Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.01.1919
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1919-01-04
- Erscheinungsdatum
- 04.01.1919
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19190104
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191901040
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19190104
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1919
- Monat1919-01
- Tag1919-01-04
- Monat1919-01
- Jahr1919
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. X- 3, 4. Januar 1919. Vor hundert Jahren und heute. Von Wilhelm Pocck -Jena. Die Zeiten sind schlecht, die Zukunft ungewiß. Der Sorti menter bestellt nicht, der Verleger wird unlustig. Die fetten Jahre — und die Kriegsjahrc waren für den Ladenbuchhandcl im allgemeinen keine mageren — sind anscheinend dahin, die dürren stehen vor der Tür. Das allgemeine Kopfhängen hat auch die Bnchhändlerkrcisc ergriffen. Denn niemals lag Deutschland so tief und so hoffnungslos im Staube wie heute. Niemals war seine politische und wirtschaftliche Lage so ver zweifelt wie seit dem verhängnisvollen Herbst 1918. Oder hat es nicht vielleicht doch Zeilen gegeben, in denen Deutschland ohnmächtiger und zerrissener war als in diese» Tagen? In denen sein Wohlstand. Handel und Wirtschaft hoff nungslos vernichtet, seine politische Zukunft finsterer als die Nacht, sein Volkstum endgültig gebrochen erschienen? Ich meine, vor hundert Jahren finstcrten diese Zeiten über Deutschland. Und doch hat es sich wieder zum Licht durch- gearbcitet. Und doch hat es wieder die Schwingen geregt und den beginnenden Aufstieg genommen zu jenem glänzenden Fluge, um den es drei Menschenaltcr später von der Welt be neidet wurde. Jener Welt, die es nun durch plumpe Über macht wieder dorthinab drücken möchte, wo es vor hundert Jahren stand. Wer hat Deutschland damals aus den Fängen Frankreichs befreit? Es war der unzerbrechliche, durch keine politische Trübsal und wirtschaftliche Ohnmacht zu erstickende deutsche Geist. Jener Geist, der ungeweckt zwar im ganzen Volke vor handen, aber vornehmlich in seinen führenden Männern le bendig war. In allen deutschen Berufsständen gab es damals Willensstärke, klarblickende Männer, die in die Zukunft zu schauen und sie zu beurteilen verstanden; die die Hoffnung nicht ver loren und den Mut nicht sinken ließen. Für den deutschen Buchhandel war cs der Schöpfer der modernen Buchhändlcr- organisation und Begründer des deutschen Sortimentsbuch handels Friedrich Perthes. An seiner politischen Tatkraft sollte sich der heutige Buchhandel ein Beispiel nehmen. Denn er ist es gewesen, der den drei Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck ihre Freiheit gerettet hat. Auf seine geschäft liche Energie und Klugheit, die, als alles materiell darnieder- lag, gerade für den Buchhandel die aussichtsreichsten Wege er blickte, sollten jetzt die deutschen Verleger und Sortimenter ihre Augen richten. 1796 gründete der damals 24 Jahre alte Perthes seine in ihrer damaligen Einrichtung völlig neu ansprechende Buch handlung, die erste Sortimentsbuchhandlung in modernem Sinn. Der Gewinn entsprach nicht gleich den Erwartungen; seine beiden Geschäftstcilhaber traten nach zwei Jahren schon wieder ans. Dann kam der große Hambnrger Krach von 1799. Infolge des Krieges zwischen Frankreich und seinen Gegnern Rußland, Österreich und England waren dem Hamburger Handel die beiden großen Absatzgebiete Frankreich und Rußland vcr- lorengegangcn. Ein Handelshaus nach dem andern mußte seine Zahlungen entstellen; der Gcsamtverlust betrug 36 Millio nen Mark. Nnterhöhlung der geschäftlichen Redlichkeit, gren zenloser Leichtsinn und Verschwendungssucht in allen Kreisen hatten den Zusammenbruch gefördert. Auch Perthes stand vor dem Ruin und hätte ohne Freundeshilfe Wohl das Schicksal der andern Häuser geteilt. Aber er behielt den Kopf oben, und es gelang ihm, sich hindurchzuarbeiten, Zahlungen zu leisten und zu erhalten. »Ich muß alle meine Zeit und meine Kräfte aufbicten«, schreibt er in dieser Zeit, »um die Zügel fest zu halten. Das, was man in der Welt Glück nennt, habe ich wirklich; denn alles gelingt mir, was ich unternehme. Aber wahrlich, leicht wird mir dieses Glück nicht gemacht. Sie kennen mich ja und wissen, was es mich von jeher kostete, zu bitten, zu fordern, dreist zu sein. Sie wissen, wie schwer es meinem Herzen wird, hart, streng, unbicgsam zu scheinen: — und das alles habe ich sein oder scheinen müssen.« Diese Krisis hatte ihm den Mut gestärkt, sein Selbstver- 14 trauen vergrößert und wurde der Ausgang zu einem groß artigen Plan: seine Handlung zur Vermittlerin des litterari- schcn Verkehrs aller Völker zu erheben. Also ein kosmopoli tischer Zug, der scheinbar in allen unternehmenden Deutschen steckt. Dieser Gedanke wurde mit Hilfe seines Kollegen und Teilhabers Besser ins Werk gesetzt und kann als der Keim zu dem heutigen internationalen Literaturverkehr gelte». Besser war der Mann, der die für dieses Unternehmen erforderliche gründliche Schulbildung besaß, Perthes verkörperte die feurige, treibende Kraft und den unbesieglichen Mut. Glänzend be standen diese Eigenschaften den zweiten großen Schlag, der im Jahre 1896 Preußen und im Anschluß daran Hamburg traf. Ter Hainburgische Handel wurde durch die Kontinentalsperre im Nu völlig zerstört. Der Schlag schien diesmal für Perthes vernichtend. Infolge der in ganz Norddentschland eintretenden Zahlungsstockungcn verlor er sein ganzes, in zehn arbeitsvollen Jahren erworbenes Vermögen. Nicht aber Mut und Hoffnung. Als die meisten Kaufleute zagend und zögernd ihre Geschäfte einschränkten, setzte er in dem seinen die doppelte Tätigkeit ein. »Niemand in Hamburg hat jetzt Geschäfte«, schreibt er in jenen Tagen, »die meinigen sind größer als je und werden bald eine noch größere Ausdehnung gewinnen«. Die neuen, den deutschen Geist mit völliger Erdrosselung bedrohenden politischen Verhältnisse trieben den mutigen und patriotischen Mann alsbald zur Herausgabe des »Deutschen Museums«, einer nationalen Zeitschrift mit der Aufgabe, die führenden deutschen Gelehrten und Dichter zum geistigen Zu sammenschluß gegen den Rapoleonischen Druck zu vereinigen. Allerdings mutzte sie, als Hamburg 18l0 endgültig dem fran zösischen Reiche einverleibt wurde, wieder aufgcgeben werden. Und auch sonst wurde Perthes durch die neue Ordnung der Tinge das geschäftliche Dasein sauer genug gemacht. Die be rüchtigte »Generaldireklion zur Beaufsichtigung des. Buchhandels und der Bnchdruckcreien« mit dem Sitz in Paris und dem Zweck, darüber zu Wachen, daß kein der Napoleonischen Politik unliebsames Werk verbreitet wurde, drohte in der Tat, dem deutschen Buchhandel völlig das Lebenslicht auszublascn. Viele Buchhändler schlossen ihre Geschäfte; Perthes nicht. Seine un ternehmende und erfinderische Natur fand bald einen Weg, die französische Sperre wirkungslos zu machen. Er durchschaute sehr schnell, daß die Pariser Kontrollbcamten von deutscher Sprache und Literatur so gut wie nichts verstanden, nicht einmal die Büchertitel, und von jeder cingesandtcn Büchcrliste ans gut Glück ein paar Titel strichen, während die übrigen Werke durch gingen. Daher führte er bald überhaupt nicht mehr die ein zelnen Titel auf, sondern machte allgemeine Rubriken; wurden davon Gruppen gestrichen, so setzte er sie unverdrossen auf die nächste Liste, bis sie endlich dnrchschlüpften. Damals (l8ll> schrieb er in einem Briefe: »Das sauerste, mühseligste Jahr meines bisherigen Lebens habe ich erlebt; der Umsturz alles Alten nötigte mich, um nur etwas zu retten, das neue Wesen mit meinem Geschäft auf das emsigste anznfasfen. Es ist dieser Zeit eigen, daß man nicht durch Zurück ziehen sich reitet, sondern durch regsames V o r w ä r t s g e h e n. Meine Geschäfte haben sich nicht ver ringert, sondern vermehrt, und oftmals war mir bange, ob ich mein nicht kleines Schiff durch die gefährlichen Klippen und die unerhörten Stürme durchführen könne, aber gottlob! die Hanptgefahrcn sind jetzt beseitigt, und ich sehe etwas Land!« Die dunkelsten Tage aber, die über Familie wie Geschäft hereinbrachen, knüpften sich an die energische, ganz Hamburg belebende vaterländische Tätigkeit dos rastlosen Mannes. Er wurde nach der Wiedereroberung Hamburgs von Napoleon als Feind des Staates erklärt, seine Handlung in Hamburg ver siegelt, sein übriges Vermögen mit Beschlag belegt, seine Woh nung aller beweglichen Sachen beraubt. Perthes selbst war wieder zum armen Manne geworden, er besaß nicht einmal bares Geld zum Unterhalt für Frau und Kinder. Er mußte, aufs schärfste verfolgt, flüchten, aber sein Akut und seine ge schäftliche Redlichkeit waren wieder nicht zu beugen. Von seinem Zufluchtsort Aschau aus schrieb er damals (Juni 18l3)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder