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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1919
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1919-12-01
- Erscheinungsdatum
- 01.12.1919
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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.X» K)4. 1. Dezember ISIS. Künftig erscheinende Bücher. 18171 An einem der ersten Novembertage des Sabres betrat ein Unbekannter meinen Buchladen und bat, meine Bestände durchseben zu dürfen. In einer kleinen Stadt wie der unsrigen, die nur eine einzige Buchhandlung besitzt, war ein neu auftauchende^ Bibliophile an sich schon keine kleine Sache für mich. In diesem Falle aber steigerte sich meine Erregung noch, als es mir mit den verschiedenartigsten Angeboten nicht gelingen wollte, seinen Geschmack zu ertasten. Nach dem Augenschein hatte ich ihn sofort auf seriöse Lektüre taxiert, aber die selteneren, gediegenen oder gar gelehrten Werke schienen ihn am geringsten zu inter essieren. Statt dessen bevorzugte er diejenigen Bücher, großen' teils leichteste Ware, die in mehreren Exemplaren vorrätig waren ^ und wählte darunter schließlich einige Bände aus. Ich war ent täuscht — ich bin noch jung und sehe meinen Beruf nicht nur im Geldverdienen — und in der Eitelkeit meiner Menschen' beurteilung etwas gekränkt, noch verwunderter aber war ich, als er ein paar Tage später wiederkam, sich die Liste meiner Leih' bibliothek geben und die meistgelesenen Bücher bezeichnen ließ und auch hiervon wieder einiges mitnahm oder bestellte. Hatte ich ihn nach dem erstell Besuch für einen durchreisenden'Fremden gehalten, so erwies sich das jetzt als irrig: in die Liste der Büchereibenützer trug er sich als Pfarrer zu St.Trinitatis — meine eigeneGemeindekirche ein. Also das war unser neuer Pastor? — Ich war nicht gerade ein eifriger Kirch gänger, trotzdem hatte ich von der Neu besetzung unserer Pfarrstelle einiges erhofft, denn ein junger Lizentiat, der die dringende Einladung seiner Professoren zur akademischen Laufbahn abgelehnt hatte, weil er Pfarrer sein wollte, der ein Jahr lang Arbeit und Leben des Großstadtarbeiters geteilt hatte und daneben noch literarisch tätig ge- ' wesen war, solch ein Mann sollte wie Legen auf den trockenen Acker unsres Kleinbürgerlebens sein. Und nun kam er, aussehend wie die Leidenschaft des Ge- dankens selbst, und las Ullsteinbücher und Leihbüchereischarteken I Auch im Kino und an Volksbelustigungsstätten konnte man ihn erblicken, ja noch Ärgerlicheres wurde behauptet, kurz: ehe er noch ein Wort von der Kanzel gesprochen, hatte er alle ernst- haften Leute, alle Ilüe.ressenten des Geistes rmd der Moral gegen sich eingenommen. Das eine aber war ihm jedenfalls gelungen: die Spannung, ihn auf der Kanzel zu sehen, war aufs höchste gestiegen, und als er sie am ersten Advent bestieg, da war die Kirche so voll wie noch nie. Wer die erste und die folgenden predigten liest, der wird begreifen, daß sich die Hörer höchlichst verwunderten, als sie diesen solcherart reden hörten. Mir aber war sofort klar ge worden : hier war ein Mensch, der nicht Eindruck machen, sondern Eindruck empfangen wollte, einer, der auf sich wirken ließ, um wiederum wirken zu können, einer, der Mensch unter Menschen sein wollte. Darum also die sonderbare Bücherauswahl: aus dem bevorzugten Lesestoff wollte er seine Hörerschaft kennen lernen, darum aber hat er mir auch einige Wochen später gesagt, mein Lager werde bald anders aussehen, und hat recht prophezeit. Einer guten Eingebung folgend, schrieb ich gleich nach dem Gottesdienst aus dem frischen Gedächtnis die predigt nieder, und von nun an versäumte ich keine predigt, unterließ keine Nachschrift, die ich bald auch durch Stenographie unterstützte. Ls folgten die Monate, deren sich alle Einwohner unserer Stadt heute noch lebhaft erinnern — halb mit Sehnsucht, halb mit Entsetzen —, Monate, so voll Geräusch in diesen friedsamen Mauern, daß unsreStadt inGefahrwar,dem RufederUm- stürzelei, wenn nicht — derLächerlichkeit zu ver fallen. Und alles durch diesen einen Mann! Noch heute, nach fünf Jahren, diesen fünf Jahren, ist die Debatte über das Prediger meteor von St. Trinitatis bei uns nicht ge schlossen, noch heute platzen die Geister hart aufeinander, wenn der Name des Mannes fällt. Die umstrittenste Frage ist die, ob es erlaubt sei, so zu predigen, wie er getan, ob das noch predigt genannt werden dürfe. Und es ist ja wohl wahr: eine predigt wie etwa die am Mstersonntage kann sicherlich nicht als porbild dienen, aber ich denke, die Gefahr ist nicht groß, daß sie die Jünger der Gottesgelehrtheit verführte. Ich meine aber auch: das, was viele getadelt haben, daß nämlich dieser Prediger zu sehr aus seinem persönlichen Schicksal heraus gepredigt habe, das ist nicht ein Fehler, sondern ein Vorzug an einem Diener dessen Herr sich in einem Satze „Wahrheit und Leben" nennt. Aber ich will dem Urteil des Lesers nicht yorgreifen. Lbr. 10,23 Ein Schicksal in predigten fs-'se/rsr'nt üöe?-t/m/anF um? /o/A?) Patmos-Derlag » Würzburg
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