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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.10.1914
- Strukturtyp
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- 1914-10-10
- Erscheinungsdatum
- 10.10.1914
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. pH 236, 10. Oktober 1914. Diktatur des Schwertes nun die Verewigung dieses Zustandes her leiten zu wollen. Im Gegenteil, wer in dieser Zeit mit einem solchen Gedanken auch nur spielen wollte, würde dem Vaterland den schlechtesten Dienst erweisen, denn schon erheben sich Stimmen im neutralen Ausland, die voller Angst das Ende aller geistigen Kultur herbeigekommen sehen und meinen, Deutschland werde in Zukunft ein einziger riesiger Exerzierplatz werden, auf dem das gesamte deutsche Volk seine gesamte Freizeit zubringe, unterNicht- achtung aller höheren Zwecke und Ziele dieses Erdcndaseins in ihrer Ausprägung als Religion, Wissenschaft und Kunst. Da nun aber diese drei und daneben die Ethik als Inbegriff der sozialen Fragen und der Bestrebungen nach einer allgemein veredelten Lebensführung im besten Sinne problematisch sind — auch die Religion macht keine Ausnahme, wie die bis zu einer wunder baren Tiefe vorgedrungcnen Erkenntnisse beweisen —, so ist mit ihnen für alle Zeiten Polemik verbunden, die ihren Niederschlag in der Literatur, im Buche sucht und findet. Das Buch als Kunst werk ist ebensogut ein Gipfel menschlich-geistiger Entwicklung wie ein großes Gemälde, ein Monumentalwerk, eine Symphonie, wie eine wissenschaftliche Entdeckung, ein Jngenieurwcrk, eine große Organisationsarbeit ein solcher sein kann. Ja, es ist vielleicht der Gipfel der menschlichen Kultur überhaupt, weil es — man denke an die Bibel — das einzige Mittel ist, wodurch sich über Zeiten und Länder hinweg Menschen untereinander verständlich machen und sich das Mitteilen können, was sie zutiefst und zuletzt bewegt. Niemand gibt es heute, der nicht mit heißer, brennender Sehn sucht nicht nur das Ende dieses, sondern des Krieges überhaupt herbeisehnt, aber wieder wird die Erlösung nur von und aus Bü chern kommen, in denen bis zur Selbstopferung bereite Menschen uns die letzten Gründe der Kriege enthüllen werden. Das Buch ist nicht mehr zu entbehren, es ist aus unserm Le ben nicht mehr hinwegzudenkcn, mögen auch die Tat- und Gewalt menschen das Buch verlachen. Freilich ist in dem letzten Jahrzehnt mehr geschrieben und auf den Markt geworfen worden, als gut war. Es hatte sich tatsächlich eine Literaturmüdigkcit eingestellt; man war übersättigt, und in dieser Hinsicht ist die Reaktion, die uns der Krieg gebracht hat, etwas durchaus Gesundes; sie zwingt Schriftsteller wie Verleger zur Selbstbesinnung und nicht minder auch das Lesepublikum. Aber das alles ist uns in diesen Wochen selbstverständlich geworden, und so muß man die für die Verächt lichsten halten, die, wie oben geschildert, den Versuch machen, den Krieg auf Kosten des Buches zu loben! Der Krieg hat seine eigene gewaltige Ehre, und man macht ihn nicht noch ehrenvoller, nicht erträglicher, nicht gewaltiger, wenn man ihm zuliebe alles das, was den Menschen bisher als Höchstes, Heiligstes galt, für null und nichtig erklärt. Die Phantasie verantwortungsloser Literaten hat sich in diesen Wochen nicht genug tun können. Jetzt wird es Zeit, daß wir den Verstand sprechen lassen, ruhig und sachlich, und der sagt: Unser Heer ist draußen und schützt unser Land mit den Leibern der Millionen. Sieg oder Niederlage sind von unserer Macht und unserem Willen nicht beeinflußbar. Wir haben keine Macht gegen das, was sich da draußen abspielt. Also fangen wir an, zu arbeiten. Unsere Gedanken drehen sich um das Buch, also mögen wir doch für das Buch Weiterarbeiten, denn es ist ge fährlich, wenn man nur ein einziges Leben zwischen den Zeitungen und der Verlustliste führen wollte. Zwar ist unsere Volkswirt schaft verwundet, aber sie erholt sich schon wieder. Es liegt nicht der geringste Grund vor, daß Menschen, die früher Bücher gekauft haben, jetzt mit einemmal keine mehr kaufen sollen oder dürfen. Gewiß wird bestimmte Spczialliteratur wenig Absatz sinken, aber auch da ist nicht alles so hoffnungslos, wie es vielleicht den An schein hat. Viele haben doch zu Hause bleiben müssen und nun Gelegenheit, in Ruhe und Muße die Literatur ihres Faches durch- zuarbeitcn. Der Krieg reißt überall Lücken, die durch neue Kräfte ersetzt werden müssen. Aber auch die schöne Literatur im weite sten Umfange ist da und soll und wird gekauft werden. Es ist wahrlich nicht einzusehen, warum man jetzt nicht Romane, No vellen, Humoresken, Erzählungen und Gedichte lesen soll, denn auch unter diesen gibt cs genug, die sich auf das Thema des Tages beziehen. Da sind ferner die wichtigen Memoirenwerke und Brief sammlungen aus der Zeit vor hundert Jahren und von 1870/71, 1514 prachtvolle und unbestechlich« Dokumente, die man mit Ingrimm in der ungeheuren Bücherflut hat ertrinken sehen und die nun ihre Auferstehung feiern können. Da sind die Kriegs-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichten aller Länder und Völker, die mit uns Krieg führen. Da sind die Werke über die vielschichtigen sozialen Fra gen, die bereits jetzt ihre Bedeutung haben und erst recht nach dem Krieg haben werden und die mit größter Eile gründlich durch gearbeitet werden müßten. Da sind die Werke über die persönliche Führung und Gestaltung des Lebens, die praktische Alltagsethik. Da sind die vielen, vielen Tausend Jugendschriften mit ihrer der Zeit dienlichen heroischen Tendenz. Und da sind zuletzt, aber nicht als schlechteste, die kriegswissenschaftlichen Werke und ihre populären Ableger, die durchaus nicht so nüchtern und langweilig geschrieben sind, wie die meisten sich das vorstellen, und die doch außer den Fachleuten gemeinhin niemand beachtet. Ver leger dieser Literatur sollten sich zu der Überzeugung durchringen, daß jetzt ihre Zeit gekommen ist und daß sie versuchen müssen, ihre Lagerbestände zu realisieren; sie sollten versuchen, die gegenwär tige Lage in gewissem Sinne als günstige Konjunktur zu betrach, ten: eine Seite der Literatur hat sich abgenützt und sinkt zurück, eine andere ist aufgezogen worden. Die literarische Produktion ruht zurzeit so gut wie ganz. Der Verleger kann Atem schöpfen, er kann sein Lager durchsetzen und alles, was zeitgemäß ist, heraus suchen. Wir sind in das Weihnachtsquartal eingetreten, dem sonst Verleger und Sortimenter mit großer Hoffnung entgegensahen. Die Umsätze früherer Jahre werden sicherlich nicht er hielt werden, darüber ist sich jeder klar. Aber ebenso« ; wenig ist Grund, »schwarz anzusagen«, denn das deutsche jVolk, dem seine große sittliche und geistige Kraft so oft ! bescheinigt worden ist, würde sich vor dem Ausland ein sehr ^schlechtes Zeugnis ausstellen, wenn es, soweit es kaufkräftig ge blieben ist, jetzt zum Weihnachtsscst keine Bücher kaufen würde. Bedenken wir doch eins: die besten Kunden des Buchhandels, die Frauen und die Mädchen, die Jugend und die Kinder, und auch der größte Teil der Wissenschaftler sind zu Hause geblieben. Die elfteren können nicht fortwährend Strümpfe stricken und die letzte ren nicht müßig bleiben, sind es übrigens auch gar nicht. Und wenn die Kaufkraft auch herabgesetzt ist, so bedarf es eben einer richtigen und geschickten Bearbeitung. Vieles kann der einzelne Sortimenter tun, indem er in sein Schaufenster zeitgemäße Schriften stellt und an sein Fenster eine Aufforderung in kurzen und kernigen Sätzen hängt, in der er dem Publikum das Bücherkaufen nahelegt. Wenn ein solches Schild in jedem Buchladen aushäugt, so wird es sich allmählich schon be merkbar machen. Vieles kann aber auch in gemeinsamer Arbeit — und die ist heute die wichtigste — geschaffen werden, indem sich die Sortimenter einer Stadt zusammentun, um in einer noch näher zu bestimmenden Weife Presse und Publikum zu beein flussen. Es entfällt zum Beispiel jeder Grund für die meisten Tageszeitungen und Zeitschriften, keine Buchbesprechungen mehr zu bringen. Auch wäre im Rahmen eines solchen lokalen Zusammenschlusses der- Plan einer gemeinsamen großen Bü chermesse, bestehend aus zeitgemäßer Literatur, zu überlegen; der Reingewinn wäre unter allen Teilnehmern gleichmäßig zu ver teilen, so daß auch der kleinere Sortimenter etwas bekäme. Auch wären Kataloge über zeitgemäße Literatur für das Fest am Platze. Vielleicht läßt es sich auch ermöglichen, von diesem und ähnlichen Artikeln Separatabzüge herzustellen und sie an die Presse und das Publikum zu verteilen. Manches andere läßt sich außerdem noch tun. Unsere Soldaten rufen: Ran an den Feind! Wir aber wollen rufen: Ran an die Arbeit! Dokumente zur Geschichte des Europäischen Krieges 19i4. Mit besonderer Berücksichtigung von Österreich-Ungarn und Deutschland gesammelt und chronologisch herausgegeben von Carl Junker. 1. Heft. gr. 8°. (64 S.) Wien 1914, Verlag von Moritz Perles, k. u. k. Hofbuchhandlung. Brosch. 1 U ord. Unter den periodischen Erscheinungen über den gegenwärtigen Weltkrieg dürften nur die wenigen bleibenden, geschichtlichen Wert
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