279, I. Dezember 1S0S. Fertige Bücher. 12467 V0IM VIVVV MV I0V L'/zr «vornan ^ Die Braunschweigische Landeszeitung schreibt: E. St. Käthe Elsinger. Bericht über Leo Borgs Liebe und Tod, nebst zahlreichen ungedruckten Briefen des Tondichters herausgegeben von Ern st Otto Nodnagel. (Op. 38) „Harmonie", Berlin. Der Roman ist eine Umschreibung der alten Geschichte, die ewig neu bleibt und das Herz entzwei bricht, wem sie just passieret; denn Leo Borg, Pseudonym für einen jungen, hoffnungsvollen Komponisten, liebt ein Mädchen, und die hat einen Anderen gefreit. Als seine erste Oper am Stadttheater zu Leipzig rauschenden Erfolg errang, fiel ihm nachmittags zufällig eine Zeitung mit der betreffenden Ver lobungsanzeige in die Hand, er reiste schleunigst ab, fand das glückliche Braut paar auf der Promenade und beschwerte vor demselben sein armes, geplagtes Hirn noch durch einige Lot Blei in Form einer Kugel. Wie der freiwillige Tod des jungen Jerusalem Goethe zu „Werthers Leiden" anregte, in denen er größtenteils eigene innere Kämpfe und Stimmungen schilderte, so scheint es auch bei Nodnagel, dem bekannten Sänger, Kritiker und Komponisten, der Fall gewesen zu sein, anderenfalls konnte der warmherzige Schriftsteller das Innenleben mit dieser Treue und Wahrheit gar nicht offenbaren. Der Blick in das reiche, eigenartige Seelenleben und die lyrischen Ergüsse desselben in den feurigen, leidenschaftlichen Liebesbriefen bilden den Schwerpunkt des Werkes. Die Partien erinnern stark an Wagners Briefwechsel mit Mathilde Wesendonk, auch die beiden ehelichen Verhältnisse zeigen Ähnlichkeiten. Borgs Frau ist im Haushalt ebenso tüchtig als Minna, gcb. Planer, die erste Gattin des Bayreuther Meisters, und doch war bei beiden ein weiteres Zusammen leben ganz unmöglich, weil den besseren Ehehälften das Verständnis für die Bedeutung des Mannes fehlte; so fragte beispielsweise mitten in anstrengender geistiger Ärbeit Borgs Frau, die ihre Küche peinlich sauber hielt, den Gatten, ob er das Kotelett heute paniert oder unpaniert essen wollte. Die beiden Grundelemente, das lyrische und epische, durchdringen sich wechselseitig so genau, daß ein völlig einheitliches Bild vermittelt wird. Neben dem Künstler tritt die Titelheldin, eine stimmbegabte Altistin mit großer Zukunft, plastisch hervor. Für die kernige Handlung, die den Eindruck der Wahrheit macht, entschädigt die psychologisch interessante Entwickelung vollständig. Bei der Lektüre steigen dem Musiker alte, liebe Schatten auf, denn an die 1. Corregidor- Aufführung zu Mannheim oder an das Musikfest zu Leipzig knüpft der Ver fasser Schilderungen, in denen allgemein bekannte Persönlichkeiten eine Nolle spielen. Äuch hier verleugnet sich übrigens der scharfe Kritiker Nodnagel nicht, z. B. in seinem Urteil über P. Cornelius oder über Mascagnis „bäurische Kavalleriemusik". Dies ist eine Probe des goldenen Humors, der die traurige Geschichte überstrahlt, mildert. Einzelne Bemerkungen werden auch den Nicht musiker stutzig machen, z. B. daß der Tanz die Sinnlichkeit entfache und die Begierden wecke, daß nur das Tanzen Liebender miteinander sittlich sei. Der Stil ist fließend, äußerst gewandt. Das Wort Feuilleton wird immer männlich gebraucht. Diese und andere Nebensächlichkeiten gleichen Fliegen auf einem Marmorbild: der flüchtige Beschauer bemerkt sie, bei andächtiger Betrachtung des Kunstwerkes übersieht man sie. 7/6 lVIH 40V0 Aemiscüt! 2 lioss Lesiöllrettell VeriszsZeseüscksf» „Harmonie" Lerlin V/. 35° 1634'