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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1906
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- 1906-12-01
- Erscheinungsdatum
- 01.12.1906
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- Deutsch
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12448 Nichtamtlicher Teil. 279, 1. Dezember 1906. (Kirsch) Nun fehlt ferner bezüglich der einzelnen in dem Antrag auf geführten Fälle jede Begründung, jede klare Darstellung. Was ist z. B. die Einleitung der Strafverfolgung bei Streikoergehen? Werden Streikvergehen denn nur von den Arbeitnehmern, nicht auch, wenigstens von Ihrem Standpunkt aus, von den Arbeit gebern verbrochen? Machen die nicht gewisse Manipulationen, die man als Streikoergehen gegen die Freiheit der Streikenden be zeichnen muß? Fällt das auch darunter? Dann ist es weiter zweifelhaft, was ein Vergehen ist, das einen politischen Charakter hat. Auch dafür finden Sie im Straf gesetzbuch keine Tatbestandsmerkmale angegeben. Ich will aber zugebcn, daß gewisse Auslieferungsverträge des Deutschen Reiches mit anderen Staaten, beziehungsweise von Preußen mit anderen Staaten den Begriff des politischen Verbrechens und Vergehens enthalten. Meine Herren, Sie sehen hieraus, daß Sie den sozialdemo kratischen Antrag absolut nicht annehmen können, und ich bitte Sie deshalb, diesen Antrag abzulehncn. Dagegen bitte ich, wie es auch schon der Herr Kollege Jtschert getan hat, den Antrag Henning-Porzig anzunehmen, die richterliche Anordnung wieder zu streichen. Ich habe, glaube ich, schon angegeben, welche Gründe dafür bestehen, daß wir nämlich hier für ein verhältnismäßig geringfügiges Vorgehen der Polizeibehörde eine viel schärfere Be dingung einführen sollen als für die Tätigkeit, die sie ausübt bei der Verhaftung, bei der Beschlagnahme, bei der Hausdurch suchung; denn wir wollen hier die vorherige richterliche Anord, nung, die in allen diesen Fällen nicht nötig ist. Etwas anders wäre es gewesen, wenn die sozialdemokratische Partei den Antrag eingebracht hätte, daß die Anordnungen, die die Polizeibehörde in einzelnen Fällen wegen der Abbildung usw. trifft, nachher durch den Richter bestätigt werden müssen, und daß sie außer Kraft ge setzt werden, wenn der Richter der polizeilichen Tätigkeit keine Billigung zuteil werden läßt. Aber ich werde mich hüten, einen solchen Antrag zu stellen, will das vielmehr dem gesetzgeberischen Talent der Sozialdemokratie überlassen. Präsident: Das Wort hat der Herr Bevollmächtigte zum Bundesrat, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Or. Graf von Posadowsky-Wehner. vr Graf v. Posadowöty Wehner, Staatsminister, Staats sekretär des Innern, Bevollmächtigter zum Bundesrat: Meine Herren, es ist heute Uber den höchsten Gerichtshof des Deutschen Reichs die Äußerung gefallen, seine Judikatur habe nur den Zweck, den politischen Wünschen der Regierung entgegenzukommcn und um dieselben ein Mäntelchen zu hängen. Ich glaube, wir sollten uns freuen als über eine Errungenschaft des Deutschen Reichs, daß wir einen obersten, unabhängigen deutschen Gerichts hof haben, und ich muß deshalb einen derartigen Angriff gegen das Reichsgericht mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Gegen eine Behörde, die aus den hervorragendsten Richtern der Einzel- staaten besteht, aus einer Auslese des deutschen Juristenstandcs, aus Männern, die für Lebenszeit angestellt sind, die nicht zwangs weise pensioniert werden können, die alle Garantien der Un abhängigkeit bieten, gegen einen solchen Gerichtshof sollte man einen derartigen Vorwurf nicht erheben! (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Weiter hat einer der Herren Abgeordneten behauptet, eine Photographie zwangsweise aufzunehmen, sei nicht zulässig, und er ist auf eine Anzahl von Einzelfällen eingegangen, in denen angeblich brutale Gewalt gebraucht worden ist. Mir sind diese Fälle selbstverständlich nicht bekannt, können all diese Einzelsälle nicht bekannt sein; da sie aber hier zur Sprache gekommen sind, bin ich fest überzeugt, daß der preußische Herr Minister des Innern die Sache untersuchen und daß, falls Überschreitungen vorgekom men sind, eine Zurechtweisung der betreffenden Beamten er folgen wird. Aber an der rechtlichen Zulässigkeit der Handlung an sich ist meines Erachtens nicht zu zweifeln. Bei dieser Auffassung stütze ich mich auf ein Erkenntnis des Reichsgerichts vom 2. Juni 1899. Dort ist, wenigstens für Preußen, entschieden, daß es auf Grund § 10 Teil II Tit. 17 des Allgemeinen Landrechts ganz unzweifel haft zulässig ist, von Personen, die eines Vergehens oder Ver brechens verdächtig sind, ein Signalement aufzunehmen. Eine Photographie, die man in solchem Falle aufnimmt, ist indes meines Erachtens tatsächlich nichts andres als ein Signalement. Das Reichsgericht führt aber in seiner Entscheidung aus drücklich aus: Die Art und Weise, in welcher eine solche Aufnahme d. h. eines Signalements — bewirkt wird, fällt wesentlich in den Bereich des pflicht mäßigen Ermessens derjenigen Behörden und Beamten, ordnungen haben ihr Maß und ihre Grenze einerseits aus dem Zweck der fraglichen Feststellung, anderseits aus dem Gesichtspunkte zu entnehmen, daß Maßnahmen, welche an sich den Charakter der körperlichen Mißhandlung tragen oder geeignet sind, die Gesundheit des Betroffenen zu schädigen, jedenfalls ausgeschlossen erscheinen müssen. Also das Reichsgericht hält hiernach unzweifelhaft auch ein zwangs weises Photographieren an sich für zulässig und schließt nur Handlungen aus, die den Charakter von Mißhandlungen tragen oder geeignet sind, die Gesundheit des zu Photographierenden zu schädigen. Meine Herren, daß aber Personen, die eines Vergehens oder Verbrechens verdächtig sind, zwangsweise photographiert werden, das — behaupte ich bis zum Beweise des Gegenteils — ist eine Praxis der Polizei in allen Kulturländern; das geschieht — behaupte ich — in den Vereinigten Staaten von Amerika, in England, in Italien. Daß das eine Maßregel ist, die unter Um ständen im Interesse der Sicherheitspolizei auch unbedingt nötig ist, wurde selbst von dem Herrn Vertreter der sozialdemokratischen Partei nicht bestritten. Nun soll nach dem Beschluß der Kommission in Zukunft eine solche Maßregel nur auf Grund richterlicher Anordnung ergehen dürfen. Bedenken Sie aber, wie schnell bei den heutigen Ver kehrsmitteln sich ein Verbrecher dem Gesichtskreis der Polizei entziehen kann — wenn da erst eine richterliche Anordnung ein- geholt, das Material gesammelt und gesichtet werden sollte, um beim Richter einen Antrag zu begründen, dann wird wahrschein lich die Zeit, in der eine solche Handlung der Sicherheitspolizei vorgenommen werden konnte, vielfach längst verstrichen sein; es müßte eine Verzögerung eintreten, die für den Sicherheitsdienst außerordentlich bedenklich wäre. Außerdem würde es sehr häufig auch am zuständigen Richter fehlen. Das ist ja das eigentliche Gebiet des Sicherheitsdienstes, da, wo der Verdacht eines Verbrechens oorliegt, sofort einzuschreiten, die objektiven Merkmale zu sammeln. Sehr häufig kann man aber in solchen Fällen gar nicht wissen, welches der zuständige Richter ist; es sind eben Präventiomaßregeln! Wollten Sie also hier eine Bestimmung aufnehmen, daß zur Ausnahme der Photographie von Verdächtigen ein richterlicher Befehl nötig ist, dann müßte zunächst die Strafprozeßordnung geändert und die Zuständigkeit des Richters festgestellt werden, der den Befehl zu erteilen hat. Außerdem mutete man damit dem Richter eine polizeilich administrative Tätigkeit zu; selbst im engeren Strafprozeß wäre diese Maßregel, wenn sie angeordnet wird, nicht vom Richter anzuordnen, sondern in der Regel von der Staatsanwaltschaft, welche den Steckbrief erläßt, die Beschlagnahme, die Durchsuchung anordnet usw. Nun wollen Sie hier noch den Begriff des politischen Ver gehens hineinbringen in das Gesetz. Ich rate dringend davon ab. Was ein politisches Vergehen ist, und ob ein solches oorliegt, ist sehr oft lediglich eine Parteifrage. Ich glaube, die Herren von der Sozialdemokratie z. B. würden eine Handlung vom politischen Standpunkte ganz anders beurteilen als die Herren von der Rechten. (Sehr richtig! rechts und links.) Also in einem Gesetz den Begriff -politisches Vergehen» objektiv festzustellen, ist un möglich; das ist eine Rechtsfrage, eine innere Strafprozeßfrage, und man kann hier bei dieser Gelegenheit nicht einen neuen Begriff in das Gesetz hineinbringen. Außerdem hat der Herr Abgeordnete Stadthagen den Gesetz entwurf, glaube ich, mißverstanden. Es handelt sich hier doch nur aber eine Photographie, ein Kunstwerk hergestellt wird, darüber kann und soll dies Gesetz nicht entscheiden. Ob jemand befugt ist, eine Photographie aufzunehmen, das ist Sache des gemeinen Rechts, aber nicht Sache eines Kunstschntzgesetzes Der Herr Ab geordnete Stadthagen entgegnete einem Abgeordneten des Zen-
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