Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.08.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-08-31
- Erscheinungsdatum
- 31.08.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19140831
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191408316
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19140831
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1914
- Monat1914-08
- Tag1914-08-31
- Monat1914-08
- Jahr1914
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 201, 31. August 1914. 20 000, sodaß man von 5 Uhr morgens bis 7 Uhr abends warten mutzte, um Zutritt zur Kasse zu erlangen. Die Personen, die 1870/71 miterlebt hatten, erinnerten sich mit Grauen des Mangels an Nahrungsmitteln im cingeschlosscnen Paris, und die von ihnen gemachten Schilderungen hatten zur Folge, datz in diesen Tagen jedermann grötzere Vorräte einkaufte, wodurch dann wieder die Preise in die Höhe getrieben wurden. Während der letzten Tage vor der Kriegserklärung war die Spannung dann aufs höchste gestiegen. Selbst diejenigen fran zösischen Blätter, die am meisten dazu beigetragen hatten, den Weltbrand zu entzünden, fielen wegen ihrer unparteiischen Be richterstattung auf; allerdings wurde wohlweislich vermieden, von dem Doppelspiel des Zaren zu berichten, das die deutsche Mobil machung herausforderte. Dann jagten sich die Ereignisse: Freisprechung von Mme. Caillaux, Kundgebungen für und gegen den Krieg, Rückkehr des Präsidenten Poincare von seiner Nordlandsfahrt, Ermordung des Sozialistenführers Jean Jaurös. Die Polizei fing an, bei deut schen Geschäftsinhabern »Umfragen« anzustellen; der Bürger meister von Clichh gab bekannt — und dies zu einer Zeit, als die Großmächte noch nach einer versöhnlichen Fonnel suchten —, datz »im Falle einer Mobilmachung alle Deutschen und Österreicher die Stadt innerhalb 24 Stunden zu verlassen hätten«. Deutsche Kausleute waren in der Hauptsache als Kommissio näre in Paris tätig, die Mehrzahl dieser Firmen schloß wegen der ungünstigen Lage die Geschäfte und schickte die Angestellten heim. Wie alle Geschäftszweige und der Handel von Luxusgegen ständen im besonderen, so hatte der Pariser Buchhandel schon während des ganzen verflossenen Jahres unter keinem günstigen Stern gestanden. Der Gesamtlage des Weltmarktes entsprechend spürte man, datz etwas in der Luft lag, was das Zustandekommen eines dauernden günstigen Geschäftsganges unmöglich machte. Die ohnehin geringe Kauflust wurde noch durch verschiedene Ver wicklungen gemindert, wie das Sinken der Gummipreise in Bra silien, die vielen Krachs in den Kreisen argentinischer Grund stücksbesitzer und den amerikanisch-mexikanischen Konflikt. Die politischen Zustände der letzten Wochen brachten es mit sich, datz der geschäftliche Tiefstand auch nach Frankreich Übergriff und sich hier in empfindlicher Weise bemerkbar machte. Ich habe mir hierzu erzählen lassen, daß bei bedeutenden Pariser Verlags häusern, deren Tagesumsatz im Durchschnitt mehrere Tausend Frauken beträgt, der tägliche Absatz schließlich auf 50 t'res. herab sank, worin die Buchungen für das Inland und das Ausland ent halten waren. Die Bestellungen liefen schließlich immer spärlicher ein, zuletzt kamen Verlangzettel fast nur noch aus Belgien und Eng land an. Etwaige deutsche Aufträge wurden bis auf weiteres zurückgelegt und harren heute noch der Erledigung. In Paris kaufte niemand mehr Bücher, man ging eventuell ins Kino, um seinen Nerven eine Abspannung zu ermöglichen, aber zum ruhigen Genuß eines literarischen Werkes fehlte die Zeit. Eine vieltausendköpfige Menge umstand alle Abende das Geschäftshaus des »Matin«, der die neuesten Depeschen bekannt- gab. Wer konnte da noch einsam in seiner Klause bleiben, wenn auf den Straßen der Pulsschlag einer internationalen Stadt stär ker als je fühlbar wurde? Ein Extrablatt jagte das andere, und wenn man vom Boulevard Poissonnisre zum Place de l'OPera gegangen war, so hatte man mindestens 3 verschiedene Blätter erworbem Dann fingen auch die Zeitungen an, sich auf die Kriegslage vorzubereiten, und zwar dadurch, datz früher 4 Seiten starke Blätter aus die Hälfte des Umfangs zurückgingen. Selbst die führenden politischen Organe sahen sich zu einer Ver minderung ihres Formats genötigt, was damit begründet wurde, datz das Papier die Munition der Zeitungen sei und in Anbe tracht der drohenden Verhältnisse sparsam damit umgegangen werden müsse. Im übrigen waren schon seit längeren Wochen auch im Pa riser Buchhandel die Schatten bemerkbar, die die kommenden Er eignisse vorauswarfen. Als bei der letzten Jahresversammlung der französischen Sortimenter der Präsident des Zzmckieat äss 1326 lübraires die Konkurrenz beklagte, die dem Pariser Verlag durch ausländische Firmen erwüchse, wurde daraufhin in einer gewissen Tagesprcsse festgestellt, daß der Mahnruf nur in Hinsicht aus zu gründende deutsche Häuser erfolgt sei — während klar auf der Hand lag, daß bereits bestehende englische Häuser, die in der Hauptsache billige Literatur vertreiben, für den geringen Umsatz der Romane des nationalen Verlages zu 3 kres. 50 ets. verantwortlich waren. Die Zeit der großen Spannungen und ernsten Befürchtungen fand am 1. August ihr Ende. Am Morgen dieses Tages wurden Kanonen durch die Stadt gefahren, und die Kunde sickerte durch, datz Frankreich seine Reserven einziehe. Die Zeitungen beteuerten zwar, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden noch in Deutschlands Hand läge, — aber als dann am Abend um 5 Uhr die Kunde von der Mobilmachung durch die Weltstadt eilte, hörte man fast vor jedem Haus Frauen sagen: »tznol mallmur — gnel malbsnr!«, während die Männer im allgemeinen aufatmeten, datz der gespannte Zustand endlich eine Lösung gefunden hatte. Die bitterernste Wirklichkeit wurde immer noch der lastenden Ungewiß heit vorgezogen. Ich habe in jenen Tagen von manchem Franzosen die Worte gehört: Weil wir uns nun doch einmal schlagen müssen, tun wir dies endlich, damit wir danach wieder für eine gewisse Zeit in Ruhe leben können. Eine Stunde nach dem Bekanntwerden der Mobilmachung konnte der Schreiber dieser Zeilen nach Belgien abfahren. Die Reise war nichts weniger als ein Vergnügen, aber es war ihm daran gelegen, rechtzeitig bei seinem Truppenteil einzutreffen, was ihm auch gelang. Die ruhige Begeisterung des deutschen Volkes bildete einen wohltuenden Gegensatz zu den zuletzt in Frankreich gesehenen Bildern, und das Lied von der »Wacht am Rhein«, das den Reisenden aus allen Bahnzügen entgegentönte, war der »Marseillaise« vorzuziehen, die in der französischen Grenzstation Jeumont vom Militär, von den Bahn- nnd Zollbeamten, den Zivilpersonen usw. gesungen wurde, wobei nicht der Zurufe und Tätlichkeiten gedacht werden soll, zu denen die aufgeregte Be völkerung sich Hinreitzen ließ. Der deutsche Buchhändler-Verein »Paris« hatte noch am 26. Juli unter reger Beteiligung seinen alljährlichen Ausflug vor nehmen können, der diesmal Fontainebleau als Endziel Halle. Wohl wurde die Stimmung ein wenig durch die politische Lage beeinträchtigt, aber der den Buchhändlern eigene Optimismus bewirkte, daß sich am Abend dieses Tages alle Teilnehmer mit der Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konfliktes trennten. Nur ganz wenige haben sich seitdem wieder gesehen, aber es ist anzunehmen, datz die Mehrzahl der deutschen und österreichischen Buchhändler noch rechtzeitig Paris verlassen nnd deutsches Ge biet erreichen konnte, über den Direktor eines der größten deut schen buchhändlerischen Kommissionsgeschäfte, dem das Pflicht gefühl verbot, seinen Platz zu verlassen, habe ich bis heute keiner lei Nachrichten erhalten können, vermutlich ist er mit anderen Landsleuten in die Phrenäen gesandt worden. Was aus den deutschen Buchhandlungshäusern, d. h. den Filialen deutscher Verlage, den Kommissionsfirmen und den Sortimenten geworden ist, läßt sich Wohl so bald nicht feststellen. Der Umstand, datz bis her keine Buchhandlung in der Liste der vom Pöbel zerstörten deutschen Geschäftshäusern genannt worden ist, läßt der leisen Hoffnung Raum, datz diese bisher verschont geblieben sind. Auf deutschem Boden traf ich kurz nach meiner Rückkehr den früheren Leiter eines großen buchhändlerischen Unternehmens, das in der Hauptsache mit deutschem Kapital in Paris betrieben wird. Nur durch eilige Flucht hatte er sein eigenes Leben und das der Seinen in Sicherheit bringen können, aber mit ganz be sonderer Genugtuung erzählte er davon, wie viele seiner fran zösischen Angestellten beim Abschied geweint und ihm besonders nr seine liebenswürdige Art, mit ihnen umzugehen, gedankt hät ten. Späterhin haben mir andere, ehemals in Paris ansässige deutsche Geschäftsleute von ähnlichen Abschiedsszenen Mitteilung gemacht, und ich glaube auf diese Tatsache Hinweisen zu müssen, um klarzulegen, datz deutsche Geschäftsleute auch jenseits der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder