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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.05.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-05-23
- Erscheinungsdatum
- 23.05.1908
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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früh durch eine in seine Stube platzende zwölfpfündige Kanonenkugel aufgeweckt, die ihn beinahe im Bett erschlagen hätte. Daß in buchhändlerischen Rundschreiben bei Geschäfts aufgaben damals unter anderen Gründen zuweilen auch der »Überdruß an den beschwerlichen Meßreisen« mit angegeben wurde, kann nach alledem nicht wundernehmen, denn bei den schlimmen Wegen waren die Meßreisen kein Vergnügen, für ältere Herren mit angegriffener Gesundheit waren sie aber direkt schädlich. Und heutzutage! Tut —, tut —, tut — töff, töff, töff und das elegante Automobil fährt in kühnem Bogen vor dem Deutschen Buchhändlerhaus vor und setzt den Meßgast ab, der erst wenige Stunden vorher in Dresden, Berlin oder Hamburg seine Glieder den angenehmen Polstern des modernen Vehikels anvertraut und mit hohem Genuß — erhaben ob Raum und Zeit — die im Frühlingsschmuck prangende Landschaft durcheilt hatl Jetzt fast nur so viele Stunden unterwegs, wie vor etwa 200 Jahren Tagei Die Fama geht, daß sich die Insassen der Wiener Extrapost — der bekannte Wiener Buchhändler Carl Gerold mit seinem ge treuen Wittenbecher, der Kunsthändler H. F. Müller aus Wien und der lebenslustige C. A. Hartleben, der Chef des glänzendsten Sortimentsgeschäfts in Pest, wurden genannt — in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Langeweile damit vertrieben, daß sie während der langen Fahrt durch Böhmen auf die Stunde der Ankunft in Kolin, Prag, Lobosttz rc. Wetten in Champagner abschlossen, die dann in Leipzig gewissenhaft erledigt wurden. Viel schöner lassen sich solche Wetten im Automobil machen, ihr Ausgang läßt nicht so lange auf sich warten, die schnelle Folge regt zu lebhafterer Beteiligung an. Nur darf das Tempo des wegen nicht bis zur Gefährlichkeit beschleunigt werden, denn ungern würde Leipzig einen Meßgast einbüßen. Jetzt hat in drei bis vier Tagen der Meßbesucher alle seine Pflichten erfüllt und seine Geschäfte erledigt. Auch die offiziellen Festlichkeiten in ihrer Dreiteiligkeit: Begrüßungs- abeud — Festmahl am Kantatesountag — Kantatemontag erstrecken sich nur über drei Tage. Im 18. Jahrhundert blieb man drei bis vier Wochen in Leipzig. Was heute ein Tag ist, war damals eine Woche. Die ganze erste Woche nahm früher den Charakter einer Art Begrüßungswoche an. Man besuchte seine Bekannten, die von Jahr zu Jahr mehr wurden, strich über die Schaumesse, machte eine Lustpartie ins Rosental, ging in die Komödie. Jetzt begnügt man sich mit einem Begrüßungsabend, dem eine Nachsitzung angeschlossen wird. Nach acht Uhr am Sonnabend vor Kantate, den 16. Mai, strömten, wie alljährlich, die Leipziger Buchhändler in Hellen Scharen mit ihren Gästen nach dem Buchhändler- Hause, wo sich bald in dem festlich erleuchteten Haupts aal ein fröhliches Getümmel entwickelte. Hatten sich auch viele schon vorher in den Versammlungen der Abgeordneten der Kreis- und Ortsvereine oder des Deutschen Verlegeroereins begrüßt, so tauchten hier doch noch manche der alten ge treuen Meßbesucher auf. Alle waren bemüht, alte Bekannt schaften durch Austausch von Erinnerungen neu zu beleben, Geschäftsfreunde, mit denen sie bis jetzt nur schriftlichen Verkehr gepflogen hatten, von Angesicht kennen zu lernen, neue Verbindungen anzubahnen usw. Das war ein gegenseitiges Vorstellen, ein Begrüßen, daß man nur schwer zwischen den Tischreihen hindurch konnte. Hilfreich müssen an diesem Abend die Leipziger Kommissionäre, diese Aller weltsvermittler, Bekanntschaften anknüpfen, die Vertreter der einzelnen Firmen gegenseitig vorstellen und auch zum Aus gleich mancher kleinen Differenz im gemütlichen, herzlichen Gespräch Veranlassung geben. So bot der Saal auch dieses Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. Mal wieder ein lebhaft bewegtes Bild fröhlicher Menschen, die sich freuten, wieder einmal im alten Leipzig mit Berufs genossen zusammen zu sein. Mit der Zeit kristallisierten sich an den einzelnen Tischen die alten Freundschaften zusammen, und bei einem Glase Bier tauchte dann bald die Frage auf, wohin später die Schritte gelenkt werden sollten, denn viel länger als bis zehn Uhr bleiben an diesem Abend die Buch händler traditionell nicht in ihrem Heim zusammen. Offiziell war »zwangloses Beisammensein« in einer reservierten Abteilung des Ratskeller angesagt, und alle Ge wissenhaften, die auch diesen Programmpunkt genau ein hielten, fanden dort einen großen Kreis lieber Bekannten aus allen Gauen Deutschlands. Von einzelnen Gruppen, die Biergenuß am Abend vorziehen, wurden die alten Buch händlerlokale »Baarmann« am Markt und der jetzt sehr be vorzugte »Sachsenhof« ausgesucht. Bei einer großen Zahl treubewährter Meßbesucher kam aber die »alte Liebe« zu »Aeckerleins Keller« am Markt wieder zum Durchbruch, be sonders da ein leises Geraune durch die Menge gegangen war, daß dort etwas los sein würde. Mit einem: »immer der alte Ratskeller« beschwichtigte man alle Bedenken gegen über dem Programm und lenkte seine Schritte zu Aeckerlein. In den gewölbten, traulichen Räumen fand sich denn auch bald eine erlesene Schar von Buchhändlern zusammen. Den Mittelpunkt bildete der allverehrte Otto Petters aus Heidelberg, der als Jubilar an diesem Abend sein Amt als Für sprecher der Armen und Bedrängten mit großem Erfolge ausübte. Vor zehn Jahren hatte er einst in fröhlicher Stunde seine neue Hose zugunsten der Bedürftigen unseres Standes gewidmet. Damit sie aber rechten Segen stiften sollte, hatte er sie nicht zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung preisgegeben, sondern das Kleidungsstück, als er es Zug um Zug mit den Unaussprechlichen des freundlichen Wirtes vertauschte, alsbald zu einem umfangreichen »Klingelbeutel« umgewandelt, der nun in zehnjähriger Tätigkeit schon viele hundert Mark den Taschen wohltätiger Menschen entlockt hat. Daß diese Hose, »Ims Klingelbeutel, an ihrem Jubiläum ihre Mission besonders gut erfüllen würde, war ja bei der muntern Fröhlichkeit ihres Spenders zu erwarten. Über tausend Mark sollen in dem immerhin kleinen, aber außer ordentlich freudig bewegten und zum Wohltun geneigten Kollegenkreise innerhalb weniger Stunden vom nimmer müden Otto Petters hervorgezaubert worden sein. Diesem Verdienste fehlte die Anerkennung nicht. Feierlichst wurde dem Jubilar der Hosenbandorden verliehen und er quittierte fröhlich für alle Freundlichkeiten mit »Liedern zur Laute«, deren beifällige Aufnahme für ihn immer wieder die Veranlassung zu neuem Anspruch an die nie ver sagende Menschenliebe wurde. Otto Petters' Schuld war es nicht, wenn nicht jeder aufgeheitert und merklich erleichtert die Kellergewölbe verließ. Wer aber ob der langen Sitzung Gewissensbisse verspürt haben sollte, der möge sich trösten, daß unsere Altvordern es auch nicht anders getrieben haben. Denn auch diese verstanden nach l)r. Goldfriedrichs Forschungen, die feinern und derbern Freuden der Buchhandelsstadt zu kosten. Man wußte »die Freuden der Freundschaft untereinander zu genießen«, und man legte immer, mit Recht, einen gewissen Wert darauf. Bürger aber, und der mußte es verstehen, rief den deutschen Buchhändlern im Jahre 1777 zu: »Nur ein einziges Mal auf der Messe minder locker gelebt, so sind schon reichlich 50 Reichstaler erspart!« Ein nettes Sümmchen bei dem da maligen Wert des Geldes! Und dabei gab es damals noch gar keine Petterssche Hose und keine Witterschen Weine, aber auch glücklicherweise keinen ('fff) — Akademischen Schutzverein! 750
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