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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1905
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- Ausgabe
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- 1905-05-18
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1905
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- Deutsch
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4716 Nichtamtlicher Teil. 114. 18. Mai 1905 gesetze wehren sollten. Was das Strafgesetz in der Be kämpfung unsittlicher Literatur. Bilder usw. leisten kann, das hat es tatsächlich geleistet; was man der Justiz anver trauen kann, das hat die Justiz heutzutage in Händen. Der Herr Kollege vr. Roeren beruft sich darauf, daß der Z 184 des Strafgesetzbuchs bei uns seit 30 oder 50 Jahren gelte, ohne erweitert worden zu sein, während andre Gesetzgebungen neue Formulierungen eingeführt hätten. Dem Herrn Kollegen Roeren als Richter wird wohl be kannt sein. daß. wenn auch der Wortlaut des Gesetzes vielleicht derselbe geblieben ist. das Gesetz durch die Aus legung und die Handhabung seitens der Gerichte einen voll kommen andern und erweiterten Inhalt erhalten hat. ganz abgesehen von den Änderungen, die es noch durch die Isx Hompesch vor einigen Jahren erhalten hat. Der Begriff der Unzüchtigkeit, der unzüchtigen Schrift, der unzüchtigen Handlung war ursprünglich viel enger, als er heute von der Rechtsprechung behandelt wird. Die ernsthafte und richtige Ansicht nahm in früherer Zeit an — und das Reichsgericht hat das in mehreren Entscheidungen früher anerkannt —. daß -unzüchtig- nur das wäre, was bestimmt wäre, in irgend einer Weise geschlechtliche Erregungen hervorzurufen. Heutzutage steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkte daß unzüchtig alles ist. was geeignet ist. das Scham- und Sittlichkeitsgefühl des normalen Menschen »in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen«. Und der »Normalmensch« — das wissen wir ja — ist bei uns der Denunziant (oh! und Lachen in der Mitte und rechts), das ist bei uns das Mitglied irgend eines Sittlichkeits denunziantenklubs. (Heiterkeit und Unruhe.) Der Normalmensch ist der Schutzmann, der sogar noch einmal umkehrt, um das vorschriftsmäßige Ärgernis zu nehmen. (Heiterkeit.) Durch die Einführung dieses Begriffs, der -Unzüchtigkeit-, dem es genügt, das Scham- und Sittlichkeitsgesühl des normalen Menschen in geschlechtlicher Hinsicht verletzt zu sehen, hat der Z 184 des Strafgesetzbuchs eine Ausdehnung erfahren, daß man wenn man will, alles darunter bringen kann. Wenn heute Goethe und Schiller nicht aus Z 184 angeklagt werden, so geschieht es nur deshalb nicht, weil man die als Klassiker respektiert, und weil man sich doch etwas fürchtet sie anzutasten, weil es allmählich doch auch bei uns Leute gibt, die sich vor dem Lächerlichen fürchten. Aber nach der Judikatur des Reichsgerichts könnte man unzählige Sachen von Goethe und Schiller unter den S 184 bringen und konfiszieren. Das Reichsgericht hat sich im Gegensatz zu der Ansicht, die früher der Oberreichsanwalt Olshausen ausgesprochen hat. aus den Standpunkt gestellt, auch ein wissenschaftlicher, auch ein künstlerischer Zweck beseitige nicht den Charakter der unzüchtigen Schrift, wenn dadurch das Scham- und Sittlichkeitsgesühl in geschlechtlicher Beziehung beim Normal- msnschen verletzt würde. Sie sehen also, es gibt schon heute für die Handhabung des Paragraphen gar keine Grenze. Dazu ist er nun noch erweitert worden durch die Zusätze aus der Isr Heinze, durch die besondern Beschränkungen des Angebots an jugendliche Personen. Wir haben also einen Paragraphen, der an sich schon eine gemeine Gefahr für die Literatur und die Kunst darstellt. Nun gebe ich Ihnen aber ohne weiteres zu. daß dieses rigorose und der weitesten Ausdehnung fähige Strafgesetz nichts genützt hat gegen die wirklich schamlose und schmutzige Literatur. Trotz dieses Strafgesetzes werden immer wieder wirklich pornographische Sachen verbreitet, und das Merk würdige. meine Herren, ist. daß die Polizei die schmutzigsten dieser Dinge ganz ruhig gewähren läßt. (Sehr richtig! links und in der Mitte.) Die Gewerbeordnung bestimmt bekanntlich, daß gewisse Sachen vom Straßcnhandel ausgeschlossen werden können. Alle Augenblicke liest man. daß die Nummer eines Witz blatts wegen einer politischen Attacke vom Straßenhandel ausgeschlossen wird; aber alle Tage bieten einem die Straßenhändler die schmutzigsten Witzblätter für 10 H an. Blätter, auf deren Titel gleich irgend ein halbnacktes Frauenzimmer die Lüsternheit des Beschauers erwecken soll. Wenn die Polizei wollte, könnte sie schon heute die wirkliche Schmutzliteratur ganz anders anpacken, als es geschieht. Sie tut es aber nicht. Warum sie es nicht tut. weiß ich nicht; vielleicht geht sie von dem Stand punkt aus. der meines Erachtens der richtige ist. daß man durch Verfolgungen solche Sachen bloß interessanter macht; und es ist eine Tatsache, daß der Absatz dieser kleinen schmutzigen Witzblätter zurückgegangen ist. seit die Polizei sie weniger behelligt und ihnen nicht mehr Gelegenheit gibt, zu schreien: »konsfisziert und verboten«, — und seit das Publikum nicht schon auf Grund der Konsfiskation der frühern Nummer die nächste gleich mit lüsternen Augen erwartet. Wenn die Strafgesetze wenig erzielt haben, so ist das für mich nicht ein Grund, neue Strafgesetze zu geben, sondern lieber andre Wege einzuschlagen, um die wirkliche Unsittlichkeit zu bekämpfen. Nun haben wir aber noch andre Gründe, weswegen wir gegen die Petition sind, und zwar weit stichhaltigere. Wir sagen es ganz offen, daß wir glauben: hinter diesem Kampf gegen die angeblich unsittliche Literatur verbergen sich ganz andre Zwecke, verbirgt sich die Absicht, die Er örterung des Natürlichen und des Wahren noch mehr einzuengen, als es heute schon der Fall ist. die Absicht, wirkliche Kunst und Wissenschaft zu beschränken, in der Kunst die Darstellung des Nackten, in der Wissenschaft die Verbreitung der Kenntnis vom Natürlichen zu be kämpfen und zu unterdrücken, und gleichzeitig dabei politische Feinde zu treffen. Diejenigen, die da in der Kommission ein Zitat aus einer Äußerung des Herrn v. Leixner oorgebracht haben, haben diese Absicht verraten, als sie den -Simplizisstmus- und die »Jugend« als un sittliche Schriften anführten. Mit Leuten, die auf diesem Standpunkt stehen, zu streiten, hat ja eigentlich keinen Zweck. Nach meinem Gefühl, und ich glaube, nach dem Gefühl der großen Menge des deutschen Volks, sind diese beiden Zeitschriften zwar derb, sagen gründlich die Wahr heit. scheuen auch nicht die geschlechtlichen Stoffe — es wäre entsetzlich, wenn die Kunst das Geschlechtliche vermeiden wollte —; aber unzüchtig sind sie nicht. (Sehr richtig I links. Na! na! in der Mitte.) Dagegen sind sie gewissen Leuten, namentlich der Zentrums- partei, sehr unangenehm (sehr richtig! links). und nach der großen Blamage im vorigen Jahre, wo man den -Simplizisstmus« von vorn treffen wollte, möchte man ihn jetzt hintenrum treffen. Und was die »Jugend- be trifft. na. so ist es kein Wunder, daß die »schwarzen Auguste» und die schwarzen — wie heißen sie doch? — »Adolfe« darin übereinstimmen, dieses Blatt unterdrücken zu wollen. Die Ausführung des Herrn Kollegen Roeren. daß es eine halbwisscnschaftliche naturwissenschaftliche Literatur gäbe, die verführend wirkte, hat etwas für sich. Es mag solche Bücher geben, die nur auf den Sinnenkitzel ablaufen; aber
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