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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1905
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1905-05-18
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1905
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- Deutsch
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4714 Nichtamtlicher Teil. ^ 114, 18. Mai 1905. (Roercn) Christ oder Atheist, radikal oder konservatio sein: Reinheit des Familienlebens, Reinheit der Jugend, Gesundheit der Geschlechter steht auf dem Spiel. Das schreibt die liberale Münchener -Allgemeine Zeitung». Ja, meine Herren, selbst das -Berliner Tageblatt-, das damals in der Heinzebcwegung ja tonangebend sein wollte, kann nicht umhin, über die Zunahme der Schmutzliteratur zu klagen. (Hört! hört! in der Mitte. Zurufe links.) Es wendet sich in einem Artikel vom 6. August v. I. gegen die Nichtswürdigkeiten des literarischen Schmutzes, der sich in den jetzt so massenhaft vertriebenen Zehnpfennigblättern befindet, und fordert wegen der ungeheuren Gefährlichkeit solchen Seelengifts energisches Einschreiten. Wir schreien nicht gern — so schreibt es — nach der Polizei, aber hier ist doch ein Fall ge geben, der sich zur amtlichen Behandlung besser eignet als das Vorgehen gegen mißliebige politische Zeitungen. Und in einem andern Artikel, der denselben Gegenstand be handelt, -Die obszöne Schundlektüre-, heißt es: Wenn irgendwo, so sollte der beliebte Grobeunfug- paragraph hier Anwendung finden. Das schreibt das »Berliner Tageblatt-l (Zurufe von den Sozialdemokraten.) — Ich verstehe die Zurufe nicht recht — Schundlcktüre heißt es hier; obszöne Schundlcktüre! Und an der andern Stelle ist die Rede von den Nichtswürdigkeiten des literarischen Schmutzes, der sich in den Zchnpfennigblättern anbictet, und der Artikel geht dann näher darauf ein, wie die Lektüre dieser Zehnpfennigschristen namentlich auf unsre Jugend wirken muß. Ich will Ihnen die Artikel nicht ganz vorlesen. — Ich verstehe nicht, was mit dem Zwischenruf -Kuppelei annoncen- gesagt sein soll. Auch diese rechne ich zu dem Schmutz, und auch gegen sie soll deshalb jedenfalls nach dem Wunsch der Petition vorgegangen werden. Meine Herren, selbst der Goethcbund wendet sich gegen den Schmutz. Er hat auf dem letzten Delcgiertentag in Dresden, der im April v. I. stattfand, folgenden Beschluß gefaßt: Der Delcgiertentag der Deutschen Goethebünde ersucht die Einzelbünde, in ihren Wirkungskreisen gegen die Schmutzliteratur und -Kunst in geeigneter Form vor zugehen, da diese Unkunst einen Schaden gegen die echte Kunst bedeutet. Und in dem Referat bemerkte der Professor Goldstein (Königsberg): »Das schlimmste der pornographischen Literatur seien die Ansichtskarten, die Photographien aus dem Leben und halbwissenschaftliche medizinische Literatur, die sich mit sexuellen Problemen beschäftige; hier sei ein Eingreifen nötig-, .— also jedenfalls ein behördliches Vorgehen. Meine Herren, so wird also von allen Seiten ein Ein schreiten gefordert. Daß eine Anwendung des Grobenunfug- paragraphen, ohne daß man dem Paragraphen Gewalt antut, hier nicht möglich ist, brauche ich wohl' nicht auseinander zusetzen. Aber auch das bisherige Einschreiten der Behörden, der Polizei und des Staatsanwalts auf Grund der Sittlich- kcitsgesctze hat keine genügende Abhilfe geschaffen; denn überall ist ja dieselbe Klage, daß der Schmutz sich immer breiter macht. Das hat seinen Grund zunächst in der Zaghaftigkeit der Polizei auf diesem Gebiete. Diese Zaghaftigkeit aber wird dann noch gefördert durch die so häufige Erfolglosig keit des Einschreitens, das in auffallend vielen Fällen mit der gerichtlichen Freigabe der konfiszierten Schriften und Bilder endigt. Diese Machwerke werden dann mit der Reklameübcrschrift »polizeilich konfisziert, gerichtlich frei- gegeben- versehen und finden rasenden Absatz. Meine Herren, daraus geht hervor, daß die gegenwärtige Gesetzgebung nicht genügt, um diesem Schmutz wirksam bei- kommcn zu können, und das liegt daran, daß der Begriff »unzüchtig- im Z 184 ein zu enger ist. Ich will darauf jetzt nicht näher eingehen, aber nur eins anführen: die Gesetz gebungen aller Länder, Frankreichs, Norwegens und Schwedens, Hollands, Belgiens, Italiens, Österreichs, Englands, Amerikas, haben alle den Begriff »unzüchtig» zu eng gefunden und sind darüber hinausgegangen. Sic haben ihn entweder ganz be seitigt und durch andre Begriffe ersetzt, wie -ärgerniserregend», »unanständig-, »schamverletzend- usw. oder haben ihn, wie z. B. in England, behalten, aber durch andre Begriffe ergänzt. Das einzige Gesetzbuch, das auf dem alten Standpunkt stehen geblieben ist, aus dem es bereits vor 33 Jahren stand, ist das deutsche Strafgesetzbuch. Es hat immer an seinem ur sprünglichen Begriff in S 184 festgehalten. Nun, meine Herren, mochte ja damals vor 30 Jahren ein Bedürfnis nicht vorliegen, diesen Begriff zu erweitern; aber seitdem die Errungenschaften der Technik in der Repro duktion, in der Vervielfältigung sich leider auch in den Dienst des Schmutzes gestellt haben, hat die Literatur und haben die Literaturprodukte für unser Volksleben eine ganz andre Bedeutung bekommen, als dies vor drei Jahrzehnten der Fall war. Damals wurden Bilder und Photographien nur in vereinzelten Exemplaren hergestellt und waren nur zu erheblichen Kosten zu erhalten. Dadurch war der Kreis der Verbreitung schon von vornherein ein sehr begrenzter. Jetzt aber werden, infolge der Leichtigkeit und Billigkeit der Re produktion und Vervielfältigung, diese Bilder und Schriften zu Tausenden und Hunderttausenden von Exemplaren her- gestellt und durch das ganze Land verbreitet. Das ganze Land wird mit ihnen überschüttet, und dadurch haben diese Literatur- und Bildprodukte eine ganz andre und gefähr lichere Bedeutung für unser Volksleben erhalten als zur Zeit der Emanation des Strafgesetzbuchs. Eine gute Gesetz gebung trägt aber der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung. Das muß auch die Strafgesetzgebung tun, gerade so gut, wie dies seitens der Gesetzgebung ans allen andern Gebieten geschieht: auf sanitärem Gebiet, auf dem Gebiet des Verkehrslebens, wo überall mit den Neuerungen auch neue Schutzmaßnahmen getroffen werden. Nur hier in diesem Punkte, wo es sich um die moralische Verseuchung des Volkslebens handelt, ist die deutsche Gesetzgebung aus ihrem alten Standpunkt stehen geblieben. — Das nur habe ich über den Begriff -unzllchtig- hier zu bemerken. Vor fünf Jahren, als seitens der Regierung ein Para graph vorgeschlagen wurde, der die Verbreitung von Bildern und Schriften über den Begriff »unzüchtig» hinaus unter Strafe gestellt haben wollte, da haben Sic eingewandt, die Fassung des Paragraphen sei zu unbestimmt, auch künst lerische und wissenschaftliche Erzeugnisse könnten da gefaßt werden. Diese Einwendungen, mit denen Sic damals gegen jenen Paragraphen Stellung nahmen, müssen hier, wie ge sagt, völlig ausscheiden. Es handelt sich hier nicht darum, einen bestimmten Paragraphen zu formulieren zur Verfolgung der Schmutzliteratur, sondern lediglich um die Frage, ob Sie wünschen, daß der Schmutz in Literatur und Bild wirksanier bekämpft wird als bisher. Welche Maßnahmen dazu er forderlich sind, bleibt dem spätem Vorgehen der verbündeten Regierungen und unserm Vorgehen überlassen; vielleicht wird ja eine Fassung gewählt, die Sie selbst vorschlagen. Denn auch Sie wollen — ich habe das aus einem Artikel des »Vorwärts« gelesen — diese Schmutzprodukte treffen. Auch auf sozialdemokratischer Seite empfindet man, daß gegen wärtig nicht genügend gegen diesen Schmutz vorgegangeu
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