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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1914-04-25
- Erscheinungsdatum
- 25.04.1914
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- Deutsch
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^!>4, 25. April 1914. Redaktioneller Teil. Aus dem belgischen Buchhandel. 11. (I siehe Nr. KI.) Pinsisal in Brussel und Antwerpen. Deutsche Musik in Belgien. — »Revuee-Scherze. — Neue Bücher. Die ihrem Ende entgegengehende Brüsseler Theatersaison stand ganz unter dem Zeichen des »reinen Toren«; die Aufsührun- gen Parsisals an der Königlichen Oper (TköLtre cle lu Uomuno) bildeten das bedeutendste künstlerische Ereignis der letzten Jahre, und man kann getrost sagen, daß das Brüsseler Publikum ihnen das größte Verständnis entgegengebracht hat, wie überhaupt der Belgier immer ein großer Freund Wagnerscher Musik gewesen ist; fanden doch die ersten Aufführungen mehrerer Wagnerschen Dramen in französischer Sprache in der belgischen Hauptstadt statt. Bis Ende März haben 28 Aufführungen stattgefunden, die stets ausverkauft waren, ja die Nachfrage war in den ersten Wochen sogar so groß, daß die Plätze dafür' stets 14 Tage vorher alle verkauft waren und an den Tagen, an denen der Vorverkauf eröffnet wurde, trotz der Winterszeit, schon früh von 5 Uhr an (die Kasse wird um 18 Uhr geöffnet!) die Theaterkasse geradezu belagert worden ist. Im April fanden noch weitere 6 Vorstellungen statt: es soll dies eine Gesamtzahl sein, die von keiner andern Stadt erreicht worden ist, also gewissermaßen ein künstlerischer Rekord, auf den die Belgier stolz sind. Als Sanktion des großen idealen und mate- riellen Erfolges, dem derjenige der Pariser Aufführungen weit nachsteht, wird von der Presse neuerdings eine Gratis-Auf- führung fürs Volk verlangt. Die »Metropole« Antwerpen ist uns Brüsselern hierin insoweit vorangegangen, als dort be- reits mehrere Vorstellungen mit ganz volkstümlichen Preisen stattfanden. Nachdem die Brüsseler Presse durch einleitende und erklärende Artikel schon im Dezember auf die hohe Bedeutung des Weihe- festspiels aufmerksam gemacht hatte, fanden bereits in den ersten Tagen des Januar die ersten Aufführungen statt; wir waren also mehr begünstigt als die meisten deutschen Städte. Der be kannte deutsche Musikdirektor Lohfe hatte das gewaltige Werk ein studiert; er ist den Brüsselern kein Fremder, hat er doch im Winter l9ll—12 die musikalische Leitung unserer Oper in Händen ge habt, in deren Verlauf er uns die nieisten Wagnerschen Dramen in deutscher Sprache und außerdem Beethovens Neunte Sym phonie in so vollendeter Weise vorfllhrte, daß die musikliebende Welt ihn — trotz gewisser Anfeindungen, die ihm als Deutschem in der Presse zuteil wurden — mit großem Bedauern scheiden sah. Die schwierige Rolle Parsisals wurde von dem Bayreuther Tenor Hensel geschaffen, wodurch den ersten Aufführungen noch ein be sonderer Reiz verliehen wurde. Erklärende Vorträge fanden statt, die das konrplizierte Werk unserem Verständnis inhaltlich und musikalisch näher brachten, vor allem der äußerst gelungene Vortrag des Professors Sternseld aus Berlin, der vom Deutschen Schulverein veranstaltet worden war; bei einem zweiten der artigen Vortrag wirkte Hensel selbst mit. Mitte Mörz wurde das Weihefestspicl dann auch in Ant werpen in der flämischen Übersetzung von Leo van Riel aufge führt; die Presse lobte die getreue Wiedergabe der Inszenierung nach Bayreuther Vorbild, die der bekannte Bayreuth-Sänger und Antwerpener van Dyck geleitet hat, der selbst die Rolle Parsi sals spielt. Wie in Bayreuth, so verkündeten auch in Antwerpen Trompetenstöße von der Höhe des Musiktempels (der Flämischen Oper) den Beginn des Werkes. Daß bei diesem künstlerischen Ereignis auch der Buchhandel nicht leer ausging, sei zu unserer Genugtuung festgestellt. Es verging wochenlang kein Tag, an dem nicht Textbücher, Einführungen in Parsifal oder Wagner schriften überhaupt in mehrfacher Anzahl gekauft worden sind. Und hier im französisch sprechenden Lande hatten wir vor Deutsch land noch das voraus, daß das französische Textbuch noch nicht in einem halben Dutzend Neuausgaben, eine billiger als die andre, vorlag. Die den Ausführungen zugrunde gelegte Übersetzung von 1 Judith Gauthier in der Bearbeitung von Maurice Kufferath! kostete noch t'r. 1.50, aber mit welchem Rabatt! Tie französi ! sche Original-Übersetzung von Judith Gauthier, die Wagner selbst! noch lobend anerkannt hat, sogar 4 krs. (Armand Colin, Parts); sie ist erst in diesen Tagen in neuer Auflage und zu billigerem Preise (krs. 2.50) erschienen und enthält als Beilagen Noten autogramme Wagners und des Meisters Briefwechsel mit der Übersetzerin. Kufferath, der sich um das Zustandekommen des Brüsseler Parsisals als Leiter der königlichen Oper große Ver dienste erworben hat — er brachte es u. a. fertig, von der Stadt verwaltung ein Subsidium von 30 000 krs. für diese Aufführungen zu erhalten, über das einige besonders sparsame Stadtväter doch etwas gebrummt haben; in Leipzig soll dieses Subsidium 85 080 -/i, also mehr als dreimal soviel erreicht haben, und das Publikum doch nicht zufrieden sein! —, ist der Wagnergcmeindc kein Fremder. Seine Schriften über Wagner, speziell Tristan und Isolde und Parsifal (bei Fischbacher, Paris, und Schott freies, Brüssel), sind geschätzt, wie er überhaupt ein Musikschriftsteller von Bedeutung ist, der auch zu Beethoven, Strauß u. a. Stellung genommen hat. Kufferath entstammt einer hochbegabten deutschen Familie; auch sein Vater, der als Deutscher in Belgien einge wandert war, war Musikdirigent an der hiesigen Oper. Bei Ge legenheit der von den Deutschen des Auslands überall mit großer Begeisterung begangenen Schtllerfeier des Jahres 1859 zeichnete er sich durch seine musikalische Mitwirkung aus, speziell durch die Aufführung von Maria von Webers Jubel-Ouvertüre und einer von ihm selbst komponierten Schiller-Kantate. Ein Bru der Kufferaths war der vor einigen Jahren verstorbene Uniber- sitätsprofessor und Frauenarzt, der erste Gynäkologe Belgiens, ein anderer Bruder ist einer der angesehensten Ingenieure. Um den verdienstvollen Künstler noch besonders zu ehren, ist soeben eine Subskription veranstaltet worden, deren Teilnehmer eine von dem ersten belgischen Medailleur de Vreese geprägte Me daille als Erinnerung an die Parsifal-Aufführungen erhalten werden, die auf der Vorderseite Parsifal, mit dem Gralskelche seg nend, auf der Rückseite den reinen Toren, umgeben von tanzen den Mädchen, darstellt. Dieses Festhalten künstlerischer Ereig nisse durch eine Medaille fängt erfreulicherweise an, die Gunst der kunstliebenden Kreise zu erobern; so haben wir vor einigen Jah ren zur Erinnerung an die ersten französischen Aufführungen der Strauß'fchen Oper auch eine prächtige Salome-Plakette bekommen. Daß trotz des großen Parstfal-Enthusiasmus, um den uns manche deutsche Großstadt beneiden kann, auch die Persiflage in Belgien zu ihrem Recht kommen will, ist für den Kenner bel gischer Theaterverhältnisse kein Wunder. Deutsche Leser dürfte es noch besonders interessieren, daß Kapellmeister Lohse dabei, wenn auch sicher gegen seinen Willen, eine Rolle spielt. In der Brüsseler Scala, die jeden Winter eine der bei den romanischen Völkern so beliebten »Revuen« auffübrt, in denen das gesamte politische, soziale und künstlerische Leben der Hauptstadt in humoristisch-satirischer Weise »Revue passiert« (daher die Bezeichnung), tritt nämlich Otto Lohse in der stereotypen Rolle des »Lwmgore« auf, als welcher er die vielen Szenen und Tableaus des Stückes, das »kwurguol pas?« (nach einem gleichnamigen lokalen Witzblatt so benannt) betitelt ist, durch einführende Couplets zu erklären hat. Er führt darin die deut sche Musik in Brüssel ein und stellt sein reifstes und schönstes, letzt geborenes Kind Parsifal vor (das sich leider alle möglichen Wort spiele mit gorsil — Petersilie gefallen lassen mutz). Zu Ehren der Wagnerschen Musik sei übrigens gesagt, daß viele Belgier, die sonst an den für belgische Begriffe harmlosen Revuescherzen Ge fallen sinken, diesmal der Revue doch ferngeblieben sind. Den mehr oder minder geistreichen Verfassern dieser lockeren belgischen oder französischen Revuen, die zugleich reich inszenierte Ausstattungsstücke sind, ist aber nichts heilig. Sogar unsre höch sten Autoritäten müssen daran glauben, und alle unsre Bürger meister und Stadtältesten, ja sogar die Minister und die könig liche Familie werden nolens volons auf die Bühne gebracht. Die Toleranz ist in dieser Hinsicht groß, indem sie dem Volkscharakter ^ Rechnung trägt. Die Brüsseler Stadtoberhäupter, die sich einer großen Popularität erfreuen, und Minister wohnen den Vorstel Ölungen bei und belustigen sich selbst darüber, wenn sie z. B. bei ider Verteilung eines Tugendpreises mit der einzigen Jungfrau 625
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