I6S8 43, 2l. Februar 1927. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. heilive Alltag Deutsche bürgerliche Dichtung von 1770—1870 Herausgegeben und eingeleitel von Ernst Lissauer ^4rr§ c/e/r e/e?' Frankfurter Zeitung Das Buch bringt bürgerliche Dichtung, heiligen Alltag, Glück am Schaffen, das reife Leben, dm gerundeten Tag. Auf die Stund«, auch auf die profaifche, fällt Licht und überglänzt sie mit ewigem Schein. Die Realität erhält Transparenz. Dag Auge sieht, das Gemüt dichtet . . . „Der heilige Alltag" ist ein Zeugnis der „symbolischen Sinnlichkeit", die unseren Bürgerdichkern eigen war, und einer Gemeinkraft, die wir verloren. Ein liebes und wärmendes Buch . . . Gern begegnet man zu Unrecht Vergessenen: I. G. Fischer, Heyfe, Jensen, Hopfen, Greif. Die Alten werden behaglich über der Sammlung schnurren. Auch über dem Alkmodifch-Gewordenen. Die Jungen sollten die Ein- leikung studieren. Sie verdiente eine Professur! 8 Ahr Aben-btatt Eine herrliche Sammlung! Mit hoher Kunst sind hier in kritisch liebevollem Bemühm die echtesten jener Familien- und Heimatverfe gesammelt, die von 1770—1870 in deutscher Sprache gesungen und gesagt wurdm. Wie wenig kennt man diese holden und klarm Töne, wieviele dieser Skimmungm sind uns bisher fremd geblieben! Aber auch das Wohlbekannte glüht, verbunden mit dem Verwandten, in neuen Strahlen, und Goethes, Hebbels, Mörikes, Fontanes Hausverse winken aus dem Kranze. Da gibt es Rückerks, Storni«, Uhlands, ungeahnt, und wie sich dies durchbläktern läßt, nach Stimmungen, sozu sagen Objekten geordnet, ersteht ein Chor von deutschen Dichtern, die einander selber oft nicht kannten: eine Musik wie von Moriz von Schwind. So klar als duldsam, mit Neigung zu dieser sich auflvsenden Welk des fabulierenden Bürgers, die er doch nicht als letzte Weisheit preist, gibt Liffaner in groß angelegter Einleitung ästhetische und kulturhistorische Winke, und zeigt aufs neue, daß der Dichter getrost einmal den Philologen spielen kann, „pour-vu qu'on en sott". Ich wüßte nichts Deutscheres für den Bücherkisch des deutschen Hauses, es ist die Quintessenz dessen, was man Gemüt nennt, doch zugleich ein Rendezvous genialer Formen. Emil Ludwig