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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.03.1927
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- 1927-03-01
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- 01.03.1927
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56, l. März 1927. Redaktioneller Teil. Herrlichsten, was er geschaffen hat, gehören Beethovens Adagios in dem Violinkonzert, in den Klavierkonzerten, den Symphonien und vor allem in der Kammermusik und den Klavier- und Violin- sonaten, wieviel der Tröstung hat die Menschheit daraus gesogen! Wenn man von Beethoven spricht, wie sollte man nicht des Fidelio gedenken, der einzigen Oper, die der Künstler geschrieben hat. Ist cs überhaupt eine Oper? Greift das Werk nicht über den Rahmen der Oper hinaus? Ist es nicht ein individueller Gesang nach Freiheit des Gefangenen, nach Erlösung durch Gattentreue, wunderbar durch orchestrale Symphonie ausgedrückt? Ebenso speziell Becthovenisch wie der Fidelio ist auf anderem Gebiete das grandiose Werk der dtissa solomnis, die Beethoven selbst sehr hoch einschätzte, ist es doch sein Gottesdienst, den er hier dar- brachtc; freilich keine kirchlich-katholische Messe, denn Form wie Inhalt gehen weit darüber hinaus, und für den kirchlichen Gottes dienst ist das Werk nicht zu gebrauchen. Es ist eben Beethovens Messe, in der er auf seine Weise seine Gläubigkeit ausspricht. Ver- glcichshalber könnte man wieder Michelangelos »Moses« heran ziehen; das ist nicht der biblische Moses mit der schweren Zunge, den Aaron vertreten mußte, wenn zum Volk gesprochen werden sollte, sondern eben Michelangelos' Moses, der mehr vom Zeus hat als vom Gottesknechte. Hier wie dort reicht die Individua lität des Schöpfers über das Werk hinaus, und staunend empfindet der Hörer oder Anschauer die Größe der Inspiration. Zum Schlüsse noch einen Blick auf die Höhenzüge der neun Symphonien. Die Generation unserer Großväter und Väter schätzte vor allem die fünfte, die L-moN-Symphonie und meinte hierin die vollendetste Schöpfung Beethovens zu erkennen; ihr zunächst standen die dritte, die »Eroica«, und die sechste, die Pasto- ralsymphonic. Langsam weitete sich dann das Verständnis für die siebente, achte und neunte. Diese letztere wurde wegen ihres vokalen Schlußsatzes als Sprengung der Symphoniesorm empfun den, wie die letzten Quartette als Überschreitung des Qurrtettge- süges. Unserm jetzigen Ohre sind das alles vertraute Klänge ge worden, jetzt wo ganz andere Forderungen erhoben werden und musikalisch andere Wirkungen erzielt werden sollen. Gehaltlich sind freilich die Beethovenschen Symphonien und Sonaten von niemand bisher überboten worden, und ohne eine Prophet zu sein, kann man ruhig sagen, sie werden es auch in der Zukunft nicht werden, denn der göttliche Geist formt nicht zum zweiten Male eine Natur wie die Beethovens, worin sich künstlerische Form und geistiger Gehalt so decken. Deshalb denkt, Deutsche, dankopfernd des 26. März 1827! Zeitgenössische Beethoven-Bildnisse. Unsere Zeit ist wohl mehr als jede andere erfüllt von Heroen- vcrehrung. Nicht die Erforschung und Erhaltung der unsterb lichen Werke unserer Geisteshelden allein, sondern auch das Ein dringen in ihr innerstes Wesen ist die Sehnsucht des heutigen Geschlechts geworden. Eine unübersehbare Literatur, die noch ständig durch neue epochale Werke vermehrt wird, führt uns immer tiefer hinein in jenes Wesen und läßt uns ihre Werke so wohlvertraut werden, daß sie uns heute unentbehrlich erschei nen. Gedenkfeiern sind immer nur ein äußerer Anlaß, um unserer Heldenverehrung stets von neuem Ausdruck zu geben. Beethovens 100. Todestag wird nicht in Wien und Deutschland allein, son dern in der ganzen Kultuvwelt, wo seine Werke ausgeführt worden sind, festlich begangen. Beethoven schuf für die Ewigkeit, und seine Musik gilt uns als klassisch. Er war das Bild einer un geheuren Geisteskraft, die größte Strenge und tiefsten Ernst in der Arbeit zur Pflicht macht. Er strebte nach dem inneren Effekt, der den Hörer zwingen sollte, seiner Musik zu folgen, der nicht Tränen, sondern höchste Begeisterung erzeugen sollte. Die Ver herrlichung der schönen Welt und die geheimnisvollsten Empfin dungen in der Tiefe der Menschenbrust offenbart uns seine Musik. Die Grundzüge seines Wesens, seine Selbstüberwindung und die Überwindung des Schicksals waren es, die seinen Werken den ewigen Wert verleihen. Wir haben es alle erlebt, wie jedes seiner großen Werke uns auf überweltlichen Bahnen über die Mühseligkeiten unseres irdischen Daseins hinwegführt. Weit über die deutschen Grenzen ist dieser Wert Beethovenscher Musik er- 234 tannt und geschätzt worden. Sie ist für die ganze Welt geschrieben. »Die Kunst gehört keinem Lande an, sie stammt vom Himmel.« Dieses Michelangelo-Wort hat nirgends größere Beachtung als bei Beethoven. Die Nachwelt Pflegt sich das äußere Bild der Helden nach dem Gefühl zurcchtzulegen und überträgt dabei das Charakteristische seiner Werke unwillkürlich auch aus das körper liche Wesen der Meister. Selbst wenn uns keine authentischen Beethovenbilder überliefert worden wären, so würden wir uns den Meister, wenn wir feine Werke kennen, kaum anders gestaltet denken, als ihn uns diese Bilder vorführen. Das Titanenhafte ist sein Hauptwesenszug, und ihn möchten wir auch unmittelbar seinem Antlitz verleihen. Beethovens äußere Gestalt und Antlitz ist uns in vielen zeitgenössischen Bildern überliefert, wir ver missen aber leider unter all den Künstlern, die sich an die Aus gabe wagten, den Meister zu porträtieren, einen seiner Kraft Ebenbürtigen. Der Verlag Breitkopf L Härtel beauftragte 1823 den damals als Porträtisten sehr geschätzten F. G. Wald- Müller, den Komponisten zu malen. Waldmüller schuf in der Tat prächtige Bildnisse, so das des Fürsten Rasumowski und viele zarte und geistvolle Fraucnbildnisse. Das Bild zeigt ihn uns als einen etwas verdrießlich erscheinenden alten Herrn. Beethoven war anscheinend nicht besonders befriedigt, wohl aus dem Grunde, weil ihn der Maler überreichlich lange gegen das Fenster sitzen ließ. Immerhin fand das Bild auch damals schon seine Freunde, denn es wurde bald in einem Stich von Sichling weit verbreitet. Im Sommer 1819 entstand das Bild von Ferd. Schimon. Der Künstler erhielt die Erlaubnis, seine Staffelet neben des Meisters Arbeitszimmer aufzustellen. Eine Sitzung hatte Beet hoven verweigert, denn eben im vollsten Zug mit der Uiss» solemnis beschäftigt, glaubte er keine Stunde entbehren zu können. Schimon hatte schon sehr viel Skizzen für diese Arbeit in der Mappe, die er auf den Spaziergängen, Beethoven auf Schritt und Tritt nachschleichend, niederwarf. Das Bild war fertig bis auf die Wiedergabe seiner Augen. Da half Beethoven unbewußt dem Maler, des schwierigen Problems Herr zu werden. Während einiger gemeinsamen Kaffeepausen war es dem Künstler möglich, den Blick von Beethovens Augen eingehend zu studieren. Bis zu diesem Bild war an Porträts des Komponisten noch nichts an nähernd so Ähnliches geschaffen worden. Die gewaltige Stirn, der eigentümliche Blick nach oben, der festgeschlossene Mund und das wildwogende Haar sind auf das Naturwahrste wiedergegeben. Diese Vorzüge rücken das künstlerische Manko in den Hintergrund. Ein Stich von E. Eichens nach diesem Bild erschien mit einer faksimilierten Unterschrift Beethovens in Aschendorfss Buchhand lung in Münster. Ein Abzug vor der Schrift zeigt den Kopf in hellerem Lichte. Auch die beiden Lithographien von Rohrbach in zwei verschiedenen Größen fanden weite Verbreitung. Die Rcichsdruckcrei hat kürzlich eine originalgetreue Wiedergabe des Stiches von Eichens in ihrer Serie der zeitgenössischen Bildnisse gebracht. Aus dem Jahre 1819 datiert die ergreifende Schilderung, die der Dichter Attcrbohm von Beethoven entwirft. »Beethoven habe ich in einem Privatkonzert gesehen. Der Mann ist kurz gewachsen, aber stark gebaut, hat tiefsinnige, melancholische Augen, eine hohe gewaltige Stirn und ein Antlitz, in dem sich keine Spur von Lebensfreude mehr lesen läßt. Seine Taubheit trägt hierzu in betrübender Weise bei, denn er ist jetzt, was man nennt, stocktaub. Er dirigierte selbst das Konzert, man führte ein Stück von ihm oder von Meistern auf, die er hinlänglich kannte, um deren Musik innerlich zu hören. Er stand wie auf einer abgeschlossenen Insel und dirigierte den Flug seiner dunklen dämonischen Harmonien in die Menschenwelt mit den seltsamsten Bewegungen«. Eine andere Beschreibung übermittelt uns der Maler Kloeber, der während seines einjährigen Aufenthaltes in Wien Grillparzer und Beethoven malte. Als Porträtist kam er zu keiner hohen Be deutung. Sein Lebensweg führte ihn später nach Berlin, wo er für Schinkel einige Räume des neuen Schauspielhauses ausmalte. -Beethoven sah sehr ernst aus, seine äußerst lebendigen Augen schwärmten meist mit einem etwas finsteren gedrückten Blick nach oben, welchen ich im Bilde wiederzugeben versucht habe. Seine Lippen waren geschlossen, doch war der Zug um den Mund nicht unfreundlich. — Bei meinen Spaziergängen begegnete mir Beet-
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