.1918
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1918-01-18
- Erscheinungsdatum
- 18.01.1918
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Musiklebens findet naturgemäß im gesamten Muflkalienhandel ihr Echo. Die meisten Sorttmentsbetriebe (und wie ich höre auch die des Verlags) haben einen Geschäftsgang zu verzeichnen, der an Lebhaftigkeit - trotz Fehlens wesentlicher Auslandskun den — selbst FrtedenSzeiten iibertrissr. Nachdem im August 1914 in einem Gemisch von Begeisterung und Entsetzen aller Handel stockte, eine atemdeklemmende Pause eintrat, hat sich die Kauf lust im Musikaltenhandel vom zaghaften Piantssimo 1915 zu einem erstaunlichen Fortissimo-Vivace 1917 gesteigert. Wenn auch keine andere Kunst sich in dieser Zeit so als Trösterin und Helferin erwiesen wie die Musik, so ist es doch nicht der Musikhunger allein, der diese Eeschäftsentwicklung erklärt, es tritt vielmehr als Ursache eine Kriegskrankheit hinzu, die auf säst allen Gebieten nicht nur die Minderwertigen, sondern auch die Guten und Besten langsam ergreift, ich möchte sie die Er- rafsungS-Pshchose (zu deutsch: Hamster-Krankheit) nennen. Hier von ist nun auch das musizierende Publikum und ein Teil der Sortimenter befallen. Da nun ungefähr in gleichem Ver hältnis, wie diese Krankheit zunimmt, die Papier-Herstellung und -Lieferung abnimmt, so erweckt die Geschäftslebhastigkeit im Sortiment wie im Verlag nur sehr geteilte Freude. Wäre ich nicht schon völlig grau, so würde ich es unter der Last dieses letzten Geschäftsjahres geworden sein. Man muß so auf Pünkt lichkeit und Genauigkeit eingestellt sein wie ich und dabei er leben, wie bei den unerschwinglichen Preisen aller Betrtebs- materialien. der Unbrauchbarkeit vieler Aushilfskräfte, bei dem Versagen der sonst zuverlässigsten Kommissionäre und Verleger jede Berechnung, jeder geordnete Geschäftsgang überhaupt auf- hört. Ich habe mir in meinem Sortiment in schöner Tiemann- Schrift ein Plakat hingehängt, das da lautet: Viellieber Kunde, merk' es wohl, Die Zeit«» haben sich gewandt: Laß alle Hoffnung fahren, Erwarte nimmer, schnell wie sonst Musik, die hehre, zu erlangen. Tel froh, so Du sie überhaupt bekommstl Vergiß es nicht, daß wir im 4. KriegSsahr sind! Sendungen aus Leipzig dauern mindestens 8 Tage: Etnschlage-Papier und Bindfaden (-Ersatz) wird berechnet! Trotz dieser eindringlichen »Instruktion« regnet es ständig Beschwerden; das vielliebe Publikum will nicht begreifen, daß die Ausiauschstelle (ein neuer Beweis für Leipzigs Organi sationstalent — die Freude der Kommissionäre — der bekannte Nagel zum Sarge vieler Verleger und Sortimenter) jede Sen dung um Beträchtliches verzögert I Zu diesen allgemeinen Hem mungen kommt nun als Nervenstärkung zunächst das Fehlen so vieler Werke und Sammlungen. Wie haben wir mit Erstaunen aus den Buchhandel geblickt und auf die Barsorti mente, als dort manches zu fehlen begann, wie haben wir Wohl gar von schlechter Vorsorge, Mangel an Weitsichtigkeit ge sprochen. und nun müssen wir am eigenen Leibe erfahren, daß, wenn Zellulose, Leim und sonstige Rohstoffe der Papier-Her stellung zu Ende gehen, auch die schönste Weitsicht nichts nützt. Für wen, auch den Phantasie-Begabtesten, hat es in dem Be reich der Möglichkeit gelegen, daß Beethoven-, Mozart-Sonaten, Mendelssohn, Lieder ohne Worte. Bände von Schuberts Liedern eines Tages nicht mehr zu habe» sein würden? Das Undenk bare aber, es ward Ereignis, so heftig das vtelliebe Publikum auch lllvfschüttelie. die Klassiker-Editionen meldeten mehr und mehr: .Ferner Verlangtes fehlt', und gerade die begehrtesten, umfangreichsten Bände können am wenigsten neu gedruckt wer- den. Als ich einem alten, verknöcherten Klavierlehrer sagte, daß Czernh, Schule der Geläufigkeit in vollständiger Ausgabe der Edition Peters nicht mehr zu haben sei, fürchtete ich, daß den alten Herrn der Schlag rühren würde - so entgeistert sah er mich a«. Dabei hat die Edition Peters sehr nach meinem Sinn ins Schwarze geirossen, wenn sie in einem Flugblatt fragt: Muß es immer Czerntz sein?, und da verschiedene Czer- nhS fehlen (er ist bekanntlich der meistgespielte von allen toten und lebenden Koinponisten), den Sortimentern empfiehlt, die Lehrerschaft auf andere Studienwerke hinzuweisen, da die ab solute Herrschaft der Czerny, Berlin! und Cramer getrost etwas geschwächt werden dürfe und bet aller Vortresslichkeit der drei alten Meister Abwechslung im Studienmaterial der neuen Kla vier spielenden Generation nur zum Vorteil gereichen würde; insbesondere möchten die Herren Sortimenter auch Studien der Modernen und Lebenden empsehlen, denn, so schließt das Flug blatt : es muß nicht immer Czerny sein ! Eine weitere Nervenstärkung für das Sortiment sind die Kriegszuschläge, für deren Bewältigung ich, wie Sie mir glaube» werden, bet dem Umfang meines Betriebes eine Extra-Arbeitskraft brauche. Da das neue Kriegsperso- nal mir im Rechnen .in der Fixigkeit' oft über ist, in der Richtig keit nur leider häufig nicht, so lasse ich den gesamten Eingang (wie auch die früheren Lagervorräte) klar mit ausgerechnetem Verkaufspreis auszeichnen. Ich beklage mich über diese Arbeit nicht, denn für uns Sortimenter ist der Gewinn durch den Lagerwertzuwachs bedeutend, und ich bin Optimist genug, mich des gewinnbringenden Augenblicks in dieser Hinsicht zu freuen, ohne an das .Später' zu denken, was einmal wird, wenn andere Zeiten kommen und die Kriegszuschläge verschwinden und das teuer eingekauste Lager billig verkauft werden muß. Mein Vertrauen zu unserem Verlagshandel ist groß; ich zweifle nicht, daß die Verleger einsichtig genug sein werden, dem Sortiment den Übergang zu der neuen, zu der normalen Zeit (auf die unsere andere bessere Seele doch inbrünstig hofft) so leicht wie möglich zu machen. Daß die Editions-Verleger sich zu einem einheitlichen Krtegszuschlag von 50 Prozent entschlossen haben, finde ich richtig; auch glaube ich nicht, daß dieser Kriegszuschlag — wie jüngst zu lesen war — Wirrwarr angerichtet habe; die Einheitlichkeit wirkte nur erleichternd, auch ist es selbstverständlich, daß der Zuschlag sich auf die Lagervorräte erstreckt und erstrecken mutzte; denn wehe, wenn dies nicht ge schehen wäre! Dann würde der Ladenpreis allerdings so gut wie aufgehoben sein: Herr Meyer könnte ein Lagerhest mit «L 1.50 verkaufen, während sein Nachbar, die Firma Schulze, gezwungen wäre, das gleiche Werk, da es neu bezogen, dem Kun den mit 2.25 anzubieten. Vor diesem Chaos sind wir gnädig bewahrt geblieben. Natürlich wäre es noch erwünschter für alle Kreise gewesen, wenn der gesamte Muslkverlag sich gleich zu einem Kriegszuschlag von 50 Prozent zusammengefunden hätte.") Der Verein hat . . . doch die Vereinsfragc, Ihr prächtiges Steckenpferd, ist, wie Fontaue sagt, ein weites Feld, auf das ich mich heute bei der Knappheit meines Schreibpapiers nicht verlieren will. Daß gerade die Editio nen eine weitere Erhöhung des Kriegszuschlagcs und nicht Er höhung der Knlalogpreise gewählt haben, leuchtet mir ein; bei der Entwertung des Geldes wird augenblicklich jeglicher Preis bezahlt (auch ist die Zuschlagserhöhnng, selbst wenn noch billiger hergestellte Lagervorräte vorhanden sind, angesichts der schwin- delnd steigenden Herstellungsspesen Wohl eher zu niedrig als zu hoch) — aber gerade den Editionen muß darum zu tnn sein, den Charakter der Volksausgaben wenigstens in den Grundprei sen ihrer Kataloge zu wahren. Auch liegen für sie die Verhältnisse anders als für die sonstigen Verleger; bei diesen ist jeder der ge schützten Eigentumswerke eigentlich konkurrenzlos und der Preis daher nicht von entscheidender Bedeutung. Tie deutschen Editio nen aber, die vor dem Kriege Kulturträger in der ganzen Welt waren, müssen, sobald Frieden kommt, mit der Auslands-Kon kurrenz rechnen, einer Konkurrenz, die, zum Teil im Kriege erst entstanden und durch staatliche Mittel gefestigt, versuchen wird, wenn nicht anders, auch auf Kosten der Güte durch Billigkeit resp. hohen Hkndlerrabatt diesen Wirtschaftskampf zu gewinnen. Hier wurde ich unterbrochen, es klingelte an der Haustür, man hatte Licht in meinem Zimmer gesehen. Fräulein X. erbat ausnahmsweise trotz später Sonntag-Abend-Stunde für ihren "> Inzwischen (dieser Brief wurde Mitte Dezember 1St7 ge schrieben) sind nach Eingreifen des Musikalien-Verleger-Berelns und des Vereins der Deutschen Musikalienhändler fast alle Firmen dem Beispiel der Editionen gefolgt, sodah man von einem einheitlichen Krtegszuschlag von Sü Prozent im gesamten Muflkalienhandel wohl sprechen kann.
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