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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.01.1876
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1876-01-31
- Erscheinungsdatum
- 31.01.1876
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- Deutsch
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350 Amtlicher Theil. 24, 31. Januar. theils einer puristisch säubernden Theorie zugewandten Zwitterzustand. Aber ebenso nahe ist das ganze Volk interessirt, wenn es sich um Rechtschreibung unserer Sprache handelt, da Zweifel an dem bisherigen Gebrauch, Neigung zu dieser oder jener Art der Aenderung, prinzipiell abweichende lleberzeugung sich überall im großen Publicum bereits Bahn gebrochen und fast einem Jeden bestimmte Stellung in der mehr und mehr hervortrctenden Bewegung auf Läuterung unserer Orthographie angewiesen haben. Und wie es bei Interessen des täglichen Lebens, der persönlichsten Art geschieht, sind die Ansichten über den Bestand, über Ziele der Entwicklung so verschiedenartig und individuell, daß es einer Uebersicht über die ganze Ausgabe, einer genauen Unterscheidung des Nothwendigen und Nebensächlichen bedarf, wie es die bevorstehenden amtlichen Mittheilungen über die Verhandlungen gewärtigen lassen, um ein stichhaltiges Urtheil fällen zu können. Dies öffentliche Urtheil wird den Berathungen einer Commission erst Werth verleihen; was von ihm als richtig und nothwendig in den reformirenden Beschlüssen derselben anerkannt wird, wird zweifellos und schnell Eingang in das Volk finden und Grundregel für die Schule werden. Weniger vollkommen, aber doch nicht abzulehnen und zu verkennen würde der Erfolg der gepflogenen Bcrathungcn sein, daß aus Grund theoretischen Zusammenhangs gewisse Regeln sür die Schule Gültigkeit erhielten, die sich ins Volk nicht so leicht Bahn brächen. Denn allerdings haben wir Erwachsenen auch auf andern Gebieten des öffentlichen Lebens, in Maß, Gewicht und Münzrechnung Veränderungen erlebt, in die, bei völliger Anerkennung ihrer Nützlichkeit und theoretischen Vortrefflichkcit, sich hineinzufinden der Gene ration des Uebergangs offenbar schwer wird; aber auch eben nur dieser, die ein solches Opser gern zu bringen und leichter als sie vorher denkt, in den neuen Zustand sich einzulcben hat. Doch immer würden auch diese sür künftige Generationen verpflichtenden neuen Regeln sich mit dem öffentlichen Urtheil unserer Tage in grundsätzlicher Uebereinstimmung zu befinden haben. Indem ich überzeugt bin, daß von Seiten des deutschen Buchhandels, der nicht allein ein geschäftliches Interesse ersten Ranges an dieser Reform hat, sondern dessen Mitglieder größtentheils auch ein lebhaftes persönliches Interesse und ein reifes Urtheil über die Angelegenheit bereits besitzen, vielfache Acußerungen über die zu erwartende Vorlage zu Tage treten werden, liegt mir die um so schwerere Pflicht ob, vorweg die Stellung zu bezeichnen, die ich nach bester lleberzeugung im Interesse unserer Gesammtheit in den Berathungen einnehmen zu müssen geglaubt habe. Die Stellung des deutschen Buchdrucks, den Herr College Bertram aus Halle (Buch handlung des Waisenhauses) vertrat, erscheint mir hier klarer und einfacher vorgezeichnet, als die des Buchhandels. Unser Buchdruck leidet am ersten und meisten unter dem Mangel einer zweifellosen allgemeinen Orthographie. Großentheils bestimmen zwar die Autoren ausdrücklich zuvor ihre Orthographie dem Setzer, aber wenige halten sie selbst im Verlauf ihres Manuskriptes fest. Es geschieht, wie Herr Professor Scherer aus Straßbnrg treffend sagte, daß zunächst der Setzer sich auf den Autor einarbeitet und dann der Autor, der dennoch Inkonsequenzen gewahr wird, sich umgekehrt wieder auf den Setzer einarbeitet. Die Unsicherheit hat zu den Hausorthographien der großen Osficinen geführt, die doch nur die bestehende Noth kennzeichnen und cs verschulden können, daß ein Schriftsteller, der in verschiedenen Druckereien Werke drucken läßt, in verschieden orthographischem Gewände vor dem Publicum erscheint. Der Buchdrucker, und freilich der Verleger durch ihn, leidet daher unter der Menge redaktioneller Correcturen, mit denen der Schriftsteller noch in den Druckbogen die übersehene Falschschreibung der Wörter zu berichtigen sucht. Die Verzögerung der Herstellung, die Verdrießlichkeiten im geschäftlichen Verkehr, die daraus entstehen, brauchen nicht geschildert zu werden. Ein gar nicht zu übersehender, wenngleich selbst verständlich nur äußerlicher Vortheil vereinfachter Rechtschreibung erwächst ferner dem deutschen Buchdruck aus dem Fortfall über flüssiger Buchstaben (Dehnungszeichen). Kann der Gießzcttel in Zukunst mehr Lettern ansführen, die wirklich zur Aussprache noth- wcndig sind, dagegen die nicht gesprochene», nur dem Auge gebotenen Buchstaben auss Acußerste beschränken; braucht der Schriftsetzer in Zukunft nur die zu richtigem Sprechen nothwendigen Buchstaben zu setzen, so läßt sich die Ersparniß an Geld, die Mehrarbeit, die damit geschaffen wird, leicht und überraschend an Werth berechnen. Andrerseits hat der Buchdrucker auch die Mittel zur Durchführung einer Reform zur Hand. Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Schriftsetzer sich leicht aus die neue Orthographie einarbeitet. Einfachheit hat immer offenbare Vorzüge; es bedarf kaum der bewußten Regel; eine Tabelle, die alle Wörter zweifelhafter Rechtschreibung ihm alphabetisch aufzählt, kann in kurzer Zeit ihn in einer selbst weitgehend veränderten Orthographie heimisch machen, lind der Vortheil fester Regelung gewöhnt leicht auch an zuerst Befremdendes. — An der Uebersnhrung neuer orthographischer Regeln ins Leben wird die Presse einen Hauptantheil haben. Die Vereinfachung der Schreibweise, welche schon jetzt Zeitungen ersten Ranges nach eigenem Ermessen besolgen, und die leichtere, moderne Diktion, welche eine von Tag zu Tag gehende lilterarische Mittheilung dem Leben entnimmt und gibt, lassen vermuthen, daß die Zeitungspresse einer festen, rationellen Regelung der Orthographie geneigt sein wird; nicht weniger die praktische Nothwendigkeit, die hier mehr wie anderswo empfiehlt, die verschiedenartigen, in größter Schnelligkeit zum Druck zu setzenden Manuskripte nach einer festen orthographischen Regel im Schriftsatz zu behandeln. Nicht so nahe betheiligt und nicht so einfach gestellt ist der deutsche Buchhandel in Fragen der Orthographie. Geschäftlich muß er bedacht sein, den Werth seines Besitzthums — seiner Vorräthe an litterarischen Druckwerken sich zu erhalten und sür seine zukünftigen Unternehmungen das Publicum zugänglich zu finden. Er hat die Gedankenarbeit des Schriftstellers dem Volke zu über mitteln, den möglichst eindringlichen Ausdruck für die der Welt bestimmte Niederschrift des Autors anzuwenden. Er ist zunächst nur Mandatar des Schriftstellers, der sür seine Arbeit ein Eigenthumsrecht bis auf den Buchstaben beanspruchen kann. Er ist zugleich aber kundig in Bezug aus alles, was die Veröffentlichung des Schriftwerkes betrifft, dessen Verbreitung und Erfolg fördert. Er hat daher ebenso den Wünschen, der Meinung des litterarischen Publikums Rechnung zu tragen. Er hat weder das Recht, vom Autor absonderliche Regeln redaktioneller Art befolgt zu fordern, noch die Pflicht, beim Publicum denselben Eingang zu verschaffen. Er ist darauf angewiesen, das Gemeingültige zu schonen und dem Sprachgebrauch thunlichst zu folgen. Aus diesen Grundlagen seiner Stel lung scheint sich zu ergeben, daß er allerdings, in Kenntniß der wahren öffentlichen Meinung und mit dem Einfluß, in der Pflicht, die er in Verbreitung der Bildung und geistigen Fortschritts wie kein anderer geschäftlicher Stand übt, offenbaren Mißständen, irrationellen Gewöhnungen abzuhelfen mitbemüht fein muß, daß er aber Einwirkungen auf die öffentliche Meinung und Gewohnheit nicht unter nehmen darf, weder in ideeller noch in geschäftlicher Auffassung seines Berufs, für welche er im Volke den Boden nicht vorbereitet, die Stimmung nicht entschieden, die Wünsche sich nicht entgegcngebracht findet. Denn im Ganzen betrachtet, hat der Buchhändler nicht eine Initiative, weder dem Autor noch dem Publicum gegenüber, sondern nur ein abgeleitetes, ein vom elfteren übertragenes, durch das letztere bestätigtes Recht. Daraus würde sich ergeben, daß er in Sachen deutscher Rechtschreibung ebensosehr die Ansichten und Wünsche der Schriftsteller wie des Volks bei seiner eigenen Beurtheilung und Entschließung in Betracht zu ziehen und beabsichtigte
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