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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.03.1927
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- 1927-03-22
- Erscheinungsdatum
- 22.03.1927
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X- 68, 22. März 1927. Redaktioneller Teil. Die Gesamtlage habe sich seit Kantate 1928 gewandelt, er klärte einer der Redner der schönwissenschastlichen Verleger, Herr Karl Rosner. Das i st nicht derFall! Die »Buchfabriken-, wie Herr Rosner die von ihm gemeinten Verleger nennt, haben schon jahre lang bestanden. Insbesondere sind Werke Gustav Frcytags schon ein Jahr vor Erlöschen der Schutzfrist, also seit Anfang des Jahres 1929, in wohlfeilen Ausgaben Vertrieben worden, mit Erlaubnis des Erft-Verlegers. Die Wirkung der Tätigkeit jener Verleger war längst vorauszusehen und ist vorausgesehen worden. Warum haben die schönwissenschaftlichen Verleger geschwiegen, als — in ihrem Sinne — es Kantate 1926 nötig gewesen wäre zu reden? Also das neueste Schlagwort ist: Verstopfung des Büchermarktes. Die »verblaßten, zu künstlichem Dasein neu aufgcschminkten» Werke einer vergangenen Epoche versperrten in »schwunghaftem Mumienhandel- den lebenden Schriftstellern den Weg. Welches Urteil über Freytag, Keller, Storm und wie sie alle heißen! Freytags »Soll und Haben-, um ein Werk von vielen herauszugrcisen, ist für mich — ich kann hier nur meine persön liche Meinung sagen — eines der bedeutendsten Schriftwerke, die in Deutschland überhaupt entstanden sind, ein auf gründlichstem Verständnis und größtem Fleiß« beruhendes Kunstwerk, mit einem entzückenden Fcinsinn bei Führung der vielverschlungcnen Hand lung, mit klarer, mustergültiger Sprache. Ein Kunstwerk, das ich immer und immer wieder mit demselben Genuß lese, mit dem ich zum xten Male Beethoven höre oder einen Michelangelo betrachte. In »Soll und Haben- besitzen wir einen Roman aus der den Einigungskriegcn unmittelbar vorausgehenden Epoche des deut schen Volkslebens, dem an kulturgeschichtlichem Werte ebenbürtig kein neuerer zur Seite gestellt worden ist trotz der stosfgewaltigcn Zeit bis zum Weltkriege. Für Herrn Rosner gehört also »Soll und Haben- zu den »verstaubten Makartbuketten-. Dazu fehlt mir die Brücke. Ich wünsche dem Werke weitere Millionenverbreitung, schon damit die jungen Deutschen in ihm einen Maßstab gewinnen, nach dem sie die Leistungen der mitlebenden Schriftsteller beurteilen können. Aber Herr Rosner nennt das »Verstopfung des Büchermarktes«. Warum nach dem verlorenen Kriege und der Revolution der Absatz des deutschen Buches stark gelitten hat, ist nachgerade all bekannt. Daß trotzdem weit über Bedarf neue Bücher erscheinen, liegt daran, daß die vorhandenen Schriftsteller und Verleger leben wollen. Dagegen kann nur die Zeit Helsen; einstweilen versucht ein jeder durchzukommcn, am liebsten in der gewohnten Weise. Daß insbesondere so viele Romane, Novellen, Skizzen, Essays entstehen, erklärt sich zudem aus dem riesigen Bedarf der Zeitungen, Familienblätter, Magazine und anderer periodischer Literatur. Daß die Verfasser dieses Lesefutters sich gern auch in Buchform gedruckt sähen und daß jeder sich gern einen kleinen Zauberberg erträumt, ist menschlich. Daß aber viele der so entstandenen Bücher als Ramschware den Büchermarkt, die Warenhäuser oder die Niederlagen der Verleger überfüllen, weiß man. Unterbedarf, Überproduktion — das sind die wirklichen Ursachen der Ver stopfung. Nach Herrn Rosner soll das Heilmittel sein: Eindämmung der »Buchfabriken-, auf daß für den Flügelschlag der Jungen Raum werde. Auch ich gestehe, daß ich ob der Massenfabrikation von Halb- lederbänden, mit etwas Goethe, Frcytag oder auch »Henker von Paris- drin, nicht entzückt bin. Aber ich habe über derartige, manches Buchhändlerhaar sträubende Erscheinungen ruhiger denken gelernt. Die Anfänge von Reclam habe ich als Laden jüngling miterlebt. Sehr wohl entsinne ich mich noch der Gänse häute der damaligen altehrenfesten Prinzipale und ihrer Er wägungen, ob man »so was« führen könne, ohne an dem Ruin des »soliden Sortiments» Mitschuldig zu werden. Überhaupt, fast alle Jahre gab es seitdem neue Ursachen zum Ruin. Na, Verlag und Sortiment bestehen immer noch, nur etwas anders als damals, und werden in fünfzig Jahren auch noch bestehen, abermals etwas anders. Soviel aber kann man heute schon sagen: die spott billigen Halblederbände haben dem Buchhandel ein riesiges 320 Neuland erobert. Daß jemand, der an den jungen und aller jüngsten Schriftstellern Geschmack findet, ihre Bücher kaust, auch wenn sie 8, 10, 12 oder gar 25 Mark kosten, ist massenhaft erwiesen. Daß mancher statt ihrer einige wohlfeile Keller- oder Freytag- Bände kauft, kommt sicher auch vor; als Massenerscheinung, und darauf kommt es hier an, scheint mir das aber noch nicht erwiesen zu sein. Dem mit 5 Stück »Soll und Haben- beglückten Konfir manden des Herrn Rosner haben wohl die Geber gerade dies Buch geschenkt, trotz des vermutlich den Eltern bekannten niedrigen Preises, weil sie damit s i ch e r zu gehen glaubten, was mit einen, modernen Roman nicht immer der Fall ist. Ich wenigstens teils nicht Herrn Rosners Ansicht, daß in der von ihm erstrebten besse ren Zeit auf den Konfirmanden-Gabentischen »aller Wahrschein lichkeit nach 5 Werke des regulären Verlages und von lebendigen, für Gegenwart und nahe Zukunft bedeutungsvollen Autoren- liegcn werden. Ebensowenig teile ich seine Meinung, daß Lesehallen, Volks bibliotheken und Arbeiter-Bücherstuben nunmehr Reclam und andere wohlseile Ausgaben mehr oder minder als überlebt er scheinen lassen könnten. Ich glaubte bisher Schriftsteller und Buchhändler darin einig, daß das Leihbuch die Vorfrucht des ge kauften Eigenbuches bleiben soll und das wohlfeile Eigenbuch Vorfrucht des normalprcisigen. Nach diesem Zwischenfall ist es meines Erachtens nun nicht mehr zu vermeiden, die Herren vom schönwissenschaftlichen Verlag öffentlich auf etwas aufmerksam zu machen, was ich seit geraumer Zeit bei jeder passenden Gelegenheit in geschlossenem Kreise schon oft gesagt habe. Wenn die Herren etwa meinen, eine Verlängerung der Schutz frist werde auch die Verlängerung ihrer Verlags verträge einschließen, so können sie eine große Enttäuschung erleben. Logischerweise kann die Erweiterung des Urheberrechts nurzugunsten desUrhebers erfolgen. Eine gleichzeitige gesetzlich« Verlängerung der Verlagsverträge wäre ein Wohl wollen, das — gar unter heutigen Verhältnissen — nicht erhofft werden kann. Es wäre auch kaum durchführbar. In dem Ent würfe des geltenden Gesetzes von 1901, der für Werke der Musik die 50jährige Schutzfrist vorgeschlagen hatte, war die Verlängerung auch der Verträge vorgesehen, wobei sich Komponisten und Ver leger in den Reingewinn hälftig teilen sollten. Der Vorschlag an sich war ja gerecht, aber er mußte fallen. Denn was heißt: Reingewinn? Mindestens wären so sämtliche Erbenschaften der Komponisten Geschäftsteilhaber der Verleger geworden, die bei dessen Bilanz mitzubestimmen hätten! Eine Bertragsverlänge- rnng aber ohne Beteiligung der Autoren wäre dann eine un billige Benachteiligung dieser, wenn sie etwa bereits ein für alle mal durch Pauschzahlungen bei währender Mjähriger Schutzfrist abgefunden sein sollten. Auch wenn Verleger — vorsichtiger und sehr zu billigender Weise — in ihre Verlagsverträge die Bestimmung ausgenommen haben, daß sie auch für verlängerte Schutzfrist gelten sollen, so schützt sie das nicht. Mir ist es unzweifelhaft, daß im Reichstage mindestens der Vorschlag gemacht werden wird, solche Klauseln für nichtig zu erklären. Das öffentliche Wohl könnte freilich kaum als Deckmantel für solche Rechtsvernichtung vorgeschützt werden. Aber seit 1918 haben wir Schlimmeres erlebt. Glatt und einfach wäre jedenfalls die Bestimmung: die Schutzfrist wird zu gunsten der Urheber-Erben verlängert; die Verlagsverträge wer den für nichtig erklärt; es ist Sache der Erben, neue Verträge zu schließen, mit wem sie wollen. Die Folgen brauche ich nicht auszumalen. Ein Teilnehmer in der letzten Schutzsristvcrsammlung des vorläufigen Reichswirt schaftsrats hat mir mitgeteilt, daß zwei Autorenvertreter es dort ausgesprochen haben, eine Verlängerung der Schutzfrist sei lediglich Angelegenheit der Urheber und habe mit Verlagsrecht nichts zu tun. Also überlegen Sie wohl, was Sie tun, meine Herren Kollegen vom schönwissenschaftlichen und Musikverlag!
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