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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.02.1927
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- 1927-02-09
- Erscheinungsdatum
- 09.02.1927
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idl? 33, 9. Februar 1927, Mitteilungen aus dem Antiquariat. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Zur Durchführung des Ablasses, den Papst Sixtus IV, am 7, Oktober 1479 zugunsten der baulichen Vollendung der Münche ner Frauenkirche gewährte, ließ der Pfarrer Balthasar Hundert- pfundt in Augsburg, dem nächstgelegenen Druckort, eine ganze Reihe von Drucksachen Herstellen. Einerseits ließ er bei Hermann Kacstlin den vollen Wortlaut der päpstlichen Bulle im lateinischen Originaltext (Nr. 1344) und in deutscher Übertragung (Nr, 1345/46) sowie ein »Summarium-, d. h, einen das Wesentlichste umfassen den Auszug aus der Bulle, in lateinischer und deutscher Sprache drucken (Nr, 1434 und 1413, 1435), Andererseits bestellte er bei Jodocus Pflanzmann, der als Prokurator am Augsburger Bi- schossgericht zeitweise einen Druckereibetrieb unterhielt, die For mulare für die auszustellenden Ablaßbriefe (Nr. 705/06). Bei beiden Aufträgen scheint der Pfarrer seinen Bedarf zunächst zu gering veranschlagt zu haben; der deutsche Text der Bulle, das Summarium und der Ablaßbrief liegen sämtlich in zwei verschie denen Drucken vor, die nicht von demselben Typensatze herrühren, sodaß von diesen drei Stücken also je zwei Auflagen veranstaltet worden sind. Die beiden erhaltenen Ablaßbrief-Formulare können jedoch nicht die einzigen gewesen sein, die der Pfarrer bestellt und ver wendet hat. Die päpstliche Bulle hatte verordnet, daß i, a, zur Gewinnung des Ablasses ein persönlicher Besuch der Frauen kirche innerhalb einer vorgeschriebenen Zeit und ein Almosen in bestimmter Höhe notwendig seien und daß nur in gewissen Fällen bei triftigen Behinderungsgründen von dem persönlichen Kirchen besuch abgesehen werden könne. Der deutsche Text des Summa rium gibt diese Gründe im einzelnen folgendermaßen an: »Item all vorgeschriben artickel werden auch erstreckt auf all glawbig Menschen, die auß Ursachen des alters, kranckheit, veintschaft, sorgnüß oder vor diensten und ampten, von welchen si nit in abwesen sein mögen, auch aufs die schwangeren frawen und die, so nach der gepurd in der zeyt ir reynigung sind, auch auf die sewgenden frawen und auf die Person, die in ander leüt dienst sind, von den si nit Urlaub erlangen mügen, daz si die gemelten Pfarrkirchen heymsuchen mügen, auch auf die Priester, die selsorg übent, und auf die gaystlichen in den klöstern, und aus die frawen, den ir menner versagen den zugang zu der gemelten Pfarrkirchen, und aus die Person, so die gemelten kirchen auß andern redlichen Ursachen nit heymsuchen mügen«. Dieses also sind die Ausnahme fälle, in denen der Ablaß ohne Kirchenbesuch gewonnen werden konnte. Nur für diese Ausnahmesälle gelten die beiden erhaltenen Ablaßbriefe, denn in ihnen wird der Empfänger im ersten Satze bar waren diese Formulare für die persönlich erscheinenden Gläu bigen, die zweifellos bei weitem die Mehrzahl aller Ablaßgewinner ausmachten. Folglich muß der Pfarrer für diese ein anderes For mular verwendet haben, dessen Text entsprechend anders lautete. Denn es ist nicht denkbar, daß er nur ein Formular für die Aus nahmefälle drucken ließ (und dieses sogar in zwei Auslagen), da gegen die weit zahlreicher benötigten Formulare für die Normal fälle handschriftlich herstellte; und ebenso unwahrscheinlich ist es, daß der Pfarrer etwa das erhaltene Formular durch handschrift liche Textänderung zugleich für die persönlich kommenden Gläu bigen verwendbar gemacht hat, da in diesem Falle sicherlich der Anfang des Textes zweckentsprechender formuliert worden wäre. So bleibt nur die Annahme übrig, daß außer dem bekannten For mular noch ein anderes existiert hat, das ebenso ausdrücklich für die persönlich kommenden Ablaßgewinner bestimmt war, wie das erhaltene für die nicht persönlich erscheinenden berechnet ist. Dabei kann als sicher gelten, daß auch dieses verlorene Formular von Pflanzmann gedruckt wurde, weil für beide Ablaßbriefe im ganzen derselbe Typensatz benutzt werden konnte und nur der Anfang zweimal zu setzen war. Vielleicht taucht von diesem Einblattdruck noch einmal ein Exemplar auf; aber schon jetzt ist seine ehemalige Existenz völlig sicher und seine Herkunst aus der Pflanzmannschen Offizin höchst wahrscheinlich. Der Prototypograph von Trient und der freien Reichsstadt Memmingen Albert Kunne aus Duderstadt. Von Carl Junker (Wien). Hat man wirklich in Trient, der Stadt, die mit so viel Recht stolz auf ihre Vergangenheit ist, den ersten Drucker, der in ihr gearbeitet hat, ganz vergessen, oder wollte man nur seinen 450jährigen Gedenktag mit Schweigen übergehen? Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist leider das letztere anzunehmen, denn er war natürlich ein Deutscher, und sein erstes Werk war deutsch. Dies ist um so bemerkenswerter, als ja in jener Zeit selbst in Deutschland noch vorwiegend in lateinischer Sprache gedruckt wurde und das erste Erzeugnis der ersten trientinischen Presse ein Volksbuch war, ein Volksbuch im wahren Sinne des Wortes, denn der tiefen Erregung der Bevölkerung Trients verdankt es sein Entstehen. Am Gründonnerstag (23 März) des Jahres 1475 wurde an geblich das kaum 29 Monate alte Kind Simeon des Schusters Andreas Unverdorben (dem Namen nach also eines Deutschen, wahrscheinlich eines Oberösterreichers), der m der Fossatostratze wohnte, von den Juden abends in eins ihrer Häuser gelockt, in die Synagoge gebracht und dann für ihr Osterfest geschlachtet. Das Gerücht von diesem Ritualmord hatte einerseits eine surchtbar grausame Judenverfolgung in Trient, andererseits die Heilig sprechung des Kindes zur Folge, dessen Leib heute noch, angeblich 5812 Wunden ausweisend, als Reliquie in der Peterskirche zu Trient erliegt und das als zweiter Bistumspatron verehrt wird'). Darüber lesen wir ausführlich im dritten Band des März in den Low Mnotvi-um (erschienen 1668) und vorher noch in den Annalen von Trient von Grano Pirro Pincio (die ich aller dings nur in der italienischen Übersetzung von 1648 kenne?)) und auf Grund neuer Akten in den Annalen des Fürstbischofs A l b e r t i -). Ein anderer Chronist, Francesco Ambrosi, schreibt in seinen commeniari: »Ein schauderhaftes Ereignis, das der Un verstand der Zeit glaubhaft erscheinen läßt und unsere Chronisten uns mit allen seinen wahren oder erfundenen Einzelheiten schildern, gab Gelegenheit zur Errichtung einer Druckerei in Trient«'), Vielleicht richtiger gibt er aber selbst die Gründe in seinem einige Jahre später erschienenen Werk') über die Schrift steller und Künstler Trients an, in dem er zeigt, daß das Mar tyrium des heiligen Simeon Wohl wahrscheinlich die Veranlassung, aber nicht die tiefere Ursache der Errichtung der ersten Druckerei in Trient war. Er sagt: »Unter der Regierung des Fürstbischofs Johann IV, von Hinderbach erfreuten sich Kunst und Wissenschaft nachhaltigen Schutzes. Die ersten humanistischen Schulen wurden gegründet, die Laien fingen an, das Bedürfnis zu fühlen, sich zu unterrichten, und die Wissenschaft, ehedem allein im Besitz des Klerus, begann sich zu verallgemeinern. Die Buchdruckerkunst kam der Frucht dieser Bewegung der Bürgerschaft entgegen, und die ersten Druckerzeugnisse erschienen unter dem Eindruck, den die Verfolgung der Juden in Trient hier zurückgelassen hat«. Dieser erste Drucker Trients nun war Albert Kunne. Er stammte aus Duderstadt am Eichsfeld, wo ein Mann dieses ') Der Liebenswürdigkeit des Herrn Professor vr, Smital vkrdanke ich, hier darauf Hinweisen zu können, daß sich der ganze Prozeß gegen die Juden in Trient 1475 in einer sehr hübschen Hand schrift in der Wiener Nationalbibliothek als Cod, 536V befindet. pator Lpisvopal« 1648 <ob diese Jahreszahl am Tiielblatt richtig ist, erscheint fraglich, da die im Buch enthaltene Druckbewilligung vom lg, Mai 1650 datiert ist). ?) Lunaii cksl krinoipato eoclesiast-ioo cki Drendo ckal 1022 al 1540 oompiiaii sui ckooumenti cka lcranoesoo Veckioe ckeqli Llbe'rti, dtvuLuini 1860. vereto 1887. I. Band S. 208. °> Vranoesoo Lmbrvsi: Sorititovi eck Lrtisti Dreniini, 2. Lck. Drento, Nippel 1894, S. 12. S
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