Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.01.1927

X- 14, 18, Januar 1927. Redailioneller Teil. Herr Röder berichtet über die Belieferung der Bolks- bibliotheken und empfiehlt, sich mit den Bibliothekaren der betreffenden Bibliotheken ins Einvernehmen zu setzen, damit der Bedarf immer von den ortsansässigen Buchhändlern und nicht von auswärts bezogen wird. Uber den behördlichen Buchvertrieb äußern sich verschiedene Herren. Herr vr. Heß empfiehlt, durch persönliche Verständigung mit Latidtagsabgeordneten unsere Sache zu fördern oder zu regeln. Zu Punkt 2 der Tagesordnung (Ausbildung des Nachwuchses) werden die Ausführungen des Vorsitzenden über die Förderung des Besuchs der Sommerakademien und den vielversprechenden Verlaus der Lehrlingssahrt nach Leipzig nochmals mit Anerken nung ausgenommen, sodaß dem Vorstand für das neue Vcreins- jahr wieder Mittel zur Verfügung gestellt werden. Herr vr. Diederichs wirbt für eine Freizeit der Chefs etwa in Stolberg (Harz) kurz nach Pfingsten 1927. Den huniorvollen begeisterten Ausführungen des vr. Diederichs stimmen alle Anwesenden freudig zu. Es möchte niemand der Freizeit fernbleibcn. Das um so weniger, als Leiter der Chess- zusammcnkunst Professor Hahne-Halle sein soll, der unser aller Herzen durch seine geistreichen, fesselnden Ausführungen schon im Jahre 1925 gelegentlich der Tagung des Verbandes in Ballen stedt erobert hat. Die satzungsgemäß vorzunehmende Wahl von 4 Vorstands mitgliedern ergibt die einstimmige Wiederwahl der Herren Victor Schrocdcr und Rolf Kretschmann und die einstimmige Neuwahl der Herren Albert Breunung-Eisleben und vr. Kellermann- Weimar. Darnach setzt sich der Vorsitzende besonders warm für die Errichtung einer Kreiswerbe stelle ein, indem er aussührt, daß die öffentliche Werbung des einzelnen Buchhändlers augen blicklich so gut wie fruchtlos sei, und eine lange Folge von Werbe maßnahmen aufführt, die im Bereich des Verbandes die Kreis- werbestellc für den und in Gemeinschaft mit dem Buchhandel vorzu nehmen hätte, und zwar vor allem solcher Maßnahmen, die dem Publikum gar nicht als vom Buchhandel ausgehend besonders auf fallen müßten. In völliger Einmütigkeit stimmt die Versamm lung den interessanten Ausführungen zu, bewilligt einstimmig die Errichtung der Kreiswerbestelle sowie die für die Durchführung er forderlichen Mittel und wählt auf Vorschlag des Vorstandes auch einstimmig Herrn Max Eichelberg-Torgau als Leiter der Krcis- werbestelle. Nach dem Bericht des Schatzmeisters Kollegen P a b st - Delitzsch über das verflossene Vereinsjahr wird auf Antrag der Rechnungsprüfer Kollegen Schröck-Nordhausen und Ziehlke-Lieben- werda dem Vorstand Entlastung erteilt. Der Jahresbeitrag wird von der Versammlung einstimmig auf 15 Mark festgesetzt. Schließlich kann als nächster Tagungsort auf Einladung Nordhauscn a. Harz gewählt und die Hauptversammlung vom Vorsitzenden um 2 Uhr geschlossen werden, nachdem Herr Pouch im Namen der Anwesenden dem Vorstand und vor allem dem Vorsitzenden für die erfolgreiche und mühevolle Arbeit während des letzten Vcrbandsjahres mit warmen Worten gedankt hat. Als Herr Walter Neuenhahn-Eisenach uns bei Beginn des Festmahles mit herzlichen Worten begrüßte, sandte auch Petrus als Gruß vom Himmel uns strahlenden Sonnenschein, sodaß unsere Stimmung um so festfroher wurde. Nach einer kurzen Ansprache, in welcher der Vorsitzende unseres immer noch schwer bedrückten Vaterlandes gedachte, brachte der erste Vorsteher des Börsen vereins Herr Max Röder seine Freude über den regen, vorwärts strebenden Geist der bisher von ihm besuchten Verbandsver sammlungen zum Ausdruck und betonte, daran anknüpfend, die Notwendigkeit des Weiterbestehens der Kreisvereine. Mit Be geisterung wurde wieder das vom Verbandspoeten Kollegen Hertel- Arnstadt verfaßte Tafellied gesungen, und zum Schluß des Mahles gedachte Herr Mark-Rudolstadt in humorvoller Weise der zahl reich erschienenen Damen. Punkt 4 Uhr ging es in die herrlichen Eisenacher Berge durch den prachtvollen Garten des Pflugens- berges nach, dem Burschcnschaftsdenkmal und zum Kaffee in die 66 an einem Weiher idyllisch gelegene Waldschente. Verschieden! Besucher der Wiener Tagung verspürten nicht übel Lust, sich üs Erinnerung an das Badener Thermal-Strandbad in die Flute» des Waldschenkenteiches zu stürzen, nur fehlte das Thermal-Wassei Badens. Man nahm deshalb mit dem Kaffee vorlieb und durch! lebte das andere in der Erinnerung. Der Abend vereinigte uns mit Vertretern der Presse in deil »Elisabethenruhe», wo Studiendirektor vr. Hoeser uns zwei Legenden von Keller vorlas, Frau Faber-Gronemann uns durck ihre stimmungsvollen Lieder zur Laute erfreute und alles, wa^ jung war oder sich noch dasür hielt, auch ein thüringisches odea modernes Tänzchen versuchte. Am Montag früh 9 Uhr versammelten sich die noch an^ wesenden Teilnehmer am Lutherdenkmal auf dem Karlsplatz zui! gemeinsamen Wanderung, an Reuters Villa vorbei, nach der Wart-! bürg. Der Burgwart Nebe begrüßte uns in dem reizenden Burg-s Vogtgärtchen der Wartburg mit herzlichem »Wartburg Heil» unds führte uns dann von den tiessten Tiefen bis zu den höchsten Höhend aus den Turm der Wartburg, nachdem er uns vorher in frischen^ überaus Packenden Worten unter Vorführung guter Lichtbilder mit der Baugeschichte der Wartburg bekannt gemacht hatte. In den behaglichen Räumen des Wartburggasthofes beschloß ein gutes Mittagsmahl die Veranstaltungen des Vormittags, und das wohl-j gelungene Bild, das unser Vorsitzender von den noch Anwesenden! vor dem Weitermarsch nach der »Hohen Sonne» durch die -Drachen-si schlucht» aufnahm, wird den Beteiligten eine liebe Erinnerung! bleiben. Marschierte nun ein großer Teil nach Eisenach zurück,! um die Rückfahrt anzutreten, so wunderten die Unentwegten weiter! durch das Eltetal nach Unkerode und unternahmen am folgenden! Morgen noch eine fröhliche Autofahrt in das liebliche Werratal I zum Heldrastein, mit welcher die Tagung einen prächtigen Ab-I schluß fand. Für alles, was uns die Eisenacher Kollegen boten,! und besonders Herrn Neuenhahn sei auch hier nochmals der Herz-I lichste Dank ausgesprochen. Die Eisenacher Tage mit ihren Natur schönheiten in der reichen Farbenpracht des Herbstes werden beil dem schönen Verlauf des Ganzen uns eine unvergeßliche Erinne rung bleiben. Und Du, Sächsisch-Thüringischer Buchhändler-Ver band, fahre weiter fort, Dich der hohen Werte, die Du in Geschichte, I Kultur und Natur umschließt, auch künftig würdig zu erweisen!! Schroeder. Jahresbericht, erstattet vom Vorsitzenden auf der 40. Verbandsocrsammlung Aus des Schicksals dunkler Quelle 1 Rinnt das wechselvolle Los, Heute stehst du fest und groß, Morgen wankst du auf der Welle. . Diese inhaltsschweren Worte meißelte Professor Karl Donn- dors auf dem von ihm geschaffenen, in seiner Heimatstadt Stuttgart ausgestellten Schicksalsbrunnen mit kräftigen Lettern ein. Sie dürften wohl das Zeichen sein, unter dem die gesamte Wirtschaft und so auch der Buchhandel im verflossenen Geschäftsjahr stand, wenn auch viel Mühe und ehrliche Arbeit uns, die wir hier ver sammelt sind, vor dem Schlimmsten dieser ernsten Worte bewahrt hat. Tatkraft, eiserner Wille und zielbewußte Arbeit, die ein Ab weichen vom geraden, wenn auch mühevollen Wege vermeidet und im Dienste eines übersichtlichen, gut organisierten Geschäftsbe triebes steht, mögen uns auch im neuen Wirtschaftsjahr helfen, unser Schicksal zu meistern. Das letzte Geschäftsjahr dürste im allgemeinen, was den Umsatz zahlenmäßig anbetrifft, das ihm vorangegangene nicht überall erreicht haben, zumal da auch das Weihnachtsgeschäft (1925) in den meisten Fällen die großen Hoffnungen, die darauf gesetzt waren, längst nicht erfüllte, ja sogar hinter dem vorletzten Weih nachtsgeschäft zum Teil weit zurückblieb. Die Ursachen hierfür sind nicht nur aus die allgemeine Geldknappheit ziirückzuführen, sondern auch auf die Tatsache, daß das ernste Publikum doch mehr und mehr wieder gelernt hat, den Wert des Geldes zu schätzen