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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1906
- Strukturtyp
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- 1906-12-01
- Erscheinungsdatum
- 01.12.1906
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- Deutsch
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^ 27S, 1. Dezember 1908. Künftig erscheinende Bücher. 124S1 Freiburg i. B. und sein Volk! gefallen. Kann man sich über die Wirkungen dieser Degradierung des ersten Dieners des Staates zu einem ersten Diener des Hofes Wundern? Unser Autor formuliert diese Wirkungen folgendermaßen: „Längst hat die Eigenart unseres Kaisers das hohe Be amtentum korrumpiert. Seit der Schwerpunkt der Negierung ins Kabinett verlegt wurde, scheint die Intrigenlust des Loses in der Wilhclmstraße eine gutgehende Filiale zu haben. Da bilden sich Eliquen und Parteien, da ziehen Subalterne ihre Drähte nach dem Schloß, da verbinden sich Geheimräte mit der oppositionellen Presse, da wird ,redigiert" und inspiriert, da werden Parlamentarier zu Mitwissern geheimer Akten und Financiers zu Mitschuldigen seltsamer Schiebungen. Da werden Gesandte und Botschafter verleumdet und andere pro tegiert, da ist der eine,Anglophile", und der andere hält es mit den Russen. Der will den Frieden, und jener hält einen ,frischen fröhlichen Krieg" für eine nationale Notwendigkeit. Nichts mehr von allpreußischer Ehrbarkeit, von Beamtenwürde, von Unter ordnung unter ein großes Ganze. Lauter Individualitäten, die Anspruch auf individuelle Behandlung erheben. Lauter Sonder interessen, die sich ganz offen breitmachen . . Hofgunst! Alles läßt sich heute von ihr faszinieren. Wertet sie doch auch anders als in früheren Tagen! Was kümmert den Rat das Urteil seines Chefs, wenn er Aussicht hat, das Auge des Monarchen auf sich zu ziehen! Der fragt den Vorgesetzten nicht lange, wenn er einen für ein Portefeuille in Aussicht ge nommen. Dessen Wohlwollen allein birgt unbegrenzte Möglich keiten. Mit der Kamarilla gilt sich's drum zu halten, in deren Mitte ja auch Fürst Bülow seine Lorberen pflückt. Redliche Arbeit? Damit kommt man heute nicht mehr weit bei uns. Damit kann man verschimmeln aus dem Lederkissen. Broschürenschreiben hilft schon eher Und dann: auf Protektion laufen, sich Gönner erringen durch kleine Gefälligkeiten, gingen sie gleich auf Kosten der Allgemeinheit, für eine ,gute Presse" Vorsorgen. Wilde Streberei ist eingerissen in unseren Ministerien und Reichsämtern Da buhlt man um Parteiengunst und Abgeord netenmandate. um sich dem kaiserlichen Herrn leichter bemerkbar machen zu können. Wenig geschieht mehr um der Sache willen. Wie der Monarch seine Persönlichkeit unablässig in den Vorder grund stellt, so heute schon der jüngste Hilfsarbeiter. Und man chem ist's geglückt! . .. Der persönliche Wille des Herrschers als Anfang und Ende! Der Kanzler als Konkurrent der höfischen Kamarilla, um nur die gefährlichsten Extravaganzen verhindern zu können! — Das Beamtentum über ihn hinweg unablässig nach der höchsten Instanz schielend! — Die Bureaukratie korrumpiert und zum Teil verlottert! — Das Parlament charakterlos bis zur Selbstver nichtung ! Nirgends ein Gegengewicht gegen Kamarilla und Kabinettsregime! So wird in Deutschland regiert im ersten Lustrum des zwanzigsten Jahrhunderts." Daß das persönliche Regiment, indem es in einem Kulturlande wie Deutschland bestrebt ist. absolutistische Regierungssormen aufrecht zu erhallen» zugleich Deutschland in den Augen der Kulturwelt diskreditiert und damit auch isoliert, ist noch jüngst im Reichstage ßervorgeßoben worden. Anfer Verfasser gibt diese schädigende Wirkung in einigen prägnanten Säßen wieder: „Die Zukunft gehört — es mag das für einen überzeugten Monarchisten nicht leicht auszusprechen sein! — der Demokratie. Im demokratischen Boden wurzeln die mächtigen Koalitionen, die sich gegen Deutschland zusammengefunden haben, zusammen finden konnten, weil unser Kaiser die Welt zu überzeugen gewußt hat, daß er und nur er die deutsche Politik mache, weil man das Volk, das sich im Rate der Nationen durch einen Monar chen mit den patriarchalisch.absolutistischen Neigungen Wil helm II. vertreten ließ, nicht reiferfand, mit den aufgeklärteren Mächten des Westens in einem Bunde zu leben. Dem demo- kratischen Europa verkörpern derzeit der Zarismus, der Papis- mus und das Deutsche Reich den Hort der Reaktion. Für die Kräfte, die heute in Wahrheit im deutschen Volke mächtig sind, trifft dieses Arteil sicherlich nicht zu. Das würde auch unfern Nachbarn im Westen und Süden längst klar sein, wenn nicht Wilhelm II. sich als .die Verkörperung des modernen Deutsch tums breit in die Öffentlichkeit stellte und für seine Person einen Raum in Anspruch nähme, der ihr in Wirklichkeit nicht zukommt, in einem konstitutionellen Staatswesen nimmer zu kommen kann. Die Ausstrahlungen unsers öffentlichen Lebens vermögen an dieser Persönlichkeit vorbei offenbar nur schwer ihren Weg nach dem Auslande zu finden. Hier aber muß unbedingt Wandel geschaffen werden. Die Grenze zwischen Ost- und Westeuropa darf nicht länger der Rhein sein, weil sie die Persönlichkeit Wilhelms II. dahin ver weist. Das nationale Deutschtum muß sich von dieser be drohlichen Bevormundung freimachen, muß es doppelt in einer Zeit, da es an dem Zarismus eine Stütze nicht mehr finden kann und die Stütze, die der Papismus ihm zu leihen bereit ist, in seinen kulturell fortgeschrittensten Elementen nicht akzep tieren mag. Die öffentliche Meinung hat deshalb heute Funktionen auszuüben, wie sie wichtiger niemals von der deutschen Welt verlangt worden sind, — im nationalen Interesse. Setzt sich der Kaiser zu diesen Funktionen in Gegensatz, dann hat er den Kampf durchzukämpfen, in dem er auf einem verlorenen Posten ficht." Nur schwer widerstehe ich der Versuchung, noch weitere Proben aus der Anklageschrift wiederzugeben. Der Verfasser trifft den innersten Kern der Sache, in dem er schließlich seststellt, daß „sich auf der ganzen Linie des deutschen Lebens ein Hang zum Äußerlichen geltend macht, dem das Streben nach Erkenntnis und Erfüllung fehlt, daß wir wohl Fortschritte gemacht haben auf dem Gebiete der Industrie, des Verkehrs, des materiellen Lebens überhaupt, aber dafür die alte deutsche Eigenschaft des Strebens zum Wesentlichen, zum verborgenen Kern der Er scheinungen und die Freude an diesem von Nebenabsichten freien Streben mehr und mehr einbüßen, daß wir den alten Idealismus verloren und an seine Stelle Phrase und Schwulst und tönende Worte eingesetzt haben." So die patriotische Anklage. Die Diagnose ist meisterhaft.... Auflage!
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