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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1906
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- 1906-12-01
- Erscheinungsdatum
- 01.12.1906
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- Deutsch
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12450 Nichtamtlicher Teil. ^ 279, 1. Dezember 1906. (vi. Bärwinkel) wägung, welche uns dazu veranlassen. Wir sind der Meinung, daß eine gerichtliche Anordnung das ganze Verfahren erheblich verzögern würde, und daß Schnelligkeit hier sehr am Platze ist, Schnelligkeit nicht nur, wo es sich darum handelt, den Täter zu ergreifen, sondern vielfach auch da, wo es sich darum handelt, einen unschuldig Verhafteten wieder zu befreien. Allein über die Vervielfältigung handelt dieser § 23 und nicht über die Anfertigung des Bildes, wie von einigen Seiten ausgeführt worden ist; auf Grund dieser Bestimmung wird eine Anfertigung nicht hergestellt werden können. Der häufigste Zweck, wo Bilder verbreitet werden müssen, ist der, damit ein Täter ergriffen werden soll, und der soll meist erst gefangen werden; er kann doch erst nach seiner Er greifung photographiert werden. Denken Sie aber an den bekannten Fall des Hauptmanns von Köpenick. Auch da ist, wie bekannt, das Bild seinerzeit aus Wismar oder Schwerin beschaff! worden. (Zurufe links.) — Gewiß, Sie sagen,' er wäre im Zucht haus gewesen. Aber man hatte die Photographie nicht, er war nicht photographiert worden. (Wiederholter Zuruf.) — Gut, wenn Sie das Photographieren an sich verbieten wollen, dann müssen Sie mit demselben Recht auch die Vornahme von Messungen verbieten. Das ganze Bertillonsche System, auf dem unsere Ver brecherkontrolle jetzt aufgebaut ist, würde vollkommen hinfällig werden, wenn diese Messungen nicht vorgenommen werden dürften. Geradeso steht es mit der Photographie. Meine Herren, den sozialdemokratischen Anträgen können wir unsre Zustimmung nicht geben, weil die Spezialisierung uns zu weit geht und die Aufführung einiger Fälle nur irreführen würde. Wir werden also dem Antrag Henning zustimmen, die Anträge Albrecht ablehnen. Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg-Wernigero-er Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer (Berlin). Fischer (Berlin), Abgeordneter: Meine Herren, nur ein paar Worte möchte ich erwidern, weil ich glaube, daß ich besonders die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs nicht unwidersprochen hingehen lassen soll. Der Herr Staatssekretär hat es als unan gebracht erklärt, daß ich hier über das Reichsgericht ein Urteil gefällt habe, von dem er glaubt, daß jede rechtliche Grundlage dazu fehlt. Ich kann vielleicht darauf Hinweisen, daß, als vor wenigen Jahren das Reichsgericht die Feier seines 25jährigen Bestehens beging, in der gesamten deutschen Presse fast ohne Aus nahme dem Mißfallen darüber Ausdruck gegeben wurde, daß das Reichsgericht seinerzeit nach Leipzig verlegt worden war, während die Unabhängigkeit der Richter von den politischen Strömungen Berlins mehr zu sichern. Später hat man gefunden, daß gerade dieses abgelegene Leipzig das Gegenteil herbeiführte, was man damals beabsichtigt hatte. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, die Reichsgerichtsräte seien die besten Juristen, sie seien mit allen möglichen Garantien der Unabhängigkeit ausgestattet, so daß er nicht verstehen könne, wie man da überhaupt zu dem Glauben kommen könne, daß sie von den jeweiligen Regierungs strömungen abhängig seien. Darauf habe ich nur eins zu er widern: Einmal wird, wenn die Reichsgerichtsräte ernannt werden, erst eine sehr sorgfältige Auslese gehalten (sehr richtig!) über ihre politische Charakterfestigkeit, und zweitens kommt noch in Betracht: auch die Reichsgerichtsräte können aus ihrer kapita listischen Haut nicht heraus. Wie sehr berechtigt meine Auffassung war, dafür will ich nur ein paar Beispiele ansühren. Ich habe gesagt, das Reichsgericht sei hauptsächlich deshalb der Regierung so von Vorteil, weil es immer verstanden habe, den augenblicklichen politischen Bedürf nissen der Regierung die juristische Grundlage zu schaffen, das juristische Mäntelchen umzuhängen. Als das Sozialistengesetz kam, war eine der ersten Entscheidungen des Reichsgerichts, daß die Verbreitung verbotener Blätter innerhalb der Familie nichl strafbar sei. Wenige Zeit war vergangen, da hat dasselbe Reichs gericht ausgesprochen, daß die Verbreitung der sozialdemokratischen Blätter innerhalb der Familie strafbar sei (hört! hört! bei den Abonnement auf den »Sozialdemokrat« in Zürich verboten sei. Genau in demselben Maße, wie es der Sozialdemokratie gelungen war, das Sozialistengesetz unwirksam zu machen und das Verbot der periodischen Presse zu umgehen, haben sich die Urteile des Reichsgerichts verschärft und hat es Dinge für strabar erklärt, die wenige Jahre vorher von demselben Reichsgericht für straflos er klärt worden waren. Wenn das nicht heißt, den jeweiligen politischen Bedürfnissen die Rechtsgrundlage zu verschaffen, dann verstehe ich allerdings nichts von den Dingen. Und mit dem Sozialistengesetz hat diese Tätigkeit des Reichsgerichts nicht etwa auf gehört, nein, jeweilen, wie die politische Strömung war und nament lich die Strömung der Regierung gegen die Arbeiterbewegung war, in demselben Maß hat das Reichsgericht entsprechend neue Rechts begriffe geschaffen. Wer hat vor zehn Jahren daran gedacht, daß die Aufforderung zum Kontraktbruch gegen § 110 des Reichs strafgesetzbuchs verstößt? Wer hat die Urteile vom groben Unfug für möglich gehalten, wer hat es für möglich gehalten, daß unter der Androhung der Sperre der Begriff der Erpressung gegeben sei? Und alle diese Dinge könnte man dutzendfach vermehren. Ich muß bei meiner Auffassung bleiben, daß das Reichsgericht der Regierung deshalb von Wert ist, weil es diese Bedürfnisse Dann hat der Herr Staatssekretär aber ein Wort gesprochen, das mich geradezu erschreckt hat. Der Herr Staatssekretär sagte: warum hat man ein so großes Gerede gemacht von dieser zwangs weisen Photographierung, wie sie aus Grund des preußischen Landrechts der Polizei als selbstverständliches Recht gegeben ist, und er hat hinzugefügt: »Wir selber werden ja alle Tage wider Willen photographiert-. Ja, als Schlagwort hat das Wort einen Sinn; aber ich kann nicht verstehen, wie man diese grund verschiedenen Dinge auf dieselbe Stufe stellen kann. Was heißt es, wider Willen durch den Zwang der Polizei auf den Polizei stuhl gesetzt zu werden, und wie eine Hure oder ein Verbrecher photographiert zu werden, bloß weil man eine andre politische Gesinnung hat! Mir fehlt der Begriff dafür, wie man auf gleiche Stufe stellen kann das Abknipsen durch einen Berufs- oder Lieb haberphotographen mit dem von uns getadelten Vorgehen, unter den entwürdigendsten Umständen auf den Polizeistuhl gesetzt und genau wie ein Verbrecher, Landstreicher und Gauner photo graphiert zu werden, bloß weil man ein streikender Arbeiter ist oder eine sozialdemokratische Gesinnung hat, und weil es einem Polizeibeamten einfällt, mich unter dem Verdacht einer strafbaren Handlung auf das Polizeibureau zu laden. Da hört es auf, über die einfachsten Kulturbegriffe gemeinsame Anschauung zu haben! Der Herr Staatssekretär hat ferner gesagt, daß man den Be griff politisches Vergehen oder politisches Verbrechen nicht fassen kann. Darüber brauche ich eigentlich nicht mehr zu reden. Ich habe bereits angeführt, im Wahlgesetz für den Deutschen Reichs tag steht unter § 3, nachdem die vier Ausnahmen statuiert sind, ausdrücklich: Ist der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte wegen politischer Vergehen oder Verbrechen entzogen, so tritt die Berechtigung zum Wählen wieder ein usw. Also hier ist das politische Vergehen und Verbrechen als etwas Selbstverständliches, als fester Begriff gegeben. Der Herr Staats sekretär sagt: ja, über den Begriff politische Vergehen werden die Meinungen der Sozialdemokraten und die der Konservativen grundverschieden sein, über den Begriff des politischen Ver gehens werden wahrscheinlich die Konservativen in dem Augen blick unserer Meinung sein, wo die Sonne und Huld der Regierung nicht mehr über ihnen leuchtet. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Dann hat der Abgeordnete Porzig gemeint, die Tatsachen, die ich angeführt habe, könne er nicht kontrollieren und sie daher nicht als richtig anerkennen. Bitte, die eine Tatsache, daß Streikende von der Polizei auf die einfache Anschuldigung hin verhaftet worden sind, daß andere sich von ihnen belästigt sahen, ist konstatiert von dem Vertreter des Bundesstaates Hamburg in der 8. Legislaturperiode in der 106. Sitzung vom 23. April 1891 Seite 2534. Diese Tatsache steht also fest. Die zweite Tatsache über den Polizeimajor in dem Prozeß in Hamburg, der selbst erklärt hat, daß es das Recht der Polizei sei, bei Räumung der Straßen mit Faustschlägen die friedliebenden Bürger zu bearbeiten, kann der Herr Abgeordnete Porzig in allen heutigen Berliner Tageszeitungen Nachlesen, und wo ein Wort hinzugefügt ist, geschieht es mit dem entsprechenden Gefühl der Entrüstung darüber.
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