Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.09.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-09-09
- Erscheinungsdatum
- 09.09.1907
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19070909
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190709091
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19070909
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-09
- Monat1907-09
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
die Radierung als reproduzierende Kunst zu neuem Leben erweckte, und die Entwicklung der modernen Radierung ist direkt auf ihn zurückzuführen. Er war es, der dem im Laufe der Zeit ver knöcherten und in einen kraftlosen Schematismus verflachten Linienstich die bis dahin eingenommene Herrschaft unter den graphischen Künsten streitig machte und dafür die farbenreichere, bedeutend ausdrucksfähigere Technik der Radiernadel zu erneutem Ansehen und Aufschwung brachte. In welchem Maße sein eignes überreiches Schaffen und die Arbeiten seiner zahlreichen Schüler das Interesse des Publikums für die graphischen Künste, besonders für die Radierung gesteigert haben, ersieht man am besten auf unfern großen Kunstausstellungen, wo die Werke der Graphik einen immer größern Raum be anspruchen. Auf der Berliner akademischen Kunstausstellung im Jahre 1877 waren nur sechs Stiche ausgestellt. Man vergleiche damit unsre jetzigen Ausstellungen, so z. B. die diesjährige große Berliner mit ihrer umfangreichen Sonderausstellung für Schwarz- Weißkunst, die in erster Linie mit zahlreichen Schöpfungen der Radiernadel beschickt ist, und man erhält einen Maßstab für die Wcrtsteigerung der Graphik in den letzten dreißig Jahren. Dieser bedeutende Wandel ist außer den ausübenden Künstlern auch einigen unternehmenden und kunstverständigen Verlegern zu verdanken, die, wie Seemann, Miethke, die Gesellschaft für ver vielfältigende Kunst, Jacques Casper-Berlin und andre, alle dem einen gemeinsamen Ziel der Erweckung und Förderung des Interesses größerer Kreise an allen Fragen und Schöpfungen der Kunst zustrebten. Als E. A. Seemann 1866 die Zeitschrift für bildende Kunst gründete, berief er eine Anzahl von tüchtigen Kräften in den Dienst dieses neuen Unternehmens. Unter ihnen befand sich auch Unger, der durch Seemann veranlaßt wurde, sich ganz der Ra dierung zu widmen. Seine ersten Beiträge für die neue Zeitschrift waren noch Reproduktionen nach modernen Bildern, zuerst »Tartinis Traum- nach James Marshall, dann -Kampf des Erz engels Michael mit dem Satan um den Leichnam Moses- nach Plockhorst und ein Blatt nach Wislicenus' -Der Sommer-. Als es sich darum handelte, eine Anzahl bisher noch wenig bekannter Meisterwerke deutscher Galerien zu veröffentlichen, wurde Unger mit der Ausführung in Radierung betraut. Als erste dieser Pu blikationen erschien im Jahre 1868 die Vraunschweiger Galerie in achtzehn Radierungen, die zuerst der Zeitschrift für bildendeKunst als Beilagen beigegeben und dann später zu einem Album mit Text vereinigt wurden. Die Technik dieser Blätter verrät noch die Herkunft ihres Schöpfers aus der Kupferstecherschule. Bei durchaus gewissenhafter, fleißiger Ausführung und einer ziemlichen Mannig faltigkeit der Farbentöne zeigt sich nur selten eine leichte, freie Linienführung. Doch spricht sich in diesen ersten Reproduktionen nach niederländischen Bildern schon die eminente Begabung des Künstlers für die Interpretation dieser Kunstgattung aus. Im Mai 1869 finden wir Unger in Cassel, wo er im Auftrag Seemanns eine Anzahl der hervorragendsten Gemälde der dortigen Galerie radierte. Diese Blätter begannen im Jahre 1870 zu er scheinen, sie zeigen schon eine freiere Behandlung und bringen die malerische Wirkung der köstlichen Rembrandts und Hals' mit technischer Bravour zur vollen Geltung. Unger hat sich hier zu einer freieren Strichlage durchgerungen, die sich besonders in den feinen Details, in der Wiedergabe von Stoffen usw. deutlich zeigt; auch die Abstufung der Töne ist eine reichere geworden. Nach einem kurzen Aufenthalt in Holland kam Unger 1872 nach Wien, ebenfalls im Auftrag von Seemann, um Bilder aus der akademischen Galerie für dessen Kunstzeitschrift zu radieren. Dies war der zweite Wendepunkt in seiner künstlerischen Ent wickelung. Der Wiener Boden, der für die Graphik gut vor bereitet war, wurde ihm zur zweiten Heimat. Der treffliche Schüler von Mandel Louis Jacoby wirkte seit 1863 an der dortigen Akademie als Professor der Kupferstcchkunst und hatte eine Reihe von tüchtigen Kräften um sich gesammelt; dabei waren auch Künstler, die die Radierung pflegten, aber doch immer noch in der strengen gebundenen, an den Linienstich erinnernden Manier. Unger war es, der der freien malerischen Radierung eine Blütc- stätte in Wien bereitete und damit dem Zuge der Zeit nach farben reichen Lichteffekten folgte. Es war die Zeit, da die Liebe und das Verständnis für die niederländische Malerei anfing neu aufzuleben. Während man bisher in der formenstrengen italienischen Malerei den Börsenblatt für de« Deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang- Höhepunkt der Kunst erblickt hatte, begannen nun die koloristischen Meisterwerke eines Rembrandt, Rubens, Frans Hals u.a.sich die Gunst der Menge zu erobern. Damit sah sich die reproduzierende Kunst vor neue Aufgaben gestellt. Und um in dem heißen Konkurrenz kampf mit den damals schnell aufblühenden photochemischcn Ver vielfältigungsarten nicht unterliegen zu müssen, war sie gezwungen, neue Ausdrucksmittel zu suchen und anzuwenden, die ihr ein schnelleres und vielseitigeres Arbeiten gestattete. Wie dem er staunlich produktiven Unger das gelungen ist, zeigt ein Blick auf sein eignes reiches Lebenswerk und auf die Arbeiten seiner Schüler. Schon die in den ersten Jahren des Wiener Aufenthalts, 1873 und 1874 erschienene Frans Hals-Galerie ist ein Meister werk moderner Ubcrsetzungskunst. Die breite, massige Malweise ist mit einem unübertrefflichen Geschick wiedergegeben. Zwei Jahre später erschien bei Buffa L Sohn in Amsterdam die prächtige Publikation des Amsterdamer National-Museums in 32 Blatt. Der Meister beweist hier aufs Neue, daß er in der geistvollen Interpretation der holländischen Malerei nicht seines gleichen hat. Daneben entstanden eine Reihe Einzelbilder für die Wiener Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, deren fördernde Tätigkeit auf dem Gebiete der Radierung hoch einzuschätzen ist. Das bedeutendste Galerie-Werk Ungers aber ist das groß angelegte, aus 180 Blatt bestehende Werk über die Belvedere- Galerie in Wien, das 1876 zu erscheinen begann und in der ver hältnismäßig kurzen Zeit von 10 Jahren zu Ende geführt worden ist. Selten hat ein einzelner Künstler eine so gewaltige Aufgabe in gleich glänzender Weise gelöst, wie es hier unserm Unger, dank seinem unermüdlichen Fleiß und seiner eminenten Meister schaft, gelungen ist. Es gehört sowohl durch seinen Umfang als auch durch die künstlerische und stoffliche Verschiedenheit der reproduzierten Originale und nicht zum mindesten durch die be- wunderswerte technische Vollendung zu den stolzesten Leistungen unsrer reproduzierenden Kunst. Wir haben ihm nichts Ähnliches an die Seite zu setzen. Die große Anpassungsfähigkeit des Meisters hat hier die Feuerprobe bestanden, als es sich darum handelte, nicht nur die als seine eigentliche Domäne zu betrachtenden Werke der niederländischen Koloristen mit ihrem unbeschreiblichen Zauber des Lichtsptels und Helldunkels in die Sprache der Radierung zu übersetzen, sondern auch die in ihrer Art ganz entgegengesetzten Schöpfungen der italienischen und deutschen Renaissance. Es dürfte kaum einen zweiten Radierer geben, der mit gleich um fassender Universalität die so verschiedenartigen Darstellungs weisen in gleich bewunderungswürdiger Weise mit den einfachen Mitteln von Schwarz-Weiß wiederzugeben vermag. Hier ist nicht der Raum dazu, um auf die einzelnen Glanzleistungen dieses Werks näher eingehen zu können; mehr interessiert an dieser Stelle wohl die geschäftliche Seite des großen Unternehmens. Unleugbar gehört ein anerkennenswerter Geschäftsmut dazu, ein solches Werk ins Leben zu rufen, und der Verleger, H. O. Miethke in Wien, darf von Glück sagen, daß er mit richtigem Blick die rechte Kraft auswählte. Kaum ein andrer war zur Bewältigung dieser Aufgabe so berufen wie gerade Unger. Miethke gehört zu jenen unternehmenden Groß-Kunsthändlern, die in den siebziger und achtziger Jahren Sensationsbilder auf Reisen ausschickten; Sedlmeyer in Paris, von Geburt auch Wiener, schickte die großen Wandbilder seines Schwiegersohns Brozik, sowie Munkacsys Schöpfungen durch die Welt; Nicolaus Lehmann in Prag war der Manager von Gabriel Max und zog mit dessen bekanntem Bilde »Christus auf dem Schweißtuch der heiligen Veronica- von Land zu Land bis nach Petersburg, Rom, New Dark und Melbourne. Miethke ließ vor allem Makarts figurenreiche Gemälde sehen. Man mag über diese an amerikanische Verhält nisse erinnernde Geschäftspraxis denken und urteilen wie man will, ein großes Verdienst ist diesen smarten Kunsthändlern nicht abzusprechen: sie boten den Künstlern oftmals Ersatz für mangelnde Staatsauftiäge und dienten so der Kunst unter Eingehung eines großen Risikos. Die reproduzierende Kunst kam dabei nicht am schlechtesten weg, Sedlmeyer z. B. beschäftigte Waltner und Koepping; er war meines Wissens auch der erste moderne Kunstverleger, der von besonders wichtigen und hervorragenden Radierplatten nur eine beschränkte Anzahl von Frühdrucken abzog, danach die Original-Platte in ebenso viele Teile zerschneiden ließ und jedeni Käufer eines Abdrucks ein solches Stückchen der Platte in Holzkapsel mit liefeite, ein Verfahren, 1151
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder